Psychologe über Angst : „Wir testen immer neue Therapien“
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Wenn Angstzustände häufiger und ohne Erklärung im Alltag vorkommen, sollte man sich Gedanken machen. (Symbolbild) Bild: dpa
Normalerweise ist Angst etwas Gutes. Sie beschützt uns vor potentiellen Bedrohungen. Bei manchen Menschen tritt sie jedoch immer wieder in unerklärlichen Situationen auf. Um das zu bekämpfen, müssen sich Patienten ihrer Angst stellen.
Herr Ströhle, warum empfinden wir Angst?
Prinzipiell ist Angst eine Basisemotion, die den allermeisten Menschen und Tieren zu eigen ist und die uns bei einer potentiellen Bedrohung schützt. Sie macht uns aufmerksam und führt dazu, dass wir physiologisch und psychologisch optimal auf die Gefahr reagieren können.
Wie reagiert unser Körper auf Angst?
Der Körper stellt sich auf einen Kampf ein und aktiviert den gesamten Kreislauf. Der Puls beschleunigt, wir haben eine vertiefte Atmung, und das Blut wird vom Verdauungstrakt hin zu den Muskeln verteilt, damit unsere Leistungsfähigkeit höher ist.
Wenn diese Reaktion nach einem knapp entgangenen Autounfall auftritt, besteht kein Grund zur Sorge. Sollte sie jedoch häufiger und ohne Erklärung im Alltag vorkommen, würde ich mir Gedanken machen.
Woran erkenne ich außerdem, dass die empfundene Angst krankhaft ist?
Wenn ich dadurch im Alltag beeinträchtigt bin und bestimmte Situationen oder Orte meide.
Was können Gründe für eine Angststörung sein?
Wir gehen in der Regel von einem lerntheoretischen Modell der Panikstörung aus, wobei die Ursachen dafür weniger in der Kindheit gesucht, sondern eher konkrete Stressfaktoren bestimmt werden. Dazu zählen Persönlichkeitsmerkmale, Stress, genetische Faktoren oder Drogen.
Wer erkrankt vor allem daran?
Ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung haben im Leben mindestens einmal eine Panikattacke. Nur ein Zehntel davon entwickelt tatsächlich eine Panikstörung. Frauen leiden etwa doppelt so häufig an Angsterkrankungen als Männer.
Was für verschiedene Formen von Angsterkrankungen gibt es?
Menschen haben unterschiedliche Altersstadien, in denen sich psychische Erkrankungen manifestieren. In der Kindheit treten häufig spezifische Phobien wie gegen Spinnen oder Schlangen auf. In der Jugend sind es eher soziale Angststörungen, charakterisiert durch eine angstbesetzte Interaktion mit anderen Menschen oder Prüfungsangst. In den Zwanzigern kommt es vermehrt zu Panikstörungen und Agoraphobien. Die generalisierte Angststörung hat ihren Manifestationsgipfel später, zum Teil erst in den Fünfzigern und Sechzigern. Angststörungen treten häufig komorbide auf. Das bedeutet, dass bei einem Menschen mehrere Diagnosen wie etwa unterschiedliche Angststörungen oder Angststörungen und Depressionen zutreffen können.
Welche Therapieformen gibt es?
Die kognitive Verhaltenstherapie. Erst sprechen Patient und Therapeut gemeinsam darüber, was bei der Entstehung der Angst eine Rolle gespielt hat, und bereiten schrittweise die Konfrontation mit der Situation oder dem Objekt vor, das die Angst auslöst. Je nach Grad der Erkrankung müssen Medikamente nicht zwangsläufig zum Einsatz kommen. Wir testen immer wieder neue Therapieformen. Ist die Angst beispielsweise so schlimm, dass die Patienten es nicht in die Klinik schaffen, fahren wir in einem ersten Schritt zu ihnen nach Hause, um die Wegefähigkeit zu erreichen. Auch Sport hat sich bewährt. Insgesamt profitieren etwa 60 bis 80 Prozent der Patienten von Therapiemaßnahmen.