Gestohlene Pfandbons : „Emmely“ kommt vor Bundesarbeitsgericht
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Der Fall der Kassiererin Barbara Emme hat der Gerichtsentscheidung zufolge grundsätzliche Bedeutung Bild: dpa
Der Fall der Berliner Supermarktkassiererin Barbara Emme wird nun doch vom Bundesarbeitsgericht geprüft. Die Richter haben die Revision zugelassen, weil der Fall grundsätzliche Bedeutung habe. Die Kassiererin hatte zwei Pfandmarken unterschlagen und war daraufhin entlassen worden.
Der Fall der Berliner Supermarktkassiererin Barbara Emme, die wegen gestohlener Pfandbons im Wert von 1,30 Euro entlassen wurde, wird nun doch vom Bundesarbeitsgericht geprüft. Am Dienstag entschieden die Bundesrichter in Erfurt, dass der Fall von „Emmely“ - wie ihre Unterstützer sie nennen - grundsätzliche Bedeutung habe, und ließen Revision zu.
Die Entlassung und die Urteile gegen Barbara Emme waren auf Kritik von Politikern und Gewerkschaften gestoßen. Die Frau war nach mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit wegen eines Bagatelldiebstahls entlassen worden. Das Landesarbeitsgericht Berlin hatte betont, dass eine Kassiererin „absolute Zuverlässigkeit und Korrektheit im Umgang mit der Kasse“ zeigen müsse. Für Diebstahl gebe es keine Toleranzgrenze - auch wenn das Diebesgut nur geringwertig sei, wie hier ein paar Pfandbons. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hatte das Urteil als barbarisch bezeichnet.
Für die Entscheidung der Bundesrichter war der geringe Wert der Pfandbons kein Thema. Seit Jahren entscheiden sie in ständiger Rechtsprechung, dass ein Diebstahl auch kleinster Vermögenswerte eine Kündigung rechtfertigt, weil die Tat das Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber untergrabe.
Welches Gewicht haben ihre Falschaussagen?
Für die Richter war eine andere Frage viel wichtiger: Dürfen Arbeitsgerichte ihr Urteil in Kündigungsschutzprozessen auch auf das spätere Verhalten von Arbeitnehmern gründen?
Das Landesarbeitsgericht hatte bei der Kontrolle, ob die fristlose Kündigung gerechtfertigt war, auch berücksichtigt, dass die Kassiererin „im Rahmen der Befragungen durch den Arbeitgeber immer wieder falsche Angaben“ machte, die sie dann „einfach fallengelassen hat“, nachdem der Arbeitgeber sie widerlegt hatte. Vor allem habe Emme „ohne Grund und Rechtfertigung eine Kollegin belastet, die nichts mit der Sache zu tun gehabt hatte“.
Zwar hat das Bundesarbeitsgericht schon früher entschieden, dass in solchen Prozessen die Umstände nach der eigentlichen Kündigung relevant sein können, „wenn sie das frühere Verhalten des Gekündigten in einem anderen Licht erscheinen lassen“. Aber bislang ist noch nicht entschieden, ob dazu auch das „prozessuale Verteidigungsverhalten“ der Arbeitnehmer zählt - sprich: dass sie womöglich Arbeitgeber oder Richter belügen, um ihre Haut zu retten.
Diese Strategie von „Emmely“ hatte jüngst der Arbeitsrechtsprofessor Volker Rieble in einem Fachaufsatz für die Neue Juristische Wochenschrift angeprangert. Sein Beitrag hat inzwischen die Staatsanwaltschaft Berlin auf den Plan gerufen, die derzeit prüft, ob sie ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Barbara Emme aufnimmt. Noch sei die Vorprüfung nicht abgeschlossen, sagte eine Sprecherin.