In Geilenkirchen in NRW : 40,5 Grad – Neuer Hitzerekord in Deutschland
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Endlich Abkühlung: Ein Badeschiff in der Spree in Berlin Bild: dpa
In Nordrhein-Westfalen ist höchstwahrscheinlich der deutschlandweite Temperaturrekord gebrochen worden. Doch der Wert von 40,5 Grad könnte am Donnerstag schon wieder übertroffen werden. Experten erwarten einen extremen Tag – und warnen vor den Gefahren.
In Nordrhein-Westfalen ist am Mittwoch aller Voraussicht nach der deutschlandweite Temperaturrekord gebrochen worden. In der Stadt Geilenkirchen nördlich von Aachen seien 40,5 Grad gemessen worden, teilte der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit. Die Messstation gehört allerdings nicht zum Netz des Deutschen Wetterdienstes. Sie gilt aber als offizielle Stelle zur Wetterbeobachtung. Damit sei der bisherige deutsche Allzeitrekord vom 5. Juli 2015 mit 40,3 Grad im bayerischen Kitzingen höchstwahrscheinlich überboten worden. Es ist allerdings gut möglich, dass der neue Rekord nicht einmal einen Tag Bestand haben wird, da es am Donnerstag in einigen Regionen Deutschlands noch heißer werden könne, schrieb der DWD auf Twitter.
„Am Freitag werden wir unsere Rekordlisten wohl völlig neu schreiben müssen“, sagt auch Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). „1983 wurden in Deutschland das erste Mal über 40 Grad gemessen. Das war damals noch eine Sensation.“ Insgesamt sei diese Schwelle seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 nur zehn Mal überschritten worden, sagt der Meteorologe, und zwar immer nur an einzelnen Tagen und einzelnen Orten. Dieses Mal wird es aller Voraussicht nach anders kommen: „Bis Freitagabend könnten wir die 40 Grad an bis zu zwanzig Messorten erreichen“, sagt Friedrich.
Hitze-„Hotspot“ zwischen Rheinland und Saarland
Der DWD gab am Mittwoch Hitzewarnungen heraus, im Westen und im Süden überwiegend Stufe 2, im Osten wurde vor allem die Warnstufe 1 ausgerufen. An diesem Donnerstag wird sich das Hoch „Yvonne“ am stärksten auswirken, die Warnungen sollen bis 19 Uhr bestehen bleiben. Neue Höchstwerte werden am ehesten zwischen dem Rheinland und dem Saarland erwartet. Dort befindet sich laut Friedrich der „Hotspot“ der derzeitigen Hitzewelle. Ursache sei eine Großwetterlage, die dazu führe, dass sehr heiße Luft aus der Sahara über das westliche Mittelmeer und Frankreich vor allem in den Westen Deutschlands ströme. Bayern sei anders als etwa 2015 nicht so stark betroffen. Der erste deutsche Ort, von dem in diesem Sommer 40 Grad gemeldet wurden, war am Mittwoch um 17.20 Uhr dann auch Saarbrücken-Burbach.
Aber auch abseits der rekordverdächtigen Gebiete soll es am Donnerstag mit 32 bis 37 Grad sehr heiß werden. Temperaturen unter 30 Grad werden nur an der Ost- und Nordseeküste und auf den Bergen oberhalb von 1000 Metern erwartet. Nach Angaben von DWD-Sprecher Friedrich gelten auch für einige Gebiete auf einer Höhe von 600 Metern Hitzewarnungen. Vor allem im Ruhrgebiet und in der Rhein-Main-Region können Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, auftreten.
Die extreme Hitze könne für Menschen gefährlich sein und sogar zum Tod führen, warnt das Robert-Koch-Institut. So sei die Zahl der Hitzetoten im vergangenen Jahr mit dem „Jahrhundertsommer“ 2003 vergleichbar, sagt Matthias an der Heiden vom Robert-Koch-Institut, in dem in Europa zwischen 50.000 und 70.000 und in Deutschland etwa 7600 Menschen dem extremen Wetter zum Opfer fielen. Das Ausmaß komme einer Grippewelle nahe. Die hohen Temperaturen können Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren, der Atemwege und Stoffwechselstörungen verursachen. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts sieht unter anderem ältere, isoliert lebende, demente und pflegebedürftige Menschen besonders gefährdet. Auch Säuglinge, Kleinkinder und Personen mit starkem Übergewicht sowie chronischen Erkrankungen betrachtet das Institut als Risikogruppen.
Die Betreuung in Pflegeheimen an Hitzetagen habe sich im Vergleich zu den Vorjahren verbessert, sagte Chefarzt Clemens Becker von der Klinik für Geriatrische Rehabilitation des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart der Nachrichtenagentur epd. Allerdings habe er festgestellt, dass die Sterblichkeit von Senioren, die durch ambulante Pflegedienste in den eigenen vier Wänden betreut werden, an heißen Tagen sehr hoch sei. „Das Thema muss politisch ernster genommen werden. Wir reden von vermeidbaren Todesfällen. Dafür gibt es meiner Meinung nach keine Entschuldigung.“ Hitzewellen müssten als Katastrophenszenario anerkannt werden, dann könne auch der ehrenamtliche Katastrophenschutz zum Einsatz kommen.
Das Warnsystem des DWD war 2003 als Reaktion auf die extremen Auswirkungen der damaligen Hitzeperiode eingeführt worden. Für die Warnungen orientiert sich der DWD an der „gefühlten Temperatur“. Neben der normalen Lufttemperatur fließt in diesen Wert auch die jeweilige Luftfeuchtigkeit sowie Sonneneinstrahlung und Windstärke ein. Wenn die gefühlte Temperatur für mindestens zwei Tage über 32 Grad steigt, so dass sich auch die Wohnungen aufheizen, gibt der DWD laut Andreas Friedrich eine Hitzewarnung der Stufe 1 heraus. Bei mehr als 38 Grad gefühlter Temperatur, die länger als einen Tag anhalte, bestehe eine extreme Wärmebelastung. Dann werde die Warnstufe 2 ausgerufen.
Eine Hitzewelle als direkte Folge des Klimawandels anzusehen sei immer schwierig, so auch dieses Mal, sagt Friedrich. „Die Ausschläge nach oben werden allerdings immer häufiger, extremer und halten immer länger an. Das lässt sich eindeutig auf den Klimawandel zurückführen.“