Festivalstimmung auf dem Bürgersteig : Die Wiener Back-Guerrilla
- -Aktualisiert am

Die Guerrilla hat wieder zugeschlagen: Kuchenliebhaber füllen ihre Tupperdosen in Wien. Bild: Michael Holly
Drei junge Frauen aus Vorarlberg verändern mit ihren süßen Pop-up-Küchlein das Sonntagnachmittagsgefühl der Stadt. Die Leckereien sind oft schon nach 20 Minuten ausverkauft.
Am Sonntag wirkt die Weltstadt Wien wie eine Ruhezone. Der Verkehr hat nachgelassen, Fußgänger spazieren durch die engen Gassen, und bei einem Verlängerten entspannt man sich im Kaffeehaus. Auch der siebte Bezirk ist mehr verschlafenes Nest als Mittelpunkt studentischen Lebens. Der Wind raschelt in den Bäumen, eine Straßenbahn rumpelt die Gleise entlang. Aber dann reiht sich wie aus dem Nichts eine 40 Meter lange Menschenschlange um die Ecke der Kandlgasse. In Zweierreihe warten Jung und Alt vor der Glasfront eines ehemaligen Tapeziergeschäfts, mit Plastikdosen unterm Arm und laut - in der Vorfreude.
Im Schaufenster, an einer langen, geschmückten Tafel, stehen drei Schwestern aus Vorarlberg. Sie lassen heute Nachmittag mit ihrer Backkunst die Herzen der Zuckersüchtigen und Tortenliebhaber höher schlagen. „Guerilla Bakery“ nennen sie ihr köstliches Konzept, das einmal im Monat sonntags in einem beliebigen Café aufpoppt, mit Küchlein und Törtchen. In Wien gehören die jungen Frauen zu den Vorreitern der Pop-up-Küche. Seit gut einem Jahr bereits backen sie so. „Schon vor drei Jahren haben wir uns überlegt, wie schön es wäre, mit Freunden und Bekannten unsere frischen Leckereien zu teilen“, erzählt Isabel, die älteste der drei Schwestern. „Aber typisch österreicherisch haben wir das auf die lange Bank geschoben.“
Das ändert sich, als Sarah, die jüngste, einfach einen Termin über die Online-Plattform Facebook bestimmt und an ihr Adressbuch versendet. Und schon drängt die Zeit. Schnell werden frische Zutaten gekauft, die Mixer rotieren. Mitten in der Nacht werkeln die drei Schwestern, die im selben Haus wohnen, an Cupcakes und Kuchen. Der Innenhof ist erfüllt von Kuchenduft und dem Rattern der Rührgeräte. Ihren ersten Verkaufsstand eröffnen sie in Sarahs Wohngemeinschaft. Klein, fein und privat. Süßes von Freunden für Freunde. Doch nicht nur Bekannte strömen in ihr Wohnzimmer. Auch fremde Menschen, die im Internet auf den Event aufmerksam werden, klingeln an der Tür. Mit erwartungsvollen Augen und leeren Tupperdosen stehen sie vor den Tischen und bestaunen die süßen Sünden.
„Betonküche“ in leerstehenden Gassenlokalen
Das ist der Anfang. Obwohl jede der drei Frauen jeweils mehr als 200 Törtchen backt, sind die Leckereien oft schon nach 20Minuten ausverkauft. Das Ereignis spricht sich in Wien schnell herum, kleine Cafés werden auf die Schwestern aufmerksam. Sie schlagen der „Guerilla Bakery“ eine Zusammenarbeit vor. Einen Sonntag im Monat können die Schwestern die Verkaufsflächen nun nutzen und sind nicht mehr aufs eigene kleine Wohnzimmer angewiesen.
Gerührt und gebacken wird zu Hause, verkauft in der Stadt. Typisch Pop-up schlagen die Mädels kurz vor Verkaufsbeginn in dem Lokal auf, richten ihre Küchlein her, schlüpfen in bunte Schürzen und öffnen den gierigen Massen die Tür. An der Kandlgasse werden sie dieses Mal von den Betreibern der „Betonküche“ aufgenommen. Pop-up trifft Pop-up. „Pop-up zum Quadrat“, grinst Jonathan Aron Lutter, der gemeinsam mit seinen Freunden Martin Fetz und Javier Enrique Mancilla Martinez in Wien für ein Essenserlebnis der besonderen Art steht.