Trennung : Wenn die Liebe geht
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Haben sich getrennt: Bettina und Christian Wulff. Bild: dpa
Einvernehmliche Trennung? So ein Quatsch. Durch gegenseitige Schuldzuschreibungen betreiben die meisten Paare schon vorher emsig den Niedergang ihrer Beziehung. Von Tätern und Opfern in Partnerschaften.
Unsere Nachbarn haben sich getrennt. Wir raffen die Gardine zur Seite und sehen durch das Küchenfenster, wie der Möbelwagen vorfährt. Herr Kaiser zieht aus. Vielleicht wussten wir, dass er eine Affäre hatte. Vielleicht hat Frau Kaiser uns über den Gartenzaun hinweg ihr Leid geklagt. Wahrscheinlicher ist, dass wir wieder einmal nichts mitbekommen haben und alles ganz anders ist. Trotzdem stehen wir hinter unserer Gardine, sehen Kaisers Schreibtisch im Transporter verschwinden und sinnieren: „Ich hab’s immer gewusst, er ist ein Schwein!“ Oder auch: „Die hat ihn sowieso nur ausgenutzt.“
Wären unsere Nachbarn nicht die Kaisers, sondern Personen des öffentlichen Lebens mit Zuschauern überall im Land, ihr Anwalt würde wohl eine Erklärung abgeben, wie wir sie kennen von den van der Vaarts, den Klums und wie sie alle heißen. Dieses Mal: „Bettina und Christian Wulff haben sich am Wochenende einvernehmlich räumlich getrennt, nehmen ihre Verantwortung für ihren Sohn gemeinsam wahr und werden keine weiteren Erklärungen zu ihrer privaten Situation abgeben.“
Sollen wir das glauben? Gibt es einvernehmliche Trennungen?
“Ja, natürlich“, sagt der Paartherapeut Arnold Retzer, „aber das ist sehr, sehr selten. Für den Beginn einer Paarbeziehung sind zwei nötig. Für das Ende reicht einer.“
Malen wir uns das einvernehmliche Szenario einmal aus:
Herr Kaiser: „Stimmst du mit mir überein, dass wir jede Menge Mist gebaut haben?“
Frau Kaiser: „Findest du auch, wir haben einander tief verletzt?“
Herr Kaiser (reicht Frau Kaiser die Hand): „Ich danke dir für all die gemeinsamen Jahre.“
Frau Kaiser (lächelt ihn an): „Es war wirklich eine schöne Zeit.“
Ist das nun das Ende oder vielmehr der Beginn einer Liebesbeziehung? Retzer, Autor eines Buchs über die „Vernunftehe“, sagt: „Wenn man schon einvernehmlich ist, kann man doch auch zusammenbleiben.“
Die Schuld ist nicht objektiv zu bestimmen
Früher, als wir weder Einfamilienhäuser noch Kinder hatten und die Trennung auf dem Schulhof passierte, war unsere Sprache ehrlicher. Da hat einer mit dem anderen Schluss gemacht. Der eine traf seine Entscheidung. Der andere hatte damit klarzukommen. Der eine war aktiv, der andere passiv. Der eine war Täter, der andere Opfer. Wollen wir Freunde bleiben? Das war immer Schwachsinn.
Nur: Wer hat Schuld?
Wenn wir, unsere Nachbarn Kaiser und die Wulffs heute allerorts den Begriff der Trennung verwenden, der ein symmetrisches Geschehen nahelegt, mag das auch auf die Reform des Scheidungsrechts 1977 zurückgehen, mit der das Schuldprinzip offiziell abgeschafft wurde. Vorher wurde eine Ehe nur geschieden, wenn das Gericht feststellen konnte, wer für das Scheitern verantwortlich gewesen war. Und weil das für den Schuldigen in der Regel bedeutete, dass er nicht nur jeglichen Anspruch auf Unterhalt verwirkt hatte, sondern auch das Sorgerecht verlor, wurde zwangsläufig schmutzige Wäsche gewaschen - mit Tanten und den lieben Nachbarn als Zeugen. „Das war äußerst unbefriedigend“, resümiert die Familienanwältin Karin Meyer-Götz aus Dresden. „Wie wollen Sie als Gericht eine Ehe aufarbeiten?“
Von den extra schäbigen Fällen abgesehen, ist Schuld am Niedergang einer Partnerschaft nicht objektiv zu bestimmen - weder im Gerichtssaal noch hinter der Küchengardine oder auf dem Boulevard der Meinungen. Das gültige Zerrüttungsprinzip, demzufolge ein Jahr nach der Trennung die Scheidung beantragt werden kann, folgt der Binsenweisheit, dass beide irgendwie ihren Anteil am Schlamassel gehabt haben werden. Das heißt aber nicht, die Schuldfrage wäre aus der Welt. Spätestens, wenn um den Ehegattenunterhalt gestritten wird, kommt sie zurück ins Spiel.