Lebensentwürfe : Elternglück für Kinderlose!
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Auch ohne eigene Kinder muss der Kontakt zu den Kleinen nicht fehlen Bild: Illustration F.A.S.
Wer keinen eigenen Nachwuchs hat, sucht oft intensive Bande zu Nichten, Neffen und den Sprösslingen von Freunden. Der Vorteil: Die kann man wieder abgeben.
In seinen Zwanzigern fand Dorin Popa es aus politischer Überzeugung unverantwortlich, Kinder in die Welt zu setzen. In seinen Dreißigern, als ihm schlagartig die eigene Endlichkeit bewusst wurde und er deshalb jede x-beliebige Frau geschwängert hätte, hat es irgendwie nicht geklappt. In seinen Vierzigern dämmerte ihm schließlich: Vielleicht würde er nie Vater. Dann bekam eine enge Freundin Zwillinge, und Dorin Popa dachte schon bei seinem Besuch im Krankenhaus: „Okay. Ich bin jetzt 44. Ich nutze das parasitär aus und hol’ mir, was ich kriegen kann.“
Er wechselte Windeln und trug schreiende Babys am See auf und ab. Bald verabredete er mit den Eltern einen festen Tag in der Woche, an dem er die Betreuung übernahm. Auch als die Kleinen in die Krippe kamen und eine Nanny eingestellt wurde, sprang Popa ein, wann immer die Kinder krank waren. Im Gegensatz zu den Eltern mit ihren geregelten Arbeitszeiten war er, der Freiberufler, flexibel. Und als die Zwillinge drei Jahre alt waren und wieder ein neues Kindermädchen gesucht wurde, übernahm Popa ganz.
„Panks“ als wichtige neue Bevölkerungsgruppe
Zwei Nachmittage durch die Wohnung toben, vorlesen oder auf den Spielplatz gehen - als Minijob. Die Eltern wollten ihn bezahlen. Popa ging es nicht ums Geld. Der Zweiundfünfzigjährige sagt: „Ich finde es wahnsinnig erfüllend und bereichernd. Jede Zeit mit den Kindern bringt mir mehr als mein Beruf, den ich wirklich liebe.“
Man könnte Dorin Popa als „Punk“ bezeichnen, in einer männlichen Abwandlung des Akronyms „Pank“, das gerade von Amerika über Großbritannien nach Deutschland schwappt. Die Abkürzung von „professional aunt (uncle), no kids“ meint kinderlose Erwachsene, die intensive Beziehungen zu ihren Nichten und Neffen, zum Nachwuchs von Freunden oder zu Patenkindern aufbauen. Erst kürzlich hat das Marktforschungsunternehmen Euromonitor „Panks“ als wichtige neue Bevölkerungsgruppe identifiziert, die in den nächsten Jahren weiter wachsen werde.
Man muss den Begriff nicht sympathisch finden. Wie andere Trendlabel auch, wie „Dinks“ („double income, no kids“) und „Woopies“ („well-off older people“), handelt es sich um eine Erfindung von Marketingstrategen, denen es weniger darum geht, soziologisch fundiert gesellschaftliche Entwicklungen zu erfassen, als lukrative Zielgruppen zu erschließen. Folgerichtig haben die Marktforscher von Weber Shandwick in einer Studie aus dem Jahr 2012 in Amerika 23 Millionen „Panks“ identifiziert.
Konsumwünsche werden zweitrangig
Wichtiger noch: Jede dieser Frauen investiere jährlich im Schnitt 387 Dollar pro Kind, das ihr am Herzen liege, drei Viertel der Frauen gäben jeweils sogar mehr als 500 Dollar aus. Das macht, wie Weber Shandwick frohlockend hochrechnet, neun Milliarden Dollar Kaufkraft. Der Schöpferin des Akronyms, der Amerikanerin Melanie Notkin, kann man derweil auf ihrer Internetplattform savvyauntie.com („cleveres Tantchen“) dabei zusehen, wie sie bei einem New Yorker Shoppingsender teuren Plastikschrott aus dem Spielzeughandel als ideales Weihnachtsgeschenk anpreist.
Dorin Popa sagt: „Das Schöne an Kindern ist ja, dass materielle Dinge eigentlich gar keine Rolle spielen.“ Natürlich gehe er, der gebürtige Münchner, mit den Zwillingen jedes Jahr zum Oktoberfest. Aber sobald man gemeinsam Kastanien sammele, würden Konsumwünsche zweitrangig.