Deutschland im Pisa-Test : Höheres Niveau und ein wenig gerechter
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Es läuft wieder besser für die deutschen Schüler: Im Pisa-Test haben sie sich verbessert. Bild: dpa
Die erste Pisa-Studie vor mehr als zehn Jahren war ein Schock für Deutschland - doch jetzt haben die deutschen Schüler viele Rückstände aufgeholt. Ein Überblick über die aktuellen Ergebnisse.
Die erste Pisa-Schulstudie vor mehr als zehn Jahren war ein Schock für Deutschland: Die 15-jährigen Schüler schnitten im internationalen Vergleich schlecht ab, und zudem war in kaum einem anderen Industrieland der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg enger. Doch Deutschlands Schüler haben wieder aufgeholt. Ein Überblick.
Was wird bei Pisa getestet?
Pisa steht für „Programme for International Student Assessment“. Verantwortlich für die Untersuchung ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bildungsforscher testen dabei alle drei Jahre weltweit in repräsentativen Stichproben die Leistungen von 15 Jahre alten Schülern. Der erste Test fand im Jahr 2000 statt. Die aktuelle Untersuchung fand im vergangenen Jahr statt, weshalb von Pisa 2012 die Rede ist. Es nahmen 510.000 Schüler aus 65 teilnehmenden Ländern und Volkswirtschaften teil. In Deutschland waren es 5000 Schüler
Getestet wird bei Pisa jeweils das Leistungsniveau in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Dabei gibt es bei jeder Testrunde einen Schwerpunkt. Bei Pisa 2012 war dies Mathematik.
Wie haben sich die Leistungen der deutschen Schüler entwickelt?
Die Leistungen haben sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Bei der jüngsten Studie lag das Leistungsniveau der 15-Jährigen - gemessen an einer Punkteskala - erstmals in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften über dem OECD-Durchschnitt. Ausschlaggebend war vor allem, dass die leistungsschwachen und sozial benachteiligten Schüler besser abschnitten.
In Mathematik zählen laut der jüngsten Untersuchung 18 Prozent der Jugendlichen zur Gruppe der besonders leistungsschwachen Schüler. Dieser Anteil lag im Jahr 2003, als das letzte Mal Mathematik im Zentrum stand, noch bei fast 22 Prozent. Zudem erzielten die leistungsschwächsten zehn Prozent der Schüler bei Pisa 2012 über 20 Punkte mehr als die entsprechende Gruppe vor zehn Jahren.
Wie sieht es mit dem Pisa-Schwerpunkt Mathematik diesmal aus?
Zwischen dem vorletzten Test 2009 und der jüngsten Untersuchung 2012 kletterte die durchschnittliche Mathe-Leistungspunktzahl von 513 auf 514. Das ist wegen der statistischen Fehlertoleranz völlig unbedeutend. Man kann mit Blick auf die vergangenen drei Jahre also auch von Stagnation sprechen oder davon - wenn man es freundlicher formulieren will -, dass sich die deutschen Schüler im Mittelfeld behaupten konnten.
Wie kann man die deutsche Mathe-Platzierung einordnen?
Weltweit wird in Mathematik im Schnitt der 65 Staaten ein Pisa-Mittelwert von 494 Punkten erzielt. In den Pisa-Siegerländern - voran den asiatischen Regionen Shanghai, Singapur, Hongkong, Taipeh - sind die 15-Jährigen den Gleichaltrigen in Deutschland um zwei bis drei Schuljahre voraus. Die Schüler in der Bundesrepublik wiederum sind ihren Altersgenossen aus den schwächsten Pisa-Ländern - wie Peru, Indonesien, Katar und Kolumbien - gut vier Jahre voraus. International gibt es also ein extremes Leistungsgefälle.
Wie hat sich die deutsche Platzierung entwickelt?
Experten warnen davor, allein nur nach den Tabellenplätzen zu schauen. Zum einen gibt es Staaten, die mit ihren Mittelwerten sehr dicht beieinander liegen. Zum anderen: Bei den ersten beiden Pisa-Untersuchungen 2000 und 2003 nahmen rund 40 Staaten teil, 2009 und 2012 waren es 65. Das verzerrt natürlich auch statistisch den Vergleich.
Hat sich denn bei den Risiko-Schülern nichts verbessert?
Doch. Die bessere deutsche Gesamtleistung wird vor allem auf Verbesserungen in den unteren Leistungsgruppen zurückgeführt. 2000 konnte mehr als jeder fünfte 15-Jährige in Deutschland nur allereinfachste Texte verstehen. Heute sind dies nur noch 14 Prozent. Gleichwohl gibt es noch immer 17,7 Prozent äußerst schwache Rechner (2000: 22 Prozent). Diese Leistungen reichen für eine Berufsausbildung heute nicht mehr aus, und die Wirtschaft klagt zu Recht darüber. Dagegen ist der Anteil der Spitzen-Rechner mit 17 Prozent über die Jahre hinweg nahezu konstant.
Ist das deutsche Schulsystem prinzipiell gerechter geworden?
Ja, auch wenn weiter ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg besteht. Dieser ist allerdings im Vergleich zu den ersten Untersuchungen schwächer geworden und liegt mittlerweile in etwa auf dem OECD-Durchschnittsniveau. Von den 39 Ländern und Volkswirtschaften, die an Pisa 2003 und Pisa 2012 teilgenommen haben, konnten lediglich Deutschland, Mexiko und die Türkei in diesem Zeitraum sowohl ihre Leistungen im Bereich Mathematik als auch die Chancengerechtigkeit steigern.
Dennoch hat die soziale Herkunft weiter Einfluss auf den Schulerfolg. In Deutschland erklären sich die verschiedenen Leistungen in Mathematik zu 17 Prozent aus Unterschieden im sogenannten sozioökonomischen Hintergrund der Schüler. Im OECD-Durchschnitt sind es 15 Prozent. Im Jahr 2003 lag der Anteil in Deutschland noch bei 24 Prozent.
Was misst Pisa noch?
Die Studie versucht beispielsweise auch, das schulische Engagement zu erfassen. So gaben etwa im OECD-Durchschnitt 35 Prozent der Schüler an, in den zwei Wochen vor der Pisa-Erhebung zu spät zur Schule gekommen zu sein. In Deutschland lag der Anteil bei 23 Prozent.
Auch die Zahl der Sitzenbleiber wird im internationalen Vergleich erhoben. In Deutschland gab ein Fünftel der Schüler an, mindestens eine Klasse wiederholt zu haben. In Europa war der Anteil nur in Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien höher. Allerdings verringerte sich der Anteil an Sitzenbleibern zwischen 2003 und 2012 leicht von 23,1 Prozent auf 20,3 Prozent.