Deutscher Arzt in Syrien : Fürsprecher für die Menschen in Kobane
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Ruinenlandschaft: Kobane während der Kämpfe vor drei Jahren Bild: AFP
Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert bringt immer wieder medizinisches Gerät nach Nordsyrien. Er fragt, warum die Politik nicht mehr für die Menschen dort tut.
Fünfmal binnen zwei Jahren ist der in Mainz als Obdachlosen-Arzt bekannte Gerhard Trabert schon nach Nordsyrien gereist, um medizinisches Gerät und andere Hilfsmittel in die Rojava-Region zu bringen, wo viele Kurden leben. Jedes Mal, zuletzt nach einem einwöchigen Aufenthalt kurz vor Weihnachten, muss er verstört erkennen, „wie wenig man sich in Deutschland aktuell für das Schicksal der Menschen in der vom Krieg zerstörten Stadt Kobane interessiert“. Gerade jetzt, da die amerikanischen Truppen von dort abzögen und das Säbelrasseln an der nahen türkischen Grenze immer lauter werde.
Als Reisender zwischen den Welten hat Trabert zuletzt ein Dermatom, ein für Hauttransplantationen geeignetes medizinisches Schneidegerät, im Koffer gehabt, als er über Erbil im Nordirak in das Krisengebiet gelangen wollte. Viele Unterschriften und Stempel seien nötig gewesen, um das Instrument über die Grenze zu bringen. Und obendrein Schmerzmittel für den Zöllner.
Rauchmelder im Gepäck
Der in Mainz ansässige Verein „Armut und Gesundheit in Deutschland“ kümmert sich in Kobane auch um ein Waisenhaus. Für diese Einrichtung hatte der 62 Jahre alte Professor, der an der Wiesbadener Hochschule Rhein-Main am Fachbereich Sozialwesen lehrt, Rauchmelder im Gepäck. Zudem versuche man Ärzten, die in der Grenzregion als Helfer im Einsatz seien, möglichst viele kleine Wünsche zu erfüllen: etwa in Gestalt eines Ultraschallgeräts oder eines Brutkastens für Frühgeborene. Darüber hinaus finanziert der vor allem von Spenden lebende Verein, den Trabert als Vorsitzender führt, im Rojava-Gebiet eine Beratungsstelle für Diabetiker, denen eine Fußoperation droht, wenn ihnen nicht zeitig geholfen wird. Die „als langfristiges Projekt“ angelegte Ambulanz koste jährlich rund 25.000 Euro.
Auch ohne den „diabetischen Fuß“ hätten seine Kollegen in Nordsyrien in den vergangenen Jahren unzählige Amputationen von Beinen, Füßen, Händen und Armen vornehmen müssen. So während der vor einem Jahr begonnenen türkischen Offensive auf die überwiegend von Kurden bewohnte Stadt Afrin. Weil es im modernen Krieg kaum noch richtige Schussverletzungen gibt, wie Trabert sagt: Die Munition zerfetze vielmehr die Körperteile, was Amputationen zur Folge habe. „Ich bin doch Arzt und kein Metzger“, habe ihm ein inzwischen nicht mehr arbeitsfähiger Kollege aus dem weiterhin durch den „Islamischen Staat“ bedrohten Krisengebiet gesagt, so der Mainzer Mediziner, der gestern von den „Reise-Erlebnissen“ berichtete.
Dabei verhehlt er nicht, wie sehr ihn die Besuche in dem seiner Einschätzung nach „basisdemokratisch organisierten Kurden-Gebiet“ aufwühlen. Er versuche, so gut das gehe, nicht parteiisch zu sein, sondern sehe sich in erster Linie als Arzt und Menschenrechtler. Gleichwohl hält er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für einen „Anti-Demokraten“, der kein völkerrechtliches Mandat für einen Einmarsch in Nordsyrien habe. Deutschland und die EU hätten aber offensichtlich ein Problem damit, dem Nato-Partner Grenzen aufzuzeigen. Vor allem deshalb, weil man die Türkei brauche, um Flüchtlinge nicht auf europäischen Boden zu lassen. Trabert weiß sehr wohl „um die Widersprüchlichkeiten der Weltpolitik“. Hofft aber dennoch darauf, bald im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags seine Erfahrungen schildern zu dürfen und als Fürsprecher der Menschen von Kobane Gehör zu finden.