Demoskopie : Wer glaubt an Wunder?
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Das „Wunder von Bern” akzeptieren nur wenige als „echtes” Wunder Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb
Jeder zweite Deutsche glaubt an Wunder. Zu diesem erstaunlichen Ergebnis kommt das Allensbacher Institut, das im Auftrag der F.A.Z. eine Repräsentativumfrage zum Thema „Wunder“ gemacht hat. Die meisten Befragten begreifen dabei Wunder nicht als „reine Zufälle“.
Am 19. September 2006, zwei Tage bevor er an der Regensburger Universität den Vortrag hielt, der seitdem den Blick auf alle anderen Aspekte seines Besuches in Deutschland verdeckt, erzählte Papst Benedikt XVI. vor 250.000 Gläubigen in München die Geschichte eines Wunders, die im Markus-Evangelium beschriebene Heilung eines Taubstummen durch Jesus. Diese Heilung, so der Papst, sei zum einen eine Zuwendung zu denen gewesen, die am Rand der Gesellschaft stünden, doch sie habe auch eine tiefere Dimension. Es gebe „nicht nur die physische Gehörlosigkeit“, sondern auch eine „Schwerhörigkeit Gott gegenüber“. Das von Markus beschriebene Wunder sei auch im übertragenen Sinne zu verstehen. Jesus habe es dem Taubstummen ermöglicht, Gott zu hören und mit ihm zu sprechen. Doch die Heilung der „physischen Gehörlosigkeit“ zog der Papst nicht in Zweifel, nahm das Wunder, das nicht mit dem Verstand oder mit Naturgesetzen erklärbare Ereignis als selbstverständlich an.
Was sind eigentlich Wunder? Kann es Dinge geben, die mit Rationalität und den Naturwissenschaften nicht erklärt werden können, oder handelt es sich nur um Täuschungen, Zufall oder Phantasien? Wer glaubt an Wunder, und mit welcher Lebenseinstellung ist der Wunderglaube verbunden? Dies sind Fragen, denen das Allensbacher Institut im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einer Repräsentativumfrage im September 2006 nachgegangen ist. Die Ergebnisse sind in mancherlei Hinsicht erstaunlich: Sie zeigen, daß die Deutschen dem Gedanken an Wunder mit großer und sogar wachsender Offenheit gegenüberstehen.
„Wunder von Bern“ kein echtes Wunder
In den Antworten der Befragten ist kaum Widerwille zu spüren, sich mit dem Thema zu beschäftigen, sondern sie zeichnen sich im Gegenteil durch eine bemerkenswerte Lebendigkeit und Vielfalt aus. Dies wird zum Beispiel erkennbar an den Reaktionen auf eine Frage, bei der die Befragten gebeten wurden anzugeben, welche Dinge oder Lebenssituationen als Wunder bezeichnet werden könnten. 67 Prozent meinten, die Heilung von einer schweren, scheinbar hoffnungslosen Krankheit könne als Wunder bezeichnet werden, 65 Prozent nannten es ein Wunder, wenn jemand einen schweren Unfall unbeschadet übersteht.
Fast die Hälfte der Befragten, jeweils 47 Prozent, bezeichnetet die Geburt eines Menschen und die Rettung aus scheinbar aussichtslosen Notlagen als Wunder, 42 Prozent nannten die Schönheit der Natur. Die Befragten unterschieden dabei durchaus zwischen dem Sprachgebrauch im Alltag und der grundlegenderen Bedeutung des Begriffs. Außergewöhnliche politische, sportliche oder gesellschaftliche Vorgänge wie das „Wunder von Bern“ oder das „Wirtschaftswunder“ akzeptierten nur wenige Befragte als „echte“ Wunder.
Esoterische Aussagen werden kaum akzeptiert
Die Frage „Glauben Sie an Wunder?“ beantworten heute 56 Prozent der Deutschen mit „Ja“, erheblich mehr als noch vor sechs Jahren, als in einer Allensbacher Repräsentativumfrage nur 29 Prozent diese Antwort gaben. Fragt man etwas genauer nach, dann erkennt man auch hier wieder eine erstaunliche Vielfalt der Vorstellungen. 54 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, daß es Fälle gibt, in denen jemand eine drohende Gefahr im voraus spürt, 51 Prozent glauben an Schutzengel, 45 Prozent meinen, daß es möglich sei, mit einem weit entfernten Menschen in innerer Verbindung zu stehen. Lediglich 30 Prozent der Deutschen meinen, das, was viele „Wunder“ nennen, seien in Wahrheit reine Zufälle.