Björn, Anni-Frid und „Hen“ : Schweden führt geschlechtsneutrales Personalpronomen ein
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Da waren die Geschlechterrollen noch klar verteilt: Benny, Anni-Frid, Agnetha und Björn von der Popgruppe „Abba“. Bild: dpa
Die schwedischen Sprache erhält neben den Wörtern für „er“ und „sie“ ein geschlechtsneutrales persönliches Fürwort: „hen“. Doch die Neuerung ist umstritten.
Im allgemeinen Sprachgebrauch hat es sich schon längst durchgesetzt, das geschlechtsneutrale Personalpronomen „hen“, und jetzt hat auch die Schwedische Akademie verlauten lassen, es werde die Wortschöpfung in die kommende Auflage der Wörterliste der schwedischen Sprache Svenska Akademins Ordlista mitaufzunehmen. Die bestehenden Personalpronomen „han“ („er“) und „hon“ („sie“) werden somit nun auch hochoffiziell durch das geschlechtsneutrale Personalpronomen „hen“ ergänzt.
Die seit 1786 bestehende Schwedische Akademie ist ein Wissenschaftsrat, der nach dem Vorbild der Académie francaise die schwedische Sprache fördern soll. Er besteht aus 18 auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern, die im Ausland vor allem für die Wahl der Literaturnobelpreisträger bekannt sind. Seit 1874 erscheint die „Wörterliste“ Svenska Akademins Ordlista, in der die wichtigsten Eigenheiten der schwedischen Sprache, eine Liste der wichtigsten Worte, seltener Worte und Sprachreformen verzeichnet sind. Die letzte Aktualisierung erfolgte 2006 mit der 13. Auflage, die im Internet frei zugänglich ist. Ergänzend dazu gibt die Schwedische Akademie ein Wörterbuch heraus.
Bereits seit den 1960er Jahren wird über die Einführung von „hen“ in die schwedische Sprache diskutiert. Vorbild ist Finnland, die über das geschlechtsneutrale Personalpronomen „hän“ verfügen. In der Wörterliste wird „hen“ als Beschreibung für ein drittes Geschlecht oder als geschlechtsunbestimmter Ausdruck – anstatt „sie“ oder „er“ – aufgelistet, das gilt auch, wenn das Geschlecht des Genannten von keiner Bedeutung ist. Laut Lena Lind Palicki vom schwedischen Sprachrat ist nach jahrezehntelanger Diskussion jetzt die Zeit reif für das neue Pronomen. Im Interview mit Sveriges Radio sagte sie, dass 2012 zunehmend über Geschlechtsneutralität diskutiert wurde. Die Debatte wurde angefacht von einem Artikel, der forderte, dass Kinderbücher geschlechtsneutral geschrieben werden sollten.
Der Chefredakteur der „Ordlista“ Sven-Göran Malmgren sagte im Interview mit dem schwedischen Rundfunk, die Akademie habe mit der Aufnahme des Begriffs zunächst gezögert. Doch da sich nun erwiesen habe, dass es sich bei der Idee eines neutralen Personalpronomens um keine „Eintagsfliege“ handelte, sondern der Ausdruck im alltäglichen Sprachgebrauch tatsächlich verwendet wird und dazu eine wichtige sprachliche Funktion erfüllt, werde der Begriff nun aufgenommen.
Der größten schwedischen Sprachkontroverse seit langem schloss sich die HBTQ-Bewegung an, die Interessen Homo-, Bi- und Transsexueller, sowie Queer-Zugehöriger vertritt und ein persönliches Pronomen, das einem „dritten Geschlecht“ gerecht wird, forderte. Peter Wolodarski, Chefredakteur der schwedischen Tageszeitung „Dagens Nyheter“, schreibt in einem Artikel, dass der Ausdruck „hen“ in Nachrichtenartikeln bisher noch nicht verwendet wurde. In Kommentaren, Glossen oder Blogs dagegen habe das neue Personalpronomen bereits Einzug erhalten.
Behörden haben „hen“ schon weitgehend eingeführt, und auch in akademische Texten ist das neutrale Personalpronomen bereits etabliert. Dass es konservative Schweden gibt, die gegen die Einführung von „hen“ protestieren, sei normal, so Sprachwissenschaftlerin Palicki. Die offizielle Aufnahme in die Wörterliste der Schwedischen Akademie sollte dem Wort nun letzte Hindernisse aus dem Weg räumen.