Berliner Zoo : Die dunkle Seite der Geschichte
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Andreas Knieriem (li.) und Frank Bruckmann wollen die nationalsozialistische Vergangenheit des Zoologischen Gartens in Berlin in einer Ausstellung aufarbeiten. Bild: dpa
In 171 Jahren hat sich im Zoologischen Garten vieles getan - allerdings nicht nur Gutes. Eine Ausstellung über den Berliner Zoo soll nun die dunkle Seite seiner Geschichte zeigen.
Die Geschichte des Berliner Zoos, die nun 171 Jahre umspannt, ist auch eine jüdische Geschichte. Im Antilopen- und Giraffenhaus, das 1872 im „siamesischen Stil“ errichtet wurde, wird man das in einer Ausstellung sehen, die in etwa einem Jahr eröffnet werden soll.
Der Berliner Zoologische Garten – und auch sein Archiv – waren im Krieg stark zerstört worden. Doch seit 2014 gibt es eine seriöse historische Studie zum Zoo im „Dritten Reich“ von Monika Schmidt, die im Auftrag des Zoos entstand. Schmidt schätzt, dass etwa ein Drittel der 4000 Aktien des Zoos Juden gehörten, die nach 1933 systematisch aus dem Vorstand und dem Aufsichtsrat gedrängt wurden – und genötigt wurden, ihre Aktien zu verkaufen oder abzugeben. Von 1939 an wurde Juden der Zutritt zum Zoologischen Garten ganz verwehrt.
Kurator der Ausstellung ist Clemens Maier-Wolthausen, der das Projekt am Montag gemeinsam mit Andreas Knieriem, dem Zoodirektor, und Frank Bruckmann, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, vorstellte. Gemeinsam brachten sie am Antilopenhaus eine Gedenktafel für Lutz Heck an, der den Berliner Zoo zwischen 1932 und 1945 leitete. Die Tafel berichtet von Hecks Verdiensten und von seinen „negativen Leistungen“, wie Knieriem über seinen Vorgänger sagte, der Mitglied der SS und der NSDAP war. Eine – wenig populäre – Online-Petition warb dafür, Hecks Büste aus dem Zoo zu entfernen. Eine Tafel, die an die enteigneten und verdrängten jüdischen Aktionäre erinnert, hängt seit 2011 am Antilopenhaus.
Eine moderne Ausstellung, die auch die dunklen Seiten beleuchtet
Oft würden Geschichten von Zoologischen Gärten als aufeinander folgende Zeitalter bekannter Direktoren oder als Bildergeschichten von „Lieblingstieren“ erzählt, sagte Maier-Wolthausen. Das werde die geplante Ausstellung in Berlin vermeiden. Sie müsse modern sein und sich moderner Medien bedienen, sie werde die gesamte Geschichte des ältesten deutschen Zoos umfassen und auch die dunklen Seiten beleuchten. Sie müsse für ein Publikum gemacht sein, das Tiere anschauen wolle, nicht nur für jene mit ausgeprägten historischen Interessen. Wie so viele Institutionen sei auch der Zoo ein „Kind seiner Zeit“ gewesen.
In den nächsten fünf Jahren wird der Berliner Zoo 20 „Fellowships“ vergeben; insgesamt stehen für das Programm 200.000 Euro bereit. Kooperiert wird mit der Freien Universität Berlin und der Hebrew University in Jerusalem, bewerben können sich Forscher aus Israel – nicht nur Zoologen, auch Historiker, Veterinärmediziner und Biologen. Bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr seien ihm die vielen „Altlasten“ des Berliner Zoos durchaus bewusst gewesen, sagte Knieriem, aber er habe vor allem an die zoologischen und technischen gedacht. Mit „Traurigkeit und Verbitterung“ müsse man die dunkle Seite der Geschichte zur Kenntnis nehmen, müsse sie aufarbeiten und angemessen präsentieren. „Nicht alles kann geheilt werden“, sagte Knieriem. Im Zoo bemühe man sich, zur Geschichte zu stehen. Man heiße alle Nachfahren ehemaliger jüdischer Aktienbesitzer herzlich willkommen und bemühe sich nach Kräften, ihnen einen schönen Tag im Zoologischen Garten zu bereiten.
Regelrechte Wiedergutmachung sei deswegen schwierig, weil eine Aktiengesellschaft die Aktien „nicht besitzt“; das sei mehrfach juristisch geprüft worden, sagte Knieriem. Aber mit der geplanten Ausstellung und den Tafeln werde es vielleicht gelingen, „das richtige Gefühl zu verinnerlichen“. Bruckmann nannte das jetzt vom Aufsichtsrat beschlossene „Gesamtpaket“ zur Aufarbeitung der eigenen NS-Geschichte „vernünftig und sinnvoll“.