Berliner Modewoche (1) : Toxischer Touch
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Berlin Fashion Week: Ein Blick in die Kulissen Bild: dapd
Der erste Tag sinkt sanft ins Champagnerglas. Kein schlechter Auftakt der Modewoche. Aber Berlin darf sich nicht mehr der Illusion hingeben, der Trend laufe automatisch auf die Stadt zu.
Eine Million Blüten wie bei Raf Simons’ Dior-Debüt am Montag in Paris sind es am Mittwoch dann doch nicht. Aber auch am ersten Tag der Berliner Modewoche sprechen einige der besten Designtalente durch die Blume. Am Vormittag weist ein Strauß auf jeder Treppenstufe eines Berliner Altbaus den Gästen den Weg hinauf in den ersten Stock zur Präsentation von Augustin Teboul. Die Kollektion des deutsch-französischen Duos hätte man auch ohne Blumen gefunden: Die Menschenschlange reicht bis vor die Haustür. In Berlin, das ist die erste gute Nachricht, ist man weder auf das weiße Zelt der „Mercedes-Benz Fashion Week“ angewiesen noch auf das riesige Trendlabor Osten.
In der Seitenstraße des Kurfürstendamms zu warten lohnt sich jedenfalls. Denn Annelie Augustin und Odély Teboul bleiben natürlich ihrem Markenzeichen treu, den zum Gruseln schönen schwarzen Stickereien. Sie bauen aber auf den vergangenen Kollektionen auf – mit mehr Plissees, mehr Perlen, mehr Stickereien. Aus rabenschwarzer Seide basteln die Modemacherinnen geschwungene Mini-Türme, winzige Kugeln fädeln sie so lange auf, bis daraus dicke Krusten entstehen: Ornament als Versprechen!
Den Titel für ihre vierte Saison in Berlin leihen sich die Modemacherinnen bei Charles Baudelaire. „Les Fleurs du Mal“ transportieren das schrecklich Schöne aus der Lyrik in die Mode – denn die satirische Wendung von den „Blumen des Bösen“ zu den „Blusen des Böhmen“ haben die beiden nicht mitgemacht, zum Glück, denn dazu ist ihnen die Mode zu wichtig. Über den Köpfen der Models sind Blütenranken drapiert. Sie kommen von den „Jungen Wilden“, vier von Fleurop unterstützten Spitzenfloristen. Das Gruselige wird bei Augustin Teboul eben plötzlich wunderschön, zur Couture, die berlinernd ihr eigenes Ding macht.
Die Dinge einfach mal locker zu sehen: Das haben sich am Mittwoch wohl andere Designer zu Herzen genommen. Dauerbrenner Marc Jacobs zum Beispiel ließ am Dienstagabend ein Dinner in Paris bei seinem Arbeitgeber Louis Vuitton sausen, um rechtzeitig am Mittwoch als Schirmherr des „Designer for Tomorrow Award“ von Peek & Cloppenburg auf dem Berliner Laufsteg zu stehen – in Prada-Schuhen. Und Escada Sport setzt den Models Strohhüte mit breiten Krempen auf, zieht ihnen gestreifte Badeanzüge an und darüber nur ein paar leichte Chiffontops oder weite Hosen, tüncht weiße Baumwollknoten in Farbtöpfe, so dass daraus Batikdrucke entstehen – und ruft für den kommenden Sommer schon einmal hitzefrei aus.
Recken und strecken auf der Bühne
Vladimir Karaleev wird keine Pause einlegen. Die Kollektion, die er im Palais Podewils in Mitte zeigt, sei ja nur seine Pre-Collection, sagt er. Der Berliner Designer muss seinen Sommer 2013 wie ein gut gehendes Hotel in Vor- und Hauptsaison einteilen, schließlich sind in den vergangenen Monaten weitere Abnehmer dazugekommen. „Hongkong, Kuwait, Dubai, New York und noch mal drei Läden in China sind neu“, sagt er, während sich die Models auf der Bühne recken und strecken.
Sanftes Elefantengrau, Creme und Puderrosa; asymmetrische Säume, ungebügelte Stoffe und fehlende Nähte – und neuerdings sogar florale Drucke. Seine Assistentin war bei Marsano in der Charlottenstraße stehengeblieben und fotografierte die Sträuße. In der Kollektion sind die Bouquets jetzt Dauerblüher.