Weniger ist mehr : Ein Geburtstag ist kein Ponyhof
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Stressfaktor Kindergeburtstag: Während der Nachwuchs dem Tag des Älterwerdens wochenlang entgegenfiebert, graust es die Eltern beim Gedanken daran. Bild: Picture-Alliance
Toller, teurer, exklusiver: Wenn Kinder feiern, wird es zunehmend opulent. Dabei ist weniger meist mehr. Ein Plädoyer für reduzierte Retro-Feste.
Geht es um Kindergeburtstage, wird gern kokettiert. Während der Nachwuchs dem Tag des Älterwerdens wochenlang entgegenfiebert, graust es die Eltern beim Gedanken, eine Horde Kinder zu bespaßen und zu beköstigen. Früher war nicht alles besser, aber deutlich unaufgeregter. Das zeigen alte Schnappschüsse von Geburtstagen: Je nach Jahrgang sitzen da Kinder mehr oder weniger brav um den „Kalten Hund“, jenen fetten Kastenkuchen, und tummeln sich tanzend unter Luftballons. Aber mit so einem Retro-Event kann man Kindern heutzutage kaum mehr kommen – der Gedanke hat sich jedenfalls hartnäckig in den Köpfen ambitionierter Eltern festgesetzt.
Kindergeburtstage sind zum spektakulären Ereignis verkommen, zumal wenn man noch aus der steinzeitlichen Topfschlaggeneration stammt. Kein Wunder, dass vielen Eltern bei diesem maßlosen Anspruchsdenken die Lust aufs fröhliche Feiern vergangen ist. Was fatal ist: Die Konzepte jazzen sich gegenseitig hoch. Wenn die Eltern eines Kindes einen Luftballonkünstler auftreten lassen, verkommt die Zaubertrick-Einlage beim Freudentag des anderen zur müden Nummer. Natürlich ist der Ablauf des Tag aller Tage eine Frage der jeweiligen Bildungsschicht und des Portemonnaies.
Segwayfahren und Privatponys
Die Ausrichtung mancher Geburtstage lässt einen schmunzeln bis erschauern, wie eine nicht repräsentative Umfrage im heterogenen Bekanntenkreis zeigt: Ein sogenanntes Powerpaar aus Hamburg mietet einen Mann, der wiederum Segways vermietet. Der gute Mann sollte im ruhigen Villenviertel mit den Zehnjährigen seine kontrollierten Runden drehen. So stand es auf der Einladung aus dickem Papier in noch dickeren Lettern. Die Gäste waren entsprechend aufgeregt. Zum gemeinsamen Segwayfahren kam es dann aber nicht, weil sich das Geburtstagskind vor dem großen Tag den Arm verstaucht hatte.
Auch schön: Eine Familie castet beim Ausflug ins Alpenvorland Ponys. Die werden gegen gutes Geld vom idyllischen Hof in den Münchener Speckgürtel gekarrt und ziehen dort ihre Runden mit verzückt blickenden Mädchen. So ein Pferdereiten, -füttern und -streicheln katapultiert natürlich jeden Zoobesuch mit Zebrasgucken ins Reich der Langeweile. Drei Privatponys für neun Mädels, das will erst mal getoppt sein!
Vergleichsweise harmlos erscheint dagegen die Familie, dem Neureichtum nicht abgeneigt, die zum Geburtstag des Fünfjährigen (!) eine Führung durch eine Schokoladenmanufaktur gebucht hat. Hingefahren wurde das Grüppchen mit einem eigens gecharterten Van. Dem Vernehmen nach kam die Verkostung sehr gut an, anders als der Vortrag über die „Kakaobohnenkultur in Guatemala“. Zu allem Überfluss gab es ein opulentes Goodiepaket mit, das den Durchschnittswert der überreichten Geschenke locker überstieg. Bildungsbeflissene Familien, die quasi schon alles haben, neigen zu solch lehrreichen Freizeitvergnügungen. Die überforderten Gäste büßen dann für die Abstiegsängste der Gastgeber.
Allzwecklösung Indoor-Spielplatz, Bowlingbahn oder Spaßbad
Natürlich sind das Extrembeispiele, aber Beispiele, die vor einigen Jahren noch undenkbar beziehungsweise den obersten Zehntausend vorbehalten waren. Das hat sich gedreht. Wenn der Etat kleiner ist, dann heißt die Allzwecklösung Indoor-Spielplatz, Bowlingbahn oder Spaßbad. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Selbstverständlich gibt es dafür nachvollziehbare Gründe. Was tun, wenn der Geburtstag zum Beispiel in die unbeständigen Wintermonate fällt, Wohnung und Mobiliar aber nicht kindergruppentauglich sind?
Trotzdem ist so ein Hallenspielplatz gewöhnungsbedürftig: Der Lärmpegel ist hoch, die Luft schlecht, das Standardprogramm meist ziemlich lieblos zusammengeschustert. Im hektischen Gekreische gibt es einen reservierten Tisch und dazu Platten mit Frittiertem, abgerundet durch eine Alibi-Apfelschnitzplatte. Natürlich verfranselt sich die Geburtstagsgesellschaft, die einen tauchen im Kletterlabyrinth ab, die anderen kleben am Kicker fest. Was daran so mürbe macht: Der Tag hat etwas Austauschbares.