Nord-Ostsee-Kanal : Des Kaisers teures Erbe
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Die Kaiserliche Yacht Hohenzollern verlässt anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute Nord-Ostsee-Kanal) am 21.06.1895 die Schleuse Kiel. Bild: dpa
Der Nord-Ostsee-Kanal wird Sonntag 120 Jahre alt. Doch die andauernden Bauarbeiten versetzen niemanden in Feierlaune – Kaiser Wilhelm II. wäre darüber sicherlich nicht erfreut.
Gefeiert wird nicht, es gibt ja auch viel zu tun. Vor 120 Jahren, am 21. Juni 1895, eröffnete Kaiser Wilhelm II. den Nord-Ostsee-Kanal zwischen Brunsbüttel an der Elbe und Kiel. Noch heute ist die knapp 100 Kilometer lange Wasserstraße eine der am meisten befahrenen. 32 600 Schiffe nutzten sie im vergangenen Jahr und ersparten sich so den weiten Weg um Jütland herum durch Skagerrak und Kattegat. Der ist, berechnet man Hin- und Rückfahrt, ungefähr 800 Kilometer lang. Acht Jahre haben damals die Arbeiten am Kanal gedauert. Das kostete 156 Millionen Goldmark, man blieb im geplanten Kostenrahmen. Der Betrieb des Kanals, der bis 1948 Kaiser-Wilhelm-Kanal hieß, wurde später unter anderem mit der 1902 eingeführten Schaumweinsteuer finanziert.

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Merklich länger als acht Jahre wurde in jüngster Zeit über die dringend notwendige Erneuerung des Kanals nachgedacht. Manch einer verwendet für den Kanal sogar das Beiwort „marode“. Tatsächlich hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Störungen vor allem an den Schleusen gegeben, manchmal nach einem Unfall, manchmal wegen technischer Probleme. Zeitweilig war der Kanal gesperrt. Inzwischen wird die fünfte Schleusenkammer in Brunsbüttel gebaut. Sie ist notwendig, damit nach ihrer Fertigstellung die anderen Schleusen modernisiert werden können. Es gibt eine kleine und eine große Schleuse mit jeweils zwei Kammern. Die große Schleuse ist seit 1914 durchgehend in Betrieb. Die neue Schleusenkammer wird 20 Meter länger sein als die bisherige große Schleuse, die Schiffe könnten bis 330 Meter lang sein. Die schiffbare Breite beträgt 42 Meter, die sogenannte Drempeltiefe 14 Meter. Die Grundsatzentscheidung für den Schleusenneubau war schon 2007 gefallen, aber zunächst ging es nicht voran. 2011 gab es einen symbolischen ersten Spatenstrich, dann ruhten die Arbeiten wieder. Im April des vergangenen Jahres bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages 485 Millionen Euro für die neue Schleuse. 2020 soll sie fertig sein.
Modernisierung ein jahrzehntelanger Akt
Mit der neuen Schleuse allein ist freilich nur wenig erreicht. Die Modernisierung des Kanals dürfte insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro kosten und Jahrzehnte dauern. Vor genau einem Jahr billigte der Haushaltsausschuss zumindest auch schon weitere 265 Millionen Euro für die Ostseite des Kanals, auf der es vor allem um eine Begradigung geht. Nach dem Ausbau dürfen 280 Meter lange Schiffe auf dem Kanal fahren, bisher ist bei 235 Meter Länge Schluss.
Zu Anfang des Jahres begannen am Flemhuder See die Bauarbeiten. Die Liste dessen, was am Kanal noch zu tun sein wird, ist aber viel länger. So müssen die Schleusen in Kiel-Holtenau modernisiert, der Kanal insgesamt vertieft sowie die Hochbrücke Levensau neu gebaut werden. Auch die anderen Hochbrücken sind nicht in einem guten Zustand. Die Eisenbahnbrücke bei Rendsburg ist gerade ein Jahrhundert alt geworden. Ginge es nach dem Verkehrsministerium in Kiel, würde die Rader Hochbrücke über die Autobahn 7, die zurzeit nur eingeschränkt befahren werden kann, so erneuert, dass dann auch die Bahn über diese Brücke rollen könnte.
Kostenträger ungeklärt
Zu entscheiden hat das allerdings der Bund, und der lehnt ein Kombinationsbauwerk bei Rade mit dem Hinweis ab, dass die Eisenbahnhochbrücke nach der derzeitigen Ertüchtigung noch bis zu 50 Jahre halten dürfte. Und schließlich bleibt auch der 1961 eröffnete Straßentunnel in Rendsburg eine Dauerbaustelle. „Der Nord-Ostsee-Kanal spielt international eine bedeutende Rolle, nach 120 Jahren mehr denn je“, sagt der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Hans-Henrich Witte.
Und der Kanal ist noch immer ein beliebtes Ausflugsziel. In Brunsbüttel und Kiel-Holtenau an den Schleusen kann man den Schiffen ganz nah kommen und winken. Ein Erlebnis ist es auch, unter der Rendsburger Eisenbahnbrücke mit dem Auto die Schwebefähre zu nutzen - eine von insgesamt acht auf der Welt. Und wer nach Dänemark in den Urlaub fährt, hält bestimmt an der Rader Hochbrücke an, um Schiffe anzugucken.