Raunächte zwischen den Jahren : Zu Silvester werden wir doch alle ein wenig abergläubisch
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Die Zeit zwischen den Jahren hat etwas Mystisches. Bild: picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/G. Streu | McPHOTO/G. Streu
Wer meint, mit Aberglaube nichts am Hut zu haben, irrt wohl spätestens an einem Tag im Jahr: an Silvester. Kaum ein anderer Tag dreht sich so stark um Bräuche und Traditionen, die auf Volksglauben beruhen.
Die Tage des Jahres 2022 sind gezählt. Am Samstag ist Silvester. Und wie jedes Jahr stehen zum Jahreswechsel wieder zahlreiche Bräuche und Traditionen in deutschen Haushalten an. Um ihren Ursprung zu verstehen, lohnt ein Blick auf die berühmte Zeit zwischen den Jahren.
Was mit der Redewendung „Zwischen den Jahren“ gemeint ist
Heute wird damit meist die Zeit zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Silvester bezeichnet. In der Schweiz sagt man Altjahrswoche dazu. Der Ursprung der Bezeichnung hängt wohl mit unterschiedlichen Daten zum Jahreswechsel zusammen, die es bis in die Neuzeit hinein gab.
Der germanische Mondkalender zählte nur 354 Tage. Zum heute gültigen Sonnenkalender fehlen also elf Tage und zwölf Nächte. Das sind die Tage und Nächte von der Wintersonnenwende bis zur „Erscheinung des Herrn“ am Epiphaniastag am 6. Januar, auch als Tag der Heiligen Drei Könige bekannt. Der heute gültige gregorianische Kalender trat am 24. Februar 1582 in Kraft.
Zwölf Raunächte zwischen den Jahren
Im europäischen Brauchtum fallen die sogenannten Raunächte in die Zeit zwischen den Jahren. Je nach Region begannen sie am 21. oder am 25. Dezember. Unklar ist die Herkunft des Begriffs, der erst mit der Rechtschreibreform das Binnen-„h“ verloren hat. Die Raunächte könnten vom „Rauch“ stammen. Oder sie könnten – wie die Titelheldin in dem Grimm'schen Märchen „Allerlei-Rauh“ in ihrer geflickten Fellkleidung – auf Felle verweisen, die „Rauchwaren“ des Kürschnerhandwerks. Denn haarig und struppig wie Wolf und Bär stellte man sich früher jene Dämonen vor, die in den dunklen Tagen um die Jahreswende nach dem Aberglauben ihr Unwesen trieben.
In der alpenländischen Volksüberlieferung heißen sie „Perchten“. Bei den Perchtenläufen setzen sich die Teilnehmer noch heute gruselige Holzmasken mit Hörnern auf und tragen Kleidung aus Fell oder Stroh. Glocken und Schellen sollen mit ihrem Lärm das Böse vertreiben. Mit Silvesterböllern und Feuerwerk hat der Lärm auch andernorts als Brauch überlebt.
Warum man in der Silvesternacht keine Wäsche hängen lassen sollte
Der Aberglaube, zwischen den Jahren keine Wäsche zu waschen, hat mit dem Vertreiben der bösen Geister zu tun, die in dieser Zeit ihr Unwesen treiben sollen. Die Dämonen, so besagt der Aberglaube, könnten sich in der zum Trocknen aufgehängten Wäsche verfangen, zornig werden und Rache üben.
Ein weiterer Aberglaube dreht sich um weiße Wäsche. Die bösen Geister, die während der Raunächte in einer wilden Jagd durch die Lande ziehen, könnten die Wäschestücke stehlen. Die weißen Stoffe kehren der Überlieferung nach im neuen Jahr als Leichentuch zu ihrem Besitzer zurück.
Auch Bleigießen geht zurück auf vorchristliche Bräuche
Die Raunächte waren im Volksglauben aber nicht nur eine Zeit der Geisteraustreibung, sondern auch der beste Zeitpunkt, um Orakel zu befragen. Bis heute kennt man noch das Bleigießen, das wegen möglicher gesundheitlicher Schäden nun in Form von Wachs- oder Zinngießen daherkommt.
Aus der vorchristlichen Zeit haben auch zwei Glückssymbole überlebt: der Fliegenpilz, den Väterchen Frost einst für die Slawen und der Schamanengott Odin für die Germanen um die Wintersonnenwende zur Bewusstseinserweiterung beim Julfest mitbrachte, und das Schweinchen.
Auch heute ist es noch beliebt, kleine Glücksschweinchen aus Marzipan zu verschenken. Sie erinnern an den Eber, das Reittier des altgermanischen Gottes Freyr. Auch bei den Kelten war das Schwein heilig. Am Vorabend des 6. Januar tafelten sie mit Schinken und Speck und versteckten eine Bohne in einem Kuchen. Wer die Bohne entdeckte, wurde zum Bohnenkönig gekrönt. Die Bohnen stellten die Ahnen dar, die sich der keltischen Vorstellung zufolge wieder verkörpern würden.
Weitere Aberglauben in den Raunächten bis Silvester
In den Raunächten gab es noch viele weitere abergläubische Gebote: Zum Beispiel durfte man morgens nicht pfeifen, denn das würde Unglück anlocken. Auch Nägel oder Haare sollte man sich nicht schneiden, sonst würde man im folgenden Jahr an Gicht oder Kopfschmerzen erkranken. Zwischen den Jahren sollte man auch nicht arbeiten, sonst komme Unglück über Heim und Hof. Auch sollte man an Silvester kein Geflügel essen, sonst fliege das Glück davon.
Das Wetter in der Zeit der Raunächte galt außerdem als Vorhersage für die zwölf Monate im kommenden Jahr. Dem Aberglauben nach deutete das Wetter am 25. Dezember auf das Wetter im Januar hin, das Wetter am 26. Dezember auf das im Februar, am 27. Januar auf das im März, und so weiter. Das Wetter am 5. Januar schließlich sollte der Vorbote für das Wetter im folgenden Dezember sein. Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich dabei kein Zusammenhang feststellen.
Rote Unterwäsche zu Silvester in Italien, Spanien und Frankreich
In Italien, teilweise auch in Frankreich und Spanien ist der Aberglaube verbreitet, dass man in der Silvesternacht rote Unterwäsche tragen soll, um Glück in der Liebe zu haben.
Doch es ist nicht ganz so einfach, denn diese Unterwäsche darf man sich nicht selbst kaufen, sie muss einem geschenkt worden sein. Und wer den Aberglauben im Gegensatz zur Nachhaltigkeit ganz streng sieht, darf die Wäsche auch nur ein Mal tragen und muss sie am Neujahrstag entsorgen, sonst ist der Zauber dahin.