Krawalle in Hamburg : „So langsam macht mir das richtig Angst“
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Ein Polizist versucht eine Demonstrantin von einem Wasserwerfer zu zerren. Bild: dpa
Hamburg versinkt im Chaos. Am Rande des G-20-Gipfels zieht der „schwarze Block“ randalierend durch die Hansestadt, die Polizei antwortet mit entschiedener Härte. Und die Anwohner versuchen verzweifelt ihr Hab und Gut zu retten.
Die Feuerwehr in Hamburg ist Krawalle und Ausschreitungen gewohnt – aber die Szenen, die sich am Donnerstagabend und am Freitagmorgen in der Hansestadt abgespielt haben, waren auch für erfahrene Rettungskräfte eine neue Erfahrung. Mit Brandsätzen zogen mehrere Gruppen durch den Stadtteil Altona; sie schmissen die Scheiben von Autos ein, warfen Brandsätze in die Wagen und spazierten weiter. „So haben wir das in Hamburg noch nicht erlebt“, sagte Feuerwehrsprecher Jan-Ole Unter am Morgen. Genaue Angaben zur Anzahl angezündeter Autos konnte er allerdings bislang nicht machen.
An der Max-Brauer-Allee und an der Elbchaussée seien jeweils mindestens sechs Autos in Brand gesteckt worden. Ein Anwohner sagte der Zeitung „Hamburger Morgenpost“, dass die vermummten Gestalten ihm „in die Augen geschaut“ hätten, „während sie mein Auto angezündet haben.“ Dann seien sie ganz entspannt weiter spaziert. Verzweifelte Autofahrer bahnen sich ihren Weg durch die Straßen und versuchen ihre Gefährte zu retten, während sie ein brennendes Auto nach dem anderen am Straßenrand passieren. Auch mitten auf der Straße fackeln Gegenstände ab – es sieht aus wie in einem Kriegsgebiet.
Brennende Autos, fliegende Flaschen
Nachdem es bereits bei der „Welcome to hell“-Demo am Vorabend und in der Nacht auf der Sternschanze zu schweren Ausschreitungen gekommen war, haben die radikalen Gipfelgegner damit ihr Ziel erreicht: Die Bilder von brennenden Autos und Barrikaden, fliegenden Flaschen, Wasserwerfern und Polizisten, die auf Demonstranten einprügeln, überschatten den G-20-Gipfel, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. 159 Polizisten wurden bislang laut Polizeiangaben verletzt, einer der Initiatoren der „Welcome to Hell"-Demonstration spricht im Gegenzug von „zahlreichen“ Verletzten auf Seiten der Demonstranten.
Die Eskalation begann am Donnerstagabend – und sie ging von den Demonstranten aus. Die hatten „den größten Schwarzen Block aller Zeiten“ angekündigt, und tatsächlich schälte sich aus einer bis dahin friedlichen Versammlung gegen 19 Uhr plötzlich eine Gruppe von etwa tausend Menschen heraus, die komplett vermummt war. Eigentlich sollte die Demo quer durch die Stadt ziehen, weil es aber verboten ist, sich zu vermummen, stoppte die Polizei die Demonstranten. Etwa eine Stunde lang belauerten sich Polizisten und vermummte Demonstranten, ein Passant sagte: „Ich würde sagen: Unentschieden.“
Die Veranstalter der Demonstration forderten den Schwarzen Block, der sich vor dem Wagen formiert hatte, der eigentlich die Demo anführen sollte, mehrfach auf, sich zurückzuziehen und die Gesichter zu zeigen. „Sonst geht es hier nicht weiter.“ Wie die Situation dann genau eskaliert ist, darüber wird am Freitag gestritten: Polizeisprecher Timo Zill sprach von 3500 Extremisten vor Ort, die zuvor schwerste Gewalttaten angekündigt hätten. Wenn diese Menschen sich plötzlich vermummen, sei das die Vorbereitung von Straftaten. „Dann kann doch nicht von der Polizei erwartet werden, dass man mit diesen Menschen in bewohntes Gebiet geht. Das wäre unverantwortlich“, sagte er. Zill bezeichnete das Vorgehen als „alternativlos“. Beim Versuch, die friedlichen Demonstranten von den schwarzen Blöcken zu trennen, sei die Polizei „massiv angegriffen worden“. Flaschen, Eisenstangen und Dachlatten seien geflogen.
Demonstranten erklärten dagegen später, die Polizisten seien ohne Vorwarnung in die Mitte des Zugs geprescht und hätten direkt Schlagstöcke eingesetzt. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele verstieg sich zu der Aussage, die Strategie der Polizei sei nicht Deeskalation, „sondern Konfrontation wie in Genua“. Beim G-8-Gipfel war dort 2001 ein Demonstrant von Polizisten erschossen worden, später wurden Foltervorwürfe gegen die Sicherheitskräfte erhoben.