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20 Jahre nach Anschlag : Wie unser Fotograf den 11. September in Bildern festhielt

Die Stahlgerippe der Zwillingstürme ragen noch lange in den Himmel, wie ein seltsames Mahnmal für diesen zerstörerischen Tag. Bild: Helmut Fricke

Helmut Fricke war eigentlich für die Modewoche in New York. Doch am 11. September 2001 um 8.46 Uhr endete die Fashion Week abrupt. Denn in den Nordturm des World Trade Centers flog mit voller Wucht ein Passagierflugzeug.

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          Helmut Fricke, der zwar die Mode als sein Spezialgebiet versteht, aber als Redaktionsfotograf der F.A.Z. schon alle Themen dieser Welt fotografiert hatte, machte sich sofort auf den Weg: vom Hotel in Midtown mit dem Taxi bis zur Straßensperre an der Hudson Street, von dort zu Fuß weiter in Richtung Katastrophe. Vor dem Woolworth Building, ganz in der Nähe der getroffenen Zwillingstürme, war kein Durchkommen mehr. Die Polizisten hielten alle davon ab, näherzukommen. „Get out“, riefen sie. „Go North!“

          Alfons Kaiser
          Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

          Plötzlich gab es einen lauten Knall. 9.59 Uhr, alle schauten nach oben. Aus dem südlichen Turm kam ein Feuerball hervor. „Mein Gott“, riefen die Leute, die aus den Bürogebäuden an der Südspitze von Manhattan liefen. „Raus! Raus! Raus!“, riefen die Polizisten. Hunderte, Tausende, rannten in Richtung Brooklyn Bridge, hinaus aus der Gefahrenzone. Helmut Fricke blieb an einer Straßenlampe stehen, so dass er nicht überrannt wurde, drehte sich um und nahm die Flüchtenden auf, die bald von der riesigen Staubwolke eingehüllt waren.

          Dabei gelangen ihm einzigartige Aufnahmen. Und das will etwas sagen, denn in der Hauptstadt der Fotografie, in die Hunderte Fotografen zur Modewoche angereist waren und in der am Vorabend das Jahrestreffen der Magnum-Mitglieder stattgefunden hatte, machten außer den vielen Laien auch unendlich viele Profis erschütternde Bilder. Aber auf den meisten Fotos der am häufigsten fotografierten Katastrophe der Geschichte sind wegen der engen Straßen und hohen Gebäude in Downtown Manhattan entweder die zusammenbrechenden Türme zu sehen oder die Flüchtenden. Helmut Fricke hatte an der Auffahrt zur Brooklyn Bridge einen Winkel gefunden, in dem er beides zusammen aufnehmen konnte – die herabfallenden Trümmer des Südturms im Hintergrund und eine Frau im Vordergrund, die im Laufen panisch schreit.

          Am 11. September 2001 um kurz nach neun Uhr: Nach dem Einschlag des zweiten Flugzeugs in den Südturm des World Trade Center wissen die Augenzeugen, dass es sich auch bei dem Einschlag in den Nordturm nicht um einen Unfall gehandelt haben kann.
          Am 11. September 2001 um kurz nach neun Uhr: Nach dem Einschlag des zweiten Flugzeugs in den Südturm des World Trade Center wissen die Augenzeugen, dass es sich auch bei dem Einschlag in den Nordturm nicht um einen Unfall gehandelt haben kann. : Bild: Helmut Fricke

          Helmut Fricke bewältigte die Katastrophe, die ihn zum Glück nicht selbst traf, sondern nur von oben bis unten in weißen Staub hüllte, auf seine Art: Er blieb neun weitere Tage in der Stadt der Städte und fotografierte immer weiter. Die Angehörigen, die Fotos ihrer Liebsten an eine Wand gehängt hatten, weil sie nicht wussten, ob sie umgekommen oder vielleicht doch in ein Krankenhaus gebracht worden waren. Die Feuerwehrleute, die um ihre vielen toten Kameraden trauerten. Die Menschen, die am West Side Highway den Rettungs- und Räummannschaften zujubelten, wenn sie von ihrem Einsatz an „Ground Zero“ zurückkamen. Und die schiefen Stahlgerippe, die aus dem Trümmerberg ragten. Helmut Fricke hat all das aufgenommen, wie er auch Fotos auf Modewochen machte: mit genauem Blick und nüchterner Akribie. Die Erinnerungen mögen trügen nach so langer Zeit – die Fotos halten die Katastrophe am besten fest.

          Die Zwillingstürme brennen sofort. Denn die Maschinen haben auf dem Flug von Boston nach New York erst wenig Kerosin verbraucht. Die fast vollen Tanks explodieren beim Einschlag.
          Die Zwillingstürme brennen sofort. Denn die Maschinen haben auf dem Flug von Boston nach New York erst wenig Kerosin verbraucht. Die fast vollen Tanks explodieren beim Einschlag. : Bild: Helmut Fricke
          Die Flugzeuge haben die Fassaden der beiden höchsten Hochhäuser New Yorks durchstoßen. Der Rauch nimmt den Angestellten in den oberen Stockwerken den Atem. Weil auch viele Treppenhäuser zerstört sind, können sich Hunderte Menschen oberhalb der Einschlagstellen nicht mehr in Sicherheit bringen.
          Die Flugzeuge haben die Fassaden der beiden höchsten Hochhäuser New Yorks durchstoßen. Der Rauch nimmt den Angestellten in den oberen Stockwerken den Atem. Weil auch viele Treppenhäuser zerstört sind, können sich Hunderte Menschen oberhalb der Einschlagstellen nicht mehr in Sicherheit bringen. : Bild: Helmut Fricke
          Um 9.59 Uhr stürzt der Südturm in sich zusammen. Die Menschen, die flüchten, sind oft über und über mit Betonstaub bedeckt. Noch steht der Nordturm, wie links im Hintergrund zu sehen ist. Er wird um 10.28 Uhr unter der Last seines eigenen Gewichts zusammenbrechen.
          Um 9.59 Uhr stürzt der Südturm in sich zusammen. Die Menschen, die flüchten, sind oft über und über mit Betonstaub bedeckt. Noch steht der Nordturm, wie links im Hintergrund zu sehen ist. Er wird um 10.28 Uhr unter der Last seines eigenen Gewichts zusammenbrechen. : Bild: Helmut Fricke
          Wer bisher noch am City Hall Park vor dem Woolworth Building (rechts) stand, um entsetzt auf die rauchenden Türme zu schauen, flüchtet beim Zusammensturz des Südturms in Richtung Brooklyn Bridge.
          Wer bisher noch am City Hall Park vor dem Woolworth Building (rechts) stand, um entsetzt auf die rauchenden Türme zu schauen, flüchtet beim Zusammensturz des Südturms in Richtung Brooklyn Bridge. : Bild: Helmut Fricke
          Einige halten sich ein Taschentuch vor die Nase, andere ihr Hemd oder T-Shirt: Die Flucht vor dem einstürzenden Turm ist chaotisch, auch weil man vor lauter Staub den Weg kaum erkennt.
          Einige halten sich ein Taschentuch vor die Nase, andere ihr Hemd oder T-Shirt: Die Flucht vor dem einstürzenden Turm ist chaotisch, auch weil man vor lauter Staub den Weg kaum erkennt. : Bild: Helmut Fricke
          Auch diese junge Frau läuft schockiert der Katastrophe davon. Just als sie an Fotograf Helmut Fricke vorbeiläuft, schreit sie vor Entsetzen auf. Das ikonische Foto erinnert entfernt an das Edvard-Munch-Gemälde „Der Schrei“.
          Auch diese junge Frau läuft schockiert der Katastrophe davon. Just als sie an Fotograf Helmut Fricke vorbeiläuft, schreit sie vor Entsetzen auf. Das ikonische Foto erinnert entfernt an das Edvard-Munch-Gemälde „Der Schrei“. : Bild: Helmut Fricke
          Der Betonstaub lässt die Straße im Süden von Manhattan wie eine absurde Winterlandschaft aussehen. Dabei herrschte am 11. September 2001 in New York schönstes Spätsommerwetter.
          Der Betonstaub lässt die Straße im Süden von Manhattan wie eine absurde Winterlandschaft aussehen. Dabei herrschte am 11. September 2001 in New York schönstes Spätsommerwetter. : Bild: Helmut Fricke
          Viele Helfer und Retter schützen sich in den Tagen nach der Katastrophe nicht vor dem Staub, so dass sie später oft an Lungenkrankheiten leiden werden. Dieser Polizist macht es mit seiner Atemschutzmaske richtig.
          Viele Helfer und Retter schützen sich in den Tagen nach der Katastrophe nicht vor dem Staub, so dass sie später oft an Lungenkrankheiten leiden werden. Dieser Polizist macht es mit seiner Atemschutzmaske richtig. : Bild: Helmut Fricke
          Die Helfer setzen Kräne und schweres Baugerät ein, um in den folgenden Wochen und Monaten die Trümmerlandschaft zu beseitigen. Die menschlichen Überreste, die sie noch finden, werden zur Identifizierung in die Rechtsmedizin gebracht.
          Die Helfer setzen Kräne und schweres Baugerät ein, um in den folgenden Wochen und Monaten die Trümmerlandschaft zu beseitigen. Die menschlichen Überreste, die sie noch finden, werden zur Identifizierung in die Rechtsmedizin gebracht. : Bild: Helmut Fricke
          In den Tagen nach dem 11. September ist nichts mehr wie zuvor. Aus vielen Straßen im Süden von Manhattan blickt man auf den riesigen Trümmerhaufen, der nun „Ground Zero“ genannt wird.
          In den Tagen nach dem 11. September ist nichts mehr wie zuvor. Aus vielen Straßen im Süden von Manhattan blickt man auf den riesigen Trümmerhaufen, der nun „Ground Zero“ genannt wird. : Bild: Helmut Fricke

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