Fotograf Sebastian Wells : „Ich schlendere oft ziellos umher“
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Ruhe vor dem Sturm: Die 15 Jahre alte russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa wartet auf ihren Einsatz beim Kurzprogramm im Capital Indoor Stadium Bild: Sebastian Wells/Ostkreuz
Sebastian Wells ist einer von über 700 Fotografen bei Olympia in Peking, aber er hat einen anderen Fokus als seine Kollegen. Im Interview spricht er über spezielle Motive, seinen Lieblingsmoment und die Bedingungen in China.
Wenn die Olympischen Winterspiele in Peking an diesem Sonntag zu Ende gehen, sind auf den unterschiedlichsten Kanälen Kämpfe um Medaillen in mehr als 100 Wettbewerben in die Welt übertragen worden. Gerade in Zeiten von Corona-Einschränkungen und wenigen Besuchern vor Ort spielen die (bewegten) Bilder in der Vermittlung des Großereignisses eine besondere Rolle. Und auch für viele der aus Peking berichtenden Fotojournalisten gleichen die arbeitsreichen Wochen einem sportlichen Wettkampf.
Seit Jahren begleitet Fotograf Sebastian Wells, Jahrgang 1996 und Mitglied der Bildagentur Ostkreuz, sportliche Großereignisse. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen vor Ort entzieht sich Wells jedoch dem fotografischen Wettbewerb um die besten Sportbilder. Er nimmt sich die Freiheit, sich gerade nicht auf die Darstellung der sportlichen Gewinner zu fokussieren. Stattdessen zeigt er fast gleichberechtigt Mitarbeiter, Zuschauer, Helfer und Sportler bei ihren jeweiligen Aufgaben im Spiel der Spiele und ermöglicht auf diese Art einen subjektiven Blick hinter die Kulissen der Inszenierung.
Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht Wells über seine Erfahrungen der vergangenen zwei Wochen, die Besonderheiten dieser Olympischen Spiele und die sich verändernde Bedeutung der Arbeit von Fotojournalisten vor Ort.
Wie geht es Ihnen in Peking? Sind Sie bisher mit Ihren Fotos zufrieden?
Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Für viele Fotografinnen und Fotografen sind Olympische Spiele von Schlafmangel und extremer Verausgabung geprägt. Es ist ein großer Druck, mit der Gleichzeitigkeit der vielen Ereignisse umzugehen, wenig verpassen zu wollen und jeden Tag eine gute Arbeit zu machen. Zwei Olympische Spiele in einem Jahr (im vergangenen Sommer fanden die verschobenen Sommerspiele in Tokio statt, d. Red.) sind dazu definitiv eine besondere Herausforderung und eine große körperliche Belastung. Trotz aller Zweifel, überhaupt nach Peking zu reisen, bin ich aber recht zufrieden. Ich denke, ich habe trotz aller Limitierungen einige Bilder gemacht, die das heutige Wesen der Spiele beschreiben.
Sie fotografieren zum vierten Mal bei Olympischen Spielen. Was möchten Sie mit Ihren Fotos erreichen?
Ich möchte an einer zeitgenössischen Fotoserie arbeiten, die Olympia als das reflektiert, was es in meinen Augen ist: ein außerordentlich politisches Ereignis.
Was reizt Sie überhaupt an Fotografie von Sportereignissen? Gibt es noch nicht genug Fotos von Olympischen Spielen?
Es gibt wirklich genug Bilder von Olympischen Spielen. Die modernen Spiele sind ein mediales Festival. Agenturen und Zeitungen bereiten sich teilweise Jahre darauf vor. Für die meisten ist es mit viel Prestige verbunden, bei Olympischen Spielen zu arbeiten. Die fotografische Repräsentation der Spiele finde ich jedoch oft belanglos. In der Regel handelt es sich um industrielle Massenproduktion von Fotos der Athletinnen und Athleten oder illustrativen Bildern, die wenig inhaltliche Tiefe haben.