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Armut und Tod in Venezuela : Kein würdiger Tod

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Zaida Bravo ist 48 Jahre alt und an Parkinson erkrankt. Ihre neun Jahre ältere Schwester Ana Bravo kümmert sich um sie, kann sich ihre Versorgung jedoch kaum leisten. Oft hat sie Angst, in das Zimmer ihrer Schwester zu gehen und sie dort tot aufzufinden. Bild: Rodrigo Abd/AP

In Venezuela ist selbst das Sterben für die meisten Menschen zu teuer. Der AP-Fotograf Rodrigo Abd hat schwere Schicksale dokumentiert – manch eine Familie mietet für Beerdigungen einen Sarg.

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          Die politische Situation in Venezuela ist festgefahren. Präsident Maduro hält sich mithilfe des Militärs an der Macht. Der Oppositionspolitiker Guaidó kann sich nicht durchsetzen. Währenddessen nehmen Armut und Inflation weiter zu. Für viele Venezolaner ist selbst die letzte Ruhe zu einer kaum bezahlbaren Herausforderung geworden – viele können sich eine Beerdigung nicht leisten. Vom venezolanischen Staat gibt es keine Unterstützung. Manch eine Familie sieht sich gezwungen, ihre verstorbenen Verwandten zuhause verwesen zu lassen, weil schlicht kein Geld für eine würdige Beerdigung vorhanden ist.

          Hunderte Dollar kosten Transport, Sarg und Grabstätte. Bei einem durchschnittlichen Mindestlohn von drei Euro im Monat übersteigen solche Kosten für viele Venezolaner die Möglichkeiten des Machbaren. Der Associated Press-Fotograf Rodrigo Abd hat die Geschichte in Venezuelas zweitgrößter Stadt Maracaibo im Nordwesten des Landes dokumentiert. Die Familien, die er dort getroffen hat, kämpfen einerseits gegen Hunger; andererseits beklagen sie den Verlust ihrer Angehörigen. Der Familienvater Roberto Parra und seine Frau Alejandra beispielsweise haben ihren gerade einmal 19 Tage alten Sohn verloren, der mit einer Lungenkrankheit geboren wurde. Die Aktivistin Carolina Leal, die sich um die Gemeinde kümmert, sagt: „Dieses Slum ist zu einer lebendigen Hölle geworden.“

          Der Fotograf Rodrigo Abd hat noch eine andere Entwicklung dokumentiert. Die Menschen in Maracaibo haben ihm erzählt, dass die Venezolaner in der Not oftmals keinen Sarg mehr kaufen, sondern einen mieten. Andere, die diese finanzielle Bürde nicht tragen können, bauen in der Not einen eigenen Sarg.

          Rodrigo Abd arbeitet bei AP und lebt in Lima. 2012 hat er den renommierten Pulitzer-Preis gewonnen.

          Miguel Blanco, 28 Jahre alt, ist mit einem Wasserkopf (Hydrocephalus) geboren. Er lebt bei seiner arbeitslosen Mutter, die sich für ihn nur eine Mahlzeit am Tag leisten kann. Sein Bruder zeigt ein Foto, auf dem Miguel noch ein Kind war.
          Miguel Blanco, 28 Jahre alt, ist mit einem Wasserkopf (Hydrocephalus) geboren. Er lebt bei seiner arbeitslosen Mutter, die sich für ihn nur eine Mahlzeit am Tag leisten kann. Sein Bruder zeigt ein Foto, auf dem Miguel noch ein Kind war. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Sergio Morales und Joelvis Cantillo bauen einen einfachen Sarg in ihrer Möbelwerkstatt in Maracaibo, Venezuela. Die Nachfrage nach günstigeren Särgen stieg enorm. Deshalb begannen die beiden Schreiner vor zwei Jahren mit dem Bau von Särgen für weniger als 100 Dollar.
          Sergio Morales und Joelvis Cantillo bauen einen einfachen Sarg in ihrer Möbelwerkstatt in Maracaibo, Venezuela. Die Nachfrage nach günstigeren Särgen stieg enorm. Deshalb begannen die beiden Schreiner vor zwei Jahren mit dem Bau von Särgen für weniger als 100 Dollar. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Ein oxidierter Sarg liegt neben einem Grab, das von Dieben auf einem Friedhof in Maracaibo ausgegraben wurde. Oft plündern Diebe die Gräber in der Hoffnung, darin Wertgegenstände zu finden.
          Ein oxidierter Sarg liegt neben einem Grab, das von Dieben auf einem Friedhof in Maracaibo ausgegraben wurde. Oft plündern Diebe die Gräber in der Hoffnung, darin Wertgegenstände zu finden. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Roberto Parra trägt einen kleinen Sarg mit den sterblichen Überresten seines 19 Tage alten Sohnes. Der kleine Junge sei nach der Geburt wegen Lungenproblemen in einem öffentlichen Krankenhaus gestorben. Obwohl seine Frau den Jungen mit Atembeschwerden entbunden hatte, wurde ihnen gesagt, sie sollten ihn mit nach Hause nehmen, da er im Krankenhaus kränker werden könnte, wenn sie bleiben würden.
          Roberto Parra trägt einen kleinen Sarg mit den sterblichen Überresten seines 19 Tage alten Sohnes. Der kleine Junge sei nach der Geburt wegen Lungenproblemen in einem öffentlichen Krankenhaus gestorben. Obwohl seine Frau den Jungen mit Atembeschwerden entbunden hatte, wurde ihnen gesagt, sie sollten ihn mit nach Hause nehmen, da er im Krankenhaus kränker werden könnte, wenn sie bleiben würden. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Ein Bild der Jungfrau Maria hängt an einer Ziegelwand neben dem Raum, in dem eine Leiche für die Bestattung vorbereitet wird. Die Kosten für den Transport der Leiche, den Sarg und die Beerdigung können Hunderte von Dollar betragen. Bei einem durchschnittlichen Mindestlohn von drei Euro im Monat ist das unbezahlbar.
          Ein Bild der Jungfrau Maria hängt an einer Ziegelwand neben dem Raum, in dem eine Leiche für die Bestattung vorbereitet wird. Die Kosten für den Transport der Leiche, den Sarg und die Beerdigung können Hunderte von Dollar betragen. Bei einem durchschnittlichen Mindestlohn von drei Euro im Monat ist das unbezahlbar. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Katholische Frauen während einer Prozessionsfeier in Maracaibo, Venezuela.
          Katholische Frauen während einer Prozessionsfeier in Maracaibo, Venezuela. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Der Friedhofsmitarbeiter Denny Peryra schaufelt Gräber für Kinder im Bereich der Gemeinschaftsgräber auf dem städtischen Friedhof in Maracaibo.
          Der Friedhofsmitarbeiter Denny Peryra schaufelt Gräber für Kinder im Bereich der Gemeinschaftsgräber auf dem städtischen Friedhof in Maracaibo. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Kinder schlafen auf der Straße in der Nähe des Essensstandes ihrer Mutter, wo sie Lebensmittel verkauft.
          Kinder schlafen auf der Straße in der Nähe des Essensstandes ihrer Mutter, wo sie Lebensmittel verkauft. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Mitarbeiter eines Friedhofs bereiten eine Leiche für die Einäscherung vor.
          Mitarbeiter eines Friedhofs bereiten eine Leiche für die Einäscherung vor. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Carmen Garcia und ihr Freund Juan Carlos Pirela paddeln auf dem Floß auf dem See Maracaibo in Cabimas. Sie bereiten sich auf das Auswerfen ihrer Fischernetze vor, in der Hoffnung auf eine Mahlzeit. Viele Menschen in Maracaibo hat der wirtschaftliche Absturz Venezuelas in den vergangenen fünf Jahren besonders hart getroffen. Einst war es ein Zentrum des riesigen Ölreichtums des Landes.
          Carmen Garcia und ihr Freund Juan Carlos Pirela paddeln auf dem Floß auf dem See Maracaibo in Cabimas. Sie bereiten sich auf das Auswerfen ihrer Fischernetze vor, in der Hoffnung auf eine Mahlzeit. Viele Menschen in Maracaibo hat der wirtschaftliche Absturz Venezuelas in den vergangenen fünf Jahren besonders hart getroffen. Einst war es ein Zentrum des riesigen Ölreichtums des Landes. : Bild: Rodrigo Abd/AP
          Kreuze markieren die überwucherten Gräber des Friedhofs Corazon de Jesus.
          Kreuze markieren die überwucherten Gräber des Friedhofs Corazon de Jesus. : Bild: Rodrigo Abd/AP

          Rodrigo Abd auf Instagram: @abdrodrigo

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