Bargeld oder Digitalgeld : „Der Jens“ antwortet jungen Menschen auf ihre Fragen
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Bundesbank-Präsident Jens Weidmann während eines Bankenkongresses im November 2019 Bild: Reuters
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann antwortete im Internet auf Fragen junger Leute zur Zukunft des Geldes, zur Digitalisierung des Euros und zur grünen Geldpolitik. Schließlich wollen die Notenbanken transparenter werden.
Wer schon immer mal Bundesbankpräsident Jens Weidmann duzen wollte, hatte am späten Freitagnachmittag dazu die seltene Gelegenheit. Die Anrede mit Vornamen war freundlich erwünscht während der von der Deutschen Bundesbank per Internet veranstalteten Frage- und Diskussionsrunde für junge Leute. Die kamen mit ihren grundsätzlichen aber auch hochaktuellen Fragen zu Geldpolitik, Finanzstabilität und Bankenaufsicht rasch zur Sache, was auch an der guten inhaltlichen Vorbereitung lag. Denn der Livestream bildete den Höhepunkt einer Woche voll mit Online-Arbeitskreisen, mit denen die Notenbank ihre Arbeit der Öffentlichkeit erklären und näher bringen will.
Das ist keine einfache Aufgabe angesichts des oft technischen Jargons, der in der internationalen Geldpolitik und Finanzwissenschaft üblich ist. Fachbegriffe stellten für Weidmann allerdings kein Hindernis dar, per Videokonferenz verständlich auf die Fragen und Anregungen von 100 Veranstaltungsteilnehmern im Alter von 18 bis 30 Jahren zu antworten. „Der Jens“ hielt die lockere Konvention mit der Anrede per Vornamen übrigens souverän ein, während einigen Teilnehmern dann doch ab zu mal ein respektvolles „Herr Weidmann“ herausrutschte. Der nahm an der Veranstaltung von seinem Büro aus teil, im Sakko zwar, aber – anders als üblich und auf unserem Foto aus dem Jahr 2019 – ohne Krawatte.
Die Europäische Zentralbank (EZB), zu deren Eurosystem 19 nationale Notenbanken wie die Bundesbank gehören, arbeitet gerade an einer Überprüfung ihrer Strategie und will auch angesichts wachsender Kritik aus ihrem Sitzstaat Deutschland bürgernäher werden. Die aktuelle Strategiediskussion bildet in diesem Jahr den Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe der Euro-Notenbanken unter dem Motto Euro20+. Die jungen Leute wollten vom Bundesbankpräsidenten zum Beispiel wissen, wie Preise und Kaufkraft auf die Digitalisierung der Wirtschaft reagieren, ob die Bundesbank die Digitalisierung des Geldes aktiv vorantreiben will oder welche Folgen der Klimawandel für die Geldpolitik hat.
Plattformen mit enormer Marktmacht
Wie Weidmann einleitend darstellte, habe die Finanzkrise im Jahr 2008 und die anschließend ab 2010 einsetzende Euro-Staatsschuldenkrise viel Aufmerksamkeit der Notenbanken absorbiert, sodass wenig Gelegenheit für grundsätzliche Debatten gewesen sei. Nun gehe es etwa um die Frage, welche Ziele die Geldpolitik verfolgen solle und anhand welcher Kriterien diese Ziele zu messen seien. Dabei müssten die Notenbanken den Bürgern auch erklären, wo eigentlich die Grenzen ihres Mandats lägen und wofür sie nicht zuständig seien. In der Fragerunde wollte ein Student der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim von Weidmann wissen, wie sich die digitale Ökonomie auf die Verbraucherpreise auswirke, da Händler mit Hilfe von Algorithmen ihre Preise im Minutentakt anpassen können.
Weidmann betonte, dass die Geldpolitik den Wert des Geldes stabil halten solle. Die Digitalisierung habe darauf vielfältige Einflüsse. Einerseits erhöhe sie den Wettbewerb zwischen Anbietern, da Verbraucher über das Internet fast vollständige Transparenz über die Preise erhalten könnten. Auf der anderen Seite könnten große Firmen mit der Rolle eines Super-Stars und Plattformen wie Amazon mit ihrer enormen Marktmacht Preise diktieren.
Ein weiterer Teilnehmer brachte den Konflikt um das nicht unumstrittene EZB-Ziel auf den Punkt, eine Inflationsrate unter aber nahe 2 Prozent anzusteuern. Er wollte wissen, ob die EZB haftbar gemacht werden könne, wenn sie dieses Ziel nicht erreiche und die Preise stattdessen nachhaltig sinken, also in eine Deflation rutschen. Weidmann erklärte, dass die geldpolitischen Ziele für die mittelfristige Zukunft definiert seien und es viele Gründe gebe, wenn diese rückblickend nicht erreicht würden. Die Tatsache, dass die tatsächliche Inflationsrate in der Vergangenheit immer wieder hinter dem Ziel der EZB zurückgeblieben sei, werde einen wichtigen Diskussionspunkt im Rahmen der aktuellen Strategieüberprüfung darstellen.
Mit Blick auf die Digitalisierung des Geldes sieht Weidmann die Bundesbank weniger als neutralen Beobachter und mehr als einen aktiven Gestalter. Das sei etwa an dem von der Bundesbank bereitgestellten Target2 genannten Zahlungsverkehrssystem zu erkennen oder an den Echtzeitzahlungen, die möglich gemacht worden seien. Der Zahlungsverkehr sei weiter zu verbessern, damit er auch grenzüberschreitend funktioniere. „Wir wollen die Bürger aber nicht in eine bestimmte Richtung drängen“, sagte Weidmann. So werde die Bundesbank sich nicht in die Frage einmischen, ob künftig nur bar oder digital gezahlt werden solle, sondern die von den Bürgern gewünschten Zahlungsmittel bereitstellen. Dabei betonte der Bundesbankpräsident, dass es auch viele Innovationen für den Zahlungsverkehr gäbe, die nicht von Notenbanken stammten, sondern aus der Privatwirtschaft.
Für die Entwicklung eines digitalen Euro, zu dem die EZB kürzlich ein Konsultationspapier veröffentlicht hat, gehe es laut Weidmann zunächst darum, Vor- und Nachteile abzuwägen. So seien mögliche Folgen für die Finanzstabilität zu beachten, wenn Sparer ihre Einlagen aus Banken abziehen und in die Digitalwährung steckten. Die Rolle der Notenbanken im Kampf gegen den Klimawandel sieht Weidmann differenziert. Klimarisiken und deren Folgen etwa für die Finanzstabilität müssten besser abgebildet werden als bisher. In politische Entscheidungen dürfte die Geldpolitik dabei aber nicht eingreifen. Als ein wirksames Werkzeug gegen den Klimawandel sieht Weidmann vor allem einen Preis für den Ausstoß von Kohlendioxid.