Schutz vor Verlusten : Wandelanleihen überstehen den Crash
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Der Kreuzfahrtanbieter Carnival (hier Crewmitglieder) hat auch eine Wandelanleihe emittiert Bild: EPA
Eine Flut an neuen Emissionen gibt der Mischform aus Anleihen und Aktien Rückenwind. Die Verluste in dieser Anlageklasse fielen in der Krise kleiner aus als am Aktienmarkt.
Der Markt für Wandelanleihen ist im Vergleich zum Aktien- oder Anleihemarkt eine kleine Nische. Von diesen Titeln sind in der Welt insgesamt 350 Milliarden Dollar im Umlauf, der Anleihemarkt hat ein Volumen von mehr als 100 Billionen Dollar, und die Marktkapitalisierung aller Aktienmärkte dürfte um 90 Billionen Dollar liegen. Der Markt für Wandelanleihen erreicht nicht einmal ein halbes Prozent der beiden anderen Wertpapiermärkte. Auf diesem Nischenmarkt fühlen sich aber die auf diese Mischform aus Aktien und Anleihen spezialisierten Investoren besonders wohl.
„Der Markt für Wandelanleihen hat in der Corona-Krise wie im Lehrbuch reagiert: In der Phase der schlimmsten Verwerfungen fielen die Verluste geringer aus als am Aktienmarkt. An der anschließenden Kurserholung haben Wandelanleihen ebenfalls partizipiert“, sagt Frederik Hildner, leitender Portfoliomanager des auf Wandelanleihen spezialisierten Vermögensverwalters Salm-Salm&Partner im Gespräch mit der F.A.Z. So habe der Weltaktienindex MSCI vom Jahresanfang bis zum Tiefpunkt am 23. März 31 Prozent verloren, der Wandelanleihenindex (Refinitiv Gobal Focus Convertible) aber nur rund 10 Prozent. Inzwischen liege der MSCI noch 10 Prozent im Minus, der Wandelanleihenindex bei null Prozent. Hildner fühlt sich durch die Entwicklung bestätigt: „Wandelanleihen federn in schwierigen Marktphasen nach unten ab und ermöglichen gleichzeitig die Teilhabe an der positiven Entwicklung.“
Ähnlich positiv fällt das Fazit von Stephanie Zwick aus, die für Wandelanleihen beim Schweizer Vermögensverwalter Fisch Asset Management zuständig ist: „Der Rückschlagschutz und die Partizipation an steigenden Aktienmärkten funktionierten mit Blick auf die Geschehnisse im März und April wie gewünscht. Wandelanleihen gaben deutlich weniger nach als Aktien.“ Als Faustregel gilt: Wandelanleihen, im Englischen heißen sie Convertible Bonds, machen zwei Drittel der Aktienkurssteigerung mit, aber nur ein Drittel des Kursverlusts.
Für Zwick haben Wandelanleihen in der aktuellen Krise ihre Schutzfunktion im Vergleich zu Aktien unter Beweis gestellt und haben zudem an der Erholung an den Aktienmärkten teilgenommen. „So gesehen, schlagen sich Wandelanleihen im gesamten Corona-Krisenumfeld sehr gut.“
Besonders erfreut zeigt sich JP Mandich, Global Head für Wandelanleihen der japanischen Investmentbank Nomura, über die Flut an Neuemissionen. Diese beliefen sich seit Jahresanfang auf gut 54 Milliarden Dollar, 84 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Seinen Angaben zufolge war das Emissionsvolumen zu diesem Zeitpunkt seit 2008 nicht mehr so hoch.
Carnival hart getroffen
Unter den Emittenten befindet sich zum Beispiel der Kreuzfahrtveranstalter Carnival, der von den Reiseeinschränkungen der Corona-Krise hart getroffen wird. Das Unternehmen wird am Anleihemarkt im Ramschbereich, also in den unteren Bonitätsklassen gehandelt. Eine Anleihe hätte wohl einen Zinskupon von 11,5 Prozent erfordert. Nun zahlt Carnival für den Convertible Bond 5,75 Prozent.
Der Reiz der Wandelanleihen besteht in dem Wandelrecht. Der Titel lässt sich zu einem vorab festgelegten Preis in Aktien des Unternehmens tauschen. Sollte sich der Aktienkurs aber nicht entsprechend entwickelt haben, bleiben als Sicherheitsnetz die Zinserträge und die Rückzahlung. Wandelanleihen weisen in der Regel eine mittlere Laufzeit um die fünf Jahre sowie einen eher niedrigen Zinskupon auf, wie das Beispiel Carnival zeigt. Für Nomura-Fachmann Mandich kommen als klassische Emittenten Unternehmen mit starkem Wachstum in Frage. Convertible Bonds seien für diese Unternehmen eine Alternative zum Anleihemarkt, weil diese oftmals zum hochverzinslichen Ramschbereich zählten, wo derzeit viele Rating-Herabstufungen und damit steigende Finanzierungskosten drohten.
Den Markt für Wandelanleihen dominieren die Vereinigten Staaten. Nach Angaben von Mandich kamen von dort 34,6 Milliarden Dollar der Neuemission. In Europa seien es 13 Milliarden Dollar gewesen, was er ebenfalls als ordentlich einstuft. Wandelanleihen hat der französische Technologiekonzern Safran, der niederländische Essenslieferdienst Takeaway.com oder das Softwareunternehmen Amadeus begeben.
Nicht zu den klassischen Wandelanleihen zählen die Pflichtwandelanleihen, die wie bei dem Stahlkonzern Arcelor Mittal zu einem späteren Zeitpunkt zwingend in Aktien gewandelt werden müssen. Hier hat der Anleger kein Wahlrecht, ebenso wie bei den Coco-Bonds der Banken, die im Falle des Unterschreitens der Eigenkapitalausstattung in Aktien gewandelt werden. Deutsche Bank und Commerzbank haben sich dagegen für Titel entschieden, die in diesem Fall abgeschrieben und nicht in Aktien gewandelt werden.
„Aufgrund der noch länger anhaltenden Phase extrem niedriger Zinsen sind Wandelanleihen derzeit eine spannende und chancenreiche Anlage“, wirbt Salm-Salm-Fachmann Hildner. Er hält Kenntnisse des Marktes für wichtig, um die richtige Kreditqualität auszuwählen. Anders ausgedrückt: Privatanleger könnten schnell überfordert sein und sollten sich deshalb für einen auf Convertibles spezialisierten Fonds entscheiden, der zudem eine breite Streuung der Emittenten ermöglicht.
Im Vergleich zur Finanzkrise hat sich nach Ansicht von Hildner die Inhaberstruktur von Wandelanleihen verändert. Hedgefonds und spekulative Arbitrage-Fonds halten seinen Angaben zufolge heute nur rund ein Drittel des Marktes. „Der Rest befindet sich in stabilen Händen – wie unseren.“ Damit meint Hildner langfristige Investoren, die Wertpapiere bevorzugt bis zur Fälligkeit halten. Im Jahr 2008 sei das Verhältnis genau umgekehrt gewesen. „Wandelanleihen eignen sich insbesondere für die Investition in Technologie- und Wachstumsunternehmen, da hier oftmals eine hohe Interessenidentität zwischen Emittent und Investoren besteht“ rät Hildner.