Vergrößerung der Geldmengen : Der größte Sünder ist die Schweiz
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Eingangsportal der Schweizerischen Nationalbank in Bern Bild: AFP
Die Europäische Zentralbank und die Fed lassen in der Krise ihre Bilanzsummen steigen. Unbestrittener Meister hierin ist jedoch die Schweizerische Nationalbank.
Die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Fed haben in der Krise ihre Geldschöpfung durch großzügigere Kredite an Banken und den Kauf von Wertpapieren ausgeweitet. Dieser Effekt schlägt sich in einer Vergrößerung ihrer Bilanzsummen nieder. Die Fed und die EZB sind allerdings im Vergleich zur Schweizerischen Nationalbank (SNB) geradezu Waisenknaben, wenn es um die prozentualen Zuwächse der Geschäfte der Zentralbanken geht (siehe Grafik).
Nimmt man als Richtgröße die sogenannte Geldbasis, die aus dem Bargeldumlauf sowie den von Geschäftsbanken bei den Zentralbanken gehaltenen Guthaben entsteht, fällt im Sommer 2011 ein extremer Zuwachs in der Schweiz auf. Nach den Statistiken der SNB ist die Geldbasis von 77 Milliarden Franken im Juli über 163 Milliarden Franken im August auf 237 Milliarden Franken im November gestiegen. Dieses starke Wachstum steht im Zusammenhang mit den Bemühungen der SNB, die seit dem Jahr 2007 in Gang befindliche Aufwertung des Franken aufzuhalten.
Stabilisierung des Wechselkurses bislang gelungen
Um die eigene Währung zu schwächen, kündigte sie im August mehrere Maßnahmen zur Vergrößerung der Geldbasis an, die sich in stark steigenden Guthaben der Banken bei der SNB niederschlugen. Als dies die Aufwertung des Franken nicht bremste, gab die SNB im September einen Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro bekannt, gegen dessen Unterschreitung durch Marktkräfte sie sich bei Bedarf wenden werde. Wegen der starken Aufwertung des Franken befürchtete die Nationalbank eine schädliche Deflation und Rezession für die Eidgenossenschaft.
Diese Stabilisierung des Wechselkurses ist zumindest bislang gelungen. Dabei soll es auch bleiben. „Die Schweizerische Nationalbank wird den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro weiterhin mit aller Konsequenz durchsetzen“, heißt es in der jüngsten Lagebeurteilung der SNB. „Sie ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.“ Auch beim heutigen Kurs bleibe der Franken hoch bewertet.
Rückläufige Preise für Importgüter als Folge des starken Franken
Der von manchen Puristen gefürchtete Inflationsdruck als Folge der starken Ausweitung der Geldbasis ist bisher nicht erkennbar. Die Schweiz hat erst vor wenigen Tagen dreimonatige Schatzwechsel zu einem negativen Zins von 0,43 Prozent zugeteilt. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen, die im April noch 2,13 Prozent erreicht hatte, ist in den vergangenen Monaten deutlich gefallen und betrug am Mittwoch noch 0,71 Prozent. Aus diesen Zahlen sind keine Inflationserwartungen ablesbar. Andererseits dauert es oft lange, bis sich eine Ausweitung der Geldbasis in die gesamte Wirtschaft fortpflanzt und dort Inflationspotential erzeugt. Als die Nationalbank Ende der siebziger Jahre schon einmal eine am Wechselkurs ausgerichtete Politik betrieb und die Geldbasis durch Devisenkäufe stark steigen ließ, stieg die Inflationsrate erst mit mehreren Jahren Verzögerung.
Der aktuelle mittelfristige Ausblick der Nationalbank lässt noch keine Inflationsgefahren erkennen. Sie erwartet die Inflationsrate für 2011 mit 0,2 Prozent, für 2012 mit minus 0,3 Prozent und für 2013 mit 0,4 Prozent unter der Annahme eines Zinssatzes für Dreimonatsgeld von null Prozent und eines schwächer werdenden Franken an den Devisenmärkten. Nicht sehr viel anders sehen die Prognosen der DZ Bank aus: Sie sieht die Inflationsrate im laufenden Jahr bei 0,3 Prozent, im kommenden Jahr bei null Prozent und im Jahr 2013 bei 1,5 Prozent. Den Druck auf das aktuelle Preisniveau erklärt die DZ Bank vor allem mit rückläufigen Preisen für Importgüter als Folge des starken Franken.
Exportwerte haben profitiert
Die Frage ist, ob die SNB den Wechselkurs dauerhaft bei 1,20 Franken je Euro stabilisieren kann. Noch vor wenigen Wochen kursierten Gerüchte am Markt, die Nationalbank erwäge einen höheren Mindestkurs. Seitdem hat der Euro allerdings gegenüber dem Dollar an Wert verloren. „Solange die Probleme im Euroraum weiter bestehen, besteht ein wachsendes Risiko, dass der Markt die Untergrenze von 1,20 Franken testen wird“, heißt es bei der Investmentbank Morgan Stanley.
Positiv hat der schweizerische Aktienmarkt auf die expansive Geldpolitik der Nationalbank reagiert. Nachdem der SMI im Sommer von 6042 auf 4792 Punkte gefallen war, hat er sich seitdem auf 5809 Punkte erholt. Von der Entscheidung der SNB, gegen eine weitere Aufwertung des Franken zu kämpfen, haben unter anderem Exportwerte profitiert. Allein die Industriekonzerne Nestlé, Novartis und Roche kommen zusammen auf ein Gewicht von fast 60 Prozent im SMI-Index.