Tschechiens Zentralbankchef : Aleš Michl und das Angstszenario
- -Aktualisiert am
Aleš Michl Bild: Picture Alliance
In Tschechiens Notenbank hatten bisher die Verfechter einer konservativen Geldpolitik das Sagen. Das soll sich mit dem Antritt eines neuen Gouverneurs nun ändern.
Es war ein Misstrauensvotum. Wie anders sollte man die Reaktion des Devisenmarktes zur Ernennung von Aleš Michl zum neuen Gouverneur der tschechischen Notenbank (CNB) bezeichnen? Binnen Kurzem wertete die Krone um 3,7 Prozent ab. Zuerst ein wenig, als erste Gerüchte aufgekommen waren, dann umso mehr, als Staatspräsident Miloš Zeman sie bestätigte. Michl versprach zwar: „Ich kann Ihnen versichern, dass die CNB konservativ bleiben wird. Wir werden die Ziele der Währungs- und Finanzstabilität voll erfüllen, in den nächsten sechs Jahren wird sich nichts ändern.“ Doch das half nicht mehr viel.
Am nächsten Tag musste sich der Zentralbankrat, das oberste Gremium der Notenbank, zu einer außerordentlichen Sitzung treffen. Nicht wegen der Ernennung Michls, sondern wegen der „beträchtlichen Abwertung der Krone“. Die Notenbank intervenierte, um den Kurs zu stabilisieren und dem Michl-Abschlag die Spitze zu nehmen. Seither müssen für den Euro wieder rund 24,70 Kronen bezahlt werden, nicht mehr mehr als 25,30 Kronen.
Der Schock ist jetzt anderthalb Monate her, an diesem Freitag hat Michl sein neues Amt angetreten. Wer ist der Mann? Und warum löst er, wie Bankanalysten flott formulierten, ein „Angstszenario“ aus?
„Recht starker Meinungsaustausch“
Um das zu verstehen, muss man in die bisherige Geldpolitik der Česká národní banka eintauchen, die wegen ihrer konservativen, „falkenhaften“ Geldpolitik gern mit der Deutschen Bundesbank verglichen wird, als sie noch geldpolitisch souverän war. Eine Politik des billigen Geldes nach dem Beispiel der Europäischen Zentralbank ist den Pragern Notenbankern ein Gräuel. Sie gehörten mit zu den Ersten, die im vorigen Frühjahr die Zinsen anhoben, um die Nach-Covid-Inflation in die Schranken zu weisen. Und mit Ausnahme der Ungarn hat keine Notenbank in Europa seither so beherzt die Leitzinsen erhöht.
In neun Schritten schleuste sie wegen der zuletzt auf über 14 Prozent gestiegenen Jahresinflation den Zins von 0,25 Prozent auf nun 7 Prozent hinauf, zuletzt vorige Woche mit einem unerwartet ausladenden Schritt von 1,25 Prozent.
Auch das geschah, wie so oft zuvor, mit einer satten Mehrheit von fünf gegen zwei Stimmen. Deutet man die Zeichen richtig, hat es dabei noch einmal richtig geknallt. „Aber ja, wir haben ein wenig gestritten“, ordnete der scheidende Vorsitzende Jiří Rusnok anschließend den „recht starken Meinungsaustausch“ im tschechischen Fernsehen ein. Ein „letztes Hurra“ der geldpolitischen Falken im Vorstand machten die professionellen Beobachter der ING-Bank aus.
Geldpolitische Taube kommandiert Prager Falken
Denn nun ist einer derjenigen, der die Zinsschritte der Vergangenheit abgelehnt hat, Vorsitzender geworden. Oder, um es in der Sprache der Devisenhändler zu beschreiben: Eine geldpolitische Taube kommandiert ab jetzt die Prager Falken. Wobei der Zentralbankrat nach drei weiteren planmäßigen Neubesetzungen durch Zeman nicht nur erstmals zwei Frauen an Bord hat, sondern insgesamt weniger „falkenhaft“ sein dürfte. Der Auftrag Zemans ist klar: „Ich erwarte keinen scharfen Einschnitt bei den Zinsen, aber ich glaube, es gibt auch keinen Grund für weitere Erhöhungen.“ Das hatte der gebrechliche Staatschef allerdings vor der letzten, außergewöhnlich starken Anhebung wissen lassen. Der Streit im Bankrat geht vor der Hand darum, wie stark die inländische Inflation durch nationale oder durch importierte Faktoren wie steigende Energiepreise bestimmt wird. Michl vertritt die Meinung, zwei Drittel seien importiert. Dagegen könne man auch mit höheren Zinsen kaum etwas unternehmen – wohl aber mit der Verteuerung der Kredite durch hohe Zinsen die heimische Konjunktur vollends abwürgen.