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Trendwende : Die Deutschen sparen weniger

Die Sparquote in Deutschland ist wieder gesunken. Bild: dpa

Eine Studie zeigt: Die Zuflüsse auf die Bankkonten in Deutschland waren 2021 deutlich niedriger als im ersten Coronajahr. Das hat ganz unterschiedliche Gründe.

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          Die Deutschen sparen so langsam wieder etwas weniger. Das geht aus einer Studie hervor, die das Fintech Raisin von der Plattform „Weltsparen“ zusammen mit dem Beratungsunternehmen Barkow Consulting erstellt hat, und die der F.A.Z. exklusiv vorliegt. Demnach ist nicht nur die Sparquote der privaten Haushalte im vergangenen Jahr von 16,2 auf 15 Prozent zurückgegangen. Im vierten Quartal, also den Monaten Oktober bis Dezember, lag sie sogar nur noch bei 11,4 Prozent. Die Zuflüsse auf Giro-, Tages- und Festgeldkonten in Deutschland aber sind noch deutlicher gesunken. Sie betrugen der Studie zufolge im vergangenen Jahr nur 85,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im ersten Coronajahr 2020 hatten die Deutschen 148,9 Milliarden Euro zusätzlich auf ihren Konten deponiert – mehr als jemals zuvor.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Der Rückgang ist auch pro Kopf gerechnet beeindruckend: Im Jahr 2020 legte jede und jeder Deutsche im Durchschnitt 1791 Euro auf die hohe Kante. 2021 waren es nur noch 1027 Euro pro Kopf – ein Rückgang also um fast 43 Prozent. Damit floss der Studie zufolge so wenig auf die deutschen Konten wie seit 2017 nicht mehr.

          Zwangssparen vorerst beendet

          Der Rückgang gegenüber dem ersten Coronajahr war dabei in Deutschland deutlich stärker ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern. „In keinem anderen Land der Eurozone gab es einen vergleichbaren Rückgang, auch wenn in fast allen Staaten der Eurozone und dem Vereinigten Königreich weniger gespart wurde als noch 2020“, heißt es in der Studie. Im Durchschnitt komme der Euroraum auf einen Rückgang der Zuflüsse auf die privaten Konten um 31 Prozent.

          Was steckt dahinter? Offenbar ist es eine Mischung von Gründen, die zu dieser Entwicklung geführt hat. Ein zentraler Grund war sicherlich die Lockerung der Corona-Maßnahmen. Im Lockdown hatten die Menschen besonders viel gespart, einfach weil es weniger Möglichkeiten zum Geldausgeben gab. Insbesondere, dass viele Leute weniger Urlaub machten als sonst oder sogar gar keinen, führte zu niedrigeren Ausgaben und mehr Ersparnis. Auch das Einkaufen über den täglichen Bedarf hinaus war zeitweise gar nicht möglich und in anderen Phasen zumindest so eingeschränkt, dass viele Menschen zu ausgiebigem Shopping keine Lust hatten. Vor allem ältere Menschen und solche mit höherem Einkommen legten deshalb notgedrungen mehr Geld zurück als sonst.

          Manche mögen auch aus Sorge über die weitere Zukunft mehr gespart haben – aber das war allen Umfragen zufolge der weniger entscheidende Faktor gegenüber dem sogenannten Zwangssparen, dem Geld-übrig-behalten durch die Coronamaßnahmen. Es führte dazu, dass 2020 die deutsche Sparquote mit 16,2 Prozent außerordentlich hoch ausfiel; quartalsweise lag sie sogar bei mehr als 20 Prozent. „Da es sich bei der zusätzlichen coronabedingten Ersparnis um aufgestauten Konsum handelt, der letztendlich nicht dem Geldvermögensaufbau dient, ließen die Haushalt die Mittel häufig einfach auf dem Girokonto stehen“, schreibt die DZ Bank in einer Analyse.

          Mit den Lockerungen hat das etwas nachgelassen. Mit 15 Prozent war die Sparquote allerdings auch 2021 noch recht hoch. Von „außerordentlich niedriger Ersparnis“ könne für das vergangene Jahr jedenfalls keine Rede sein, sagt Michael Holstein, der Chefvolkswirt der DZ Bank. In früheren Jahren vor der Pandemie lag die deutsche Sparquote meistens um die 10 Prozent. Im Vergleich zu manchen anderen Ländern war das schon immer viel. Zum Jahresende 2021 näherte sie sich mit 10,7 Prozent im dritten und 11,4 Prozent im vierten Quartal zumindest wieder diesem Wert an. Dabei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass die Leute wieder mehr einkaufen konnten und auch etwa Skiurlaube wieder möglich waren. Aber auch der Anstieg der Preise, insbesondere für Energie, dürfte die Budgets der Haushalte zum Jahresende hin stärker belastet haben.

          Die Sache mit den Negativzinsen

          Für die geringeren Zuflüsse auf deutsche Tages-, Giro- und Festgeldkonten dürfte es aber zusätzliche Gründe gegeben haben. Nicht jeder, der spart, muss das schließlich auf einem Bankkonto machen. Die Studie hat das nicht im Detail untersucht. Die Autoren meinen aber, auch das niedrige Zinsniveau habe da wohl eine Rolle gespielt. Banken hatten schließlich im vergangenen Jahr verstärkt Negativzinsen auch schon für kleiner Beträge erhoben. Das führte Umfragen zufolge dazu, dass mehr Menschen Bargeld zu Hause aufbewahren. Vor allem aber war in der Pandemie bei den Investitionen von Privatleuten in Aktien ein Schub zu verzeichnen gewesen.

          Mit zunehmender Dauer der Extrem-Niedrigzins-Phase reagierten immer mehr Bürger mit einem angepassten Anlageverhalten, schreibt die DZ Bank. Viele stiegen neu ins Wertpapiergeschäft ein, vor allem auch junge Anleger. Allein in der Zeit von September 2019 bis September 2021 wuchs die Zahl der Wertpapierdepots um 3,9 Millionen auf 27,1 Millionen. So erreichte die Geldvermögensbildung in Form von Aktien 2020 mit 46,6 Milliarden Euro das Dreifache dessen, was in den Jahren zuvor durchschnittlich neu angelegt wurde. Zwar habe sich die Direktanlage in Aktien 2021 angesichts hoher Kursniveaus wieder verringert, doch dafür habe ein „Boom“ bei Fonds eingesetzt.

          „Die neue Krise – der Angriff Russlands und die weitreichenden wirtschaftlichen Sanktionen – befeuern die ohnehin schon hohe Inflation und verschärfen die Situation für Verbraucher weiter“, sagte Katharina Lüth von Raisin: „Für Sparer empfiehlt es sich in dieser unsicheren Lage umso mehr, besonnen zu handeln: Negativzinsen zu vermeiden und die Inflation so gut es geht auszugleichen, sind zentrale Punkte, um den Wert der eigenen Ersparnisse zu sichern.“

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