Risikobericht : IWF ruft Vereinigte Staaten zur Vernunft auf
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IWF-Direktor Viñals: „Die Rückkehr zur geldpolitischen Normalisierung ist ein schwieriger Prozess“ Bild: AFP
Der IWF ist wegen der Gefahr einer amerikanischen Zahlungsunfähigkeit beunruhigt. Der aktuelle Risikobericht warnt zudem vor Zinsanstieg und hohen Kreditverlusten der Banken in Euro-Krisenländern.
Die Gefahr eines Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten beunruhigt den Internationalen Währungsfonds (IWF). Anlässlich der Vorstellung des Risikoberichtes rief IWF-Direktor José Viñals am Dienstag die Vereinigten Staaten zur Vernunft auf. Die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls stufte er zwar als niedrig ein. Gleichwohl hätte dieser ernsthafte Konsequenzen für die Vereinigten Staaten und die Weltwirtschaft.
Seit vergangener Woche sind amerikanische Behörden wegen des Ausgabenstopps geschlossen. Wenn sich Demokraten und Republikaner bis Donnerstag kommender Woche nicht auf eine Anhebung der Schuldengrenze von gegenwärtig 16,7 Billionen Dollar einigen, kann die amerikanische Regierung ihre Schulden nicht mehr bedienen. Viñals rief die Parteien zur Zusammenarbeit auf.
Die langfristigen Zinsen könnten überschießen
In seinem neuen Risikobericht warnt der IWF vor den Risiken der geldpolitischen Normalisierung in den Vereinigten Staaten. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hatte zur Überraschung vieler Marktteilnehmer im September noch davor zurückgeschreckt, ihre monatlichen Anleihekäufe von 85 Milliarden Dollar zu drosseln. Die faktische Nullzinspolitik will die Fed solange beibehalten, bis die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent gesunken ist. Zuletzt lag sie bei 7,3 Prozent.
Den Worten Viñals zufolge wird die Rückkehr zur geldpolitischen Normalisierung ein beispielloser und schwieriger Prozess. Er mahnte eine klare und zeitlich abgestimmte Kommunikation der Fed an. Die Notenbank hatte lange Zeit die Märkte auf eine Drosselung vorbereitet, aber in der Offenmarktsitzung Mitte September den Beschluss doch noch aufgeschoben.
Nach Ansicht von Viñals besteht die Gefahr, dass die langfristigen Zinsen überschießen könnten. Damit beschrieb er einen in kurzer Zeit erfolgenden deutlichen Renditeanstieg an den Anleihemärkten. Dieser wäre für die Investoren amerikanischer Staatsanleihen mit hohen Kursverlusten verbunden. Dem IWF-Bericht zufolge würde ein Zinsanstieg um 1 Prozent vom gegenwärtigen Niveau aus in den Anleihebeständen der Welt zu Kursverlusten von 2,3 Billionen Dollar führen.
Der Verlust entspricht einem Anteil von 5,6 Prozent an den Beständen. Dies sei mehr als in früheren Phasen der zinspolitischen Straffung. Grund seien die längeren Fälligkeiten in den Anleiheportfolios, wodurch sich die Verlustgefahr in einem Zinsanstieg erhöht. Die längeren Fälligkeiten sind wiederum Folge der Renditejagd in der Niedrigzinsphase.
Die steigenden Zinsen können laut IWF die Schwächen im Schattenbankensektor aufdecken. Dabei deutete Viñals auf Immobilienfonds, die sich auf mit Immobilien besicherte Kredite konzentrieren, aber weniger in Immobilien direkt investieren. Diese sogenannten Mortage Real Estate Investment Trusts (M-Reits) sind sehr stark über Fremdkapital finanziert.
Sollten die Finanzierungsmärkte wie in der Finanzkrise für eine gewisse Zeit kaum noch zugänglich sein, können sie schnell in eine Schieflage geraten. Auch Fed-Gouverneur Jeremy Stein hat vor diesen Gesellschaften gewarnt. Dazu zählen Fonds wie der in New York ansässige Annaly Capital, der eine Bilanzsumme von 102 Milliarden Dollar und Eigenkapital von 13,3 Milliarden Dollar aufweist.
Sorgen bereitet den IWF in seinem Risikobericht auch die hohen Schulden von Unternehmen in Euro-Krisenländern wie Italien, Spanien oder Portugal. Nach Schätzungen des IWF drohen den Banken in diesen Ländern in den kommenden zwei Jahren Kreditverluste von insgesamt 250 Milliarden Euro. Diese Länder haben in den vergangenen Jahren in einer Rezession gesteckt und versuchen auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Allerdings hat unter der wirtschaftlichen Schrumpfung die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen gelitten.
Dem IWF zufolge drohen in Italien Kreditverluste von 125 Milliarden Euro, womit die von den Banken gebildete Risikovorsorge um 53 Milliarden Euro übertroffen würde. In Spanien sind 104 Milliarden Euro an Unternehmenskrediten gefährdet. Diese Summe wird jedoch nach IWF-Angaben durch die Rückstellungen der Banken abgedeckt. Auf Portugal entfallen von den Kreditverlusten 20 Milliarden Euro.
Das sind 8 Milliarden Euro mehr, als die Banken vorgesorgt haben. Der IWF fordert in seinem Risikobericht die Banken in diesen Ländern dazu auf, ihre Risikovorsorge weiter aufzustocken. Die Warnung des Währungsfonds richtet sich auch an die Europäische Zentralbank, die demnächst die Bilanzen von 130 europäischen Banken prüft. Dabei soll sie offenbar die Unternehmenkredite in einigen Ländern unter die Lupe nehmen.