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Gründerboom : Frankreichs Start-up-Finanzierer auf dem Vormarsch

Hohe Ziele: In fünf Jahren wollen die französischen Finanzbeteiligungsgesellschaften ihre britischen Konkurrenten einholen. Bild: AP

Kapitalbeteiligungsfirmen aus Paris wollen die britische Konkurrenz einholen und blasen zur Offensive. Die Deutschen aber liegen deutlich zurück.

          3 Min.

          Frankreichs Finanziers von Gründerunternehmen und mittelständischen Firmen blasen zur Offensive: In fünf Jahren wollen die französischen Finanzbeteiligungsgesellschaften ihre britischen Konkurrenten einholen. „Die Briten haben den größten Markt für Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Europa, doch ihr Bruttoinlandsprodukt ist nicht doppelt so hoch wie das französische. Es gibt also keinen Grund dafür, dass sie doppelt so viel investieren wie wir“, sagte Michel Chabanel, Präsident des Branchenverbandes AFIC.

          Christian Schubert
          Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland.

          Bei der Finanzierung von nichtbörsennotierten Unternehmen durch Kapitalbeteiligungen gilt Frankreich als die Nummer zwei in Europa, deutlich vor Deutschland, wo Banken und Sparkassen weiter eine wichtige Rolle spielen. In jüngerer Zeit sind diese französischen Finanziers stark gewachsen. 2015 investierten sie 10,7 Milliarden Euro in mehr als 1600 Unternehmen – rund 2 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr und 4,7 Milliarden mehr als 2012. Nur im Jahr 2007 lag das Investitionsvolumen schon einmal höher.

          Der französische Gründerboom im Technologiebereich, für den die Regierung unter dem Label „French Tech“ Werbung macht, ist eine der Ursachen; nie zuvor bekamen so viele Unternehmen Investitionsmittel der französischen Finanziers. „Zudem hilft uns das Umfeld der Negativzinsen. Die Investoren suchen Rendite“, sagte Christophe Bavière in Paris im Gespräch mit deutschen Journalisten. Er ist Präsident der Beteiligungsgesellschaft Idinvest, die einst zur Allianz gehörte und heute mit 60 Mitarbeitern 6,4 Milliarden Euro verwaltet. Seine Investitionen in derzeit 28 Wachstumsunternehmen brächten eine durchschnittliche Jahresrendite von 20 bis 25 Prozent, berichtet er. Dazu gehören Startups wie Criteo, Deezer, Withings, Sigfox und Viadeo, die nicht nur in Paris bekannt sind. An dem Spezialisten für Internetwerbung Criteo hatte sich Idinvest schon in einem sehr frühen Stadium mit 7Millionen Euro beteiligt. Als das Unternehmen im Herbst 2013 an die Nasdaq ging und mit 2 Milliarden Dollar bewertet wurde, hielt Idinvest 20 Prozent. „Unser Einsatz hat sich im Wert verhundertfacht“, sagt Bavière. Bei den Investitionen in Startups käme es freilich auch zu Misserfolgen, räumt er ein, denn die Risiken beim Einstieg in die jungen Wachstumsfirmen seien nicht zu leugnen, doch halte sich der Anteil gescheiterter Unternehmen unter 10 Prozent.

          „In Paris findet man leicht eine Finanzierung“

          Nach Ansicht des französischen Finanzspezialisten hat Kontinentaleuropa noch viel Nachholbedarf bei der Finanzierung von Start-ups. „Das gilt vor allem für Deutschland, wo es bisher nicht sehr viele Kapitalbeteiligungsgesellschaften gibt.“ Für Paris beziffert Bavière die Zahl von Finanzinvestoren, die sich so wie Idinvest auf kleine Firmen spezialisieren, auf rund 20; in London seien es dagegen 30 bis 40 Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die zudem auch große Investitionen von 100 Millionen Euro und mehr eingehen. Frankreich sieht das seit längerem als Manko. „In Paris findet man leicht eine Finanzierung für einige Millionen Euro, doch wenn es dreistellig sein soll, wird es schwierig“, räumt Muriel Pénicaud, die Leiterin des staatlichen französischen Investitionsförderers Business France, ein.

          Bei der Finanzierung von nichtbörsennotierten Unternehmen durch Kapitalbeteiligungen gilt Frankreich als die Nummer zwei in Europa, deutlich vor Deutschland.
          Bei der Finanzierung von nichtbörsennotierten Unternehmen durch Kapitalbeteiligungen gilt Frankreich als die Nummer zwei in Europa, deutlich vor Deutschland. : Bild: F.A.Z.

          Die Banque Publique d’Investissement, das französische Pendant zur KfW, hat die französischen Gesellschaften wiederholt zu Zusammenschlüssen aufgerufen, doch auf staatlichen Befehl geht das nicht so einfach – auch in Frankreich nicht. „Wir haben vor, in dieses höhere Marktsegment vorzudringen“, sagt Idinvest-Chef Bavière. Seine größte Investition betrug bisher 50 Millionen Euro – in den Energiespezialisten Converteam. Institutionelle Kunden halten sich bei Engagements in kleinen und mittelständischen Unternehmen noch stark zurück. Dabei müssten sie aufgrund der Niedrigzinsen eigentlich auf der Jagd nach Rendite sein. „Ich kenne wirklich keinen einzigen, der in kleinen und mittelständischen Firmen überinvestiert ist. Dagegen kenne ich einige, die in Staatsanleihen, Immobilien und Schwellenländern stark übergewichtet sind“, sagt Bavière. Die Allianz hält rund 1,5 Milliarden Euro in den Idinvest-Fonds, ein Viertel des gesamten Volumens. Der Start-up-Boom in Frankreich geht indes weiter. Nach einer Studie des Portals Tech.eu kam es allein im Januar und Februar 2016 zu 97 Anschubinvestitionen für französische Firmen, fast siebenmal so viel wie im Vorjahr. Auf diesem Weg flossen den französischen Gründern schon zu Jahresbeginn 371 Millionen Euro zu.

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