Minderwertige Impfstoffe : Neuer Impfskandal erschüttert China
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Impfung in China Bild: AFP
Abermals haben Hunderttausende Kleinkinder minderwertige Impfstoffe erhalten. Chinas Eltern werfen den Behörden Versagen vor. Sogar der Ministerpräsident gerät unter Druck, und an der Börse fallen Aktienkurse.
Es gibt wohlhabende Chinesen, die strikt darauf achten, keinerlei Lebensmittel zu kaufen, die in China selbst produziert worden sind. Die vielen Skandale aus Vergangenheit und Gegenwart – als Lamm verkauftes Rattenfleisch, der Wiederverkauf bereits gebrauchten Speiseöls, vergiftetes Milchpulver – sorgen bis heute für tiefes Misstrauen gegenüber den Kontrollmechanismen der Behörden.
Das gilt erst recht auch für Impfstoffe. Wer es sich leisten kann, der fliegt seine Kinder zum Impfen nach Hongkong oder Singapur. Schließlich erschüttern Impfskandale in kurzen Abständen das Land, nach denen der Staat den Produzenten minderwertiger Medikamente öffentlichkeitswirksam mit harten Strafen droht, was den Folgeskandal freilich kaum verhindert.
So ist es auch bei der jüngsten Impfstoffkatastrophe, die derzeit Dutzende, vielleicht auch Hunderte chinesischer Eltern umtreibt und diese in vielen Fällen dazu bringt, im Internet ihrer Wut auf ein System laxer staatlicher Kontrollen und ihrer Angst um das Wohlergehen ihrer Kinder freien Lauf zu lassen.
So teilte eine Gesundheitsbehörde aus der ostchinesischen Provinz Shandong am Freitag mit, dass der Hersteller Changchun Changsheng Bio-technology 252.600 minderwertige DPT-Impfstoffe verkauft habe, die von den staatlichen Gesundheitszentren in China Kleinkindern im Alter von drei Monaten an gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten verabreicht werden.
Lächerliche Geldstrafe
Laut einem Bericht der Hongkonger „South China Morning Post“ hatten die Behörden bereits seit vergangenen November gegen den Medikamentenhersteller ermittelt und diesen bereits mit einer Geldstrafe in Höhe von 3,4 Millionen Yuan belegt, was umgerechnet 507.000 Euro entspricht. Diese Summe erscheint nicht nur gering angesichts des Gewinns in Höhe von umgerechnet 72 Millionen Euro, den das Unternehmen im vergangenen Jahr demnach erzielt hat. Sondern auch vor dem Hintergrund, dass der „Post“ zufolge der Hersteller in diesem Jahr staatliche Subventionen in Höhe von rund 6 Millionen Euro erhalten hat.
Zudem hat die Gesundheitsbehörde aus Shandong ihre Ermittlungsergebnisse offensichtlich erst dann öffentlich gemacht, nachdem vergangenen Montag ein weiterer Impfskandal öffentlich wurde – bei demselben Unternehmen. So hatte am vorvergangenen Sonntag die nationale Pharmaaufsicht mitgeteilt, dass sie in der Produktion von Impfstoffen gegen Tollwut bei Changchun Changsheng Bio-technology Hinweise auf gefälschte Daten gefunden hätten. Daraufhin war dem Unternehmen die Produktionslizenz entzogen worden.
Weder im Fall der Impfstoffe gegen DPT noch gegen Tollwut ist derzeit klar, wie viele Kinder die minderwertigen Medikamente erhalten haben und ob es bereits Fälle mit Gesundheitsschäden oder Todesfolgen gibt.
Immer wieder neue Impfstoffskandale
Am gestrigen Sonntag, als die Zahl von wütenden Kommentaren und Posts im chinesischen Internet erheblich angestiegen war, begannen die Zensoren mit weitreichenden Löschungen dieser Einträge. Zuvor hatten Nutzer etwa Bilder von der angeblichen Freundin des Chefs des betrügerischen Medikamentenherstellers gepostet, die eine junge hübsche Frau mit Luxusgütern wie teuren Uhren, beim Hubschrauberflug in der Schweiz, mit teuren Sportwagen und beim Reiten zeigen.
In China kommt es immer wieder zu Impfstoffskandalen. Erst vergangenen November hatten die Behörden bekannt gemacht, dass ein anderer großer Hersteller, das Wuhan Institute of Biological Products, über 400.000 minderwertige DPT-Impstoffe verkauft hatte. Auch in diesem Fall ist bis heute nichts über die Zahl der betroffenen Kinder und Gesundheitsschäden bekannt.
An der Börse sind die Aktienkurse von chinesischen Impftstoffherstellern und Biotechfirmen am Montag stark gefallen. In Peking hat sich unterdessen Ministerpräsident Li Keqiang in die Debatte eingeschaltet, nachdem selbst Parteizeitungen angefangen hatten, die Regierung vor der „Wut“ zu warnen, die sich im Land verbreiten könnte. Der Staat werde gegen die „illegalen und kriminellen“ Handlungen der Hersteller resolut vorgehen, sagte Li Keqiang. Wer das Gesetz gebrochen habe, werde bestraft. Zudem sollten Mängel in der staatlichen Überwachung „kritisiert“ werden.