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Brisanter Streit : Gibt es das dumme deutsche Geld?

Mechaniker in einer Eisenbahnradwerkstatt Bild: Picture-Alliance

Um 3 Billionen Euro wären die Deutschen reicher, hätten sie ihr Geld seit 2007 so klug investiert wie die Kanadier. Das rechnet ein Bonner Ökonom vor – und nennt Gründe.

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          Keine Nation hat jemals so viel Vermögen im Ausland angelegt wie die deutsche – doch die dabei erzielten Renditen sind im globalen Vergleich mickrig. Was in der Finanzwelt spöttisch unter der Bezeichnung „dummes deutsches Geld“ kursiert, war am Montagabend Thema eines Vortrags im Münchener Ifo-Institut. Zu Gast war der Bonner Ökonom Moritz Schularick. Wie schon vor einigen Wochen in einem Gastbeitrag für die F.A.Z., sprach Schularick vom „Milliardengrab Kapitalexport“.

          Niklas Záboji
          Wirtschaftskorrespondent in Paris

          Zwar sei die mit dem Verkauf von deutschen Exportschlagern einhergehende Anhäufung beträchtlicher Forderungen gegenüber dem Ausland historisch gesehen Normalität. Auch trage die Globalisierung dazu bei, dass Deutschland heutzutage stärker mit dem Ausland verbunden ist. Dennoch seien die Kapitalexporte in den vergangenen 20 Jahren ungewöhnlich stark in die Höhe geschnellt, betonte Schularick.

          „Die Summen, um die es geht, sind beträchtlich“, sagte er. So hätten die Auslandsforderungen des britischen Königreichs in seiner Blüte im Jahr 1913 – stolze 150 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung – deutlich unter jenen 250 Prozent gelegen, auf die Deutschland derzeit kommt. Vor allem aber die Rentabilität der Forderungen sei Grund zur Besorgnis. Seit dem Jahr 1975 kommen deutsche Anleger nach Zahlen des Bonner Ökonomen auf Nominalrenditen nach Steuern von weniger als 5 Prozent; nur Finnland steht in seinem Industrieländervergleich noch schlechter da.

          Deutsche Scheu

          In Amerika und Großbritannien betrug die durchschnittliche Wertsteigerung hingegen mehr als das Doppelte. Auch Frankreich und Italien kommen auf Renditen von 7 bis 8 Prozent. Was das konkret bedeutet, zeigt ein Vergleich: Hätten die Deutschen in der Zeit zwischen den Jahren 2009 und 2017 ähnliche Vermögenszuwächse wie die Kanadier verzeichnet, wären sie heute um mehr als 3 Billionen Euro reicher – angesichts von Staatsschulden in Höhe von 2 Billionen Euro wahrlich kein kleiner Brocken.

          „Wir haben ein Problem“, befand auch Ifo-Chef Clemens Fuest. Es laufe gehörig etwas schief. Dabei sind die Gründe vielschichtig. Schularick verwies in der historischen Betrachtung auf den renditeschmälernden Aufwertungsdruck, dem die Deutsche Mark früher ausgesetzt war. Für die jüngere Entwicklung entscheidend sei aber die deutsche Scheu, Geld in risikoreichere Anlageformen wie Aktien zu stecken.

          Zudem fließe deutsches Geld zu zwei Dritteln nach Europa und nur zu rund 12 Prozent in Schwellen- und Entwicklungsländer. Das sei doppelt problematisch: Zum einen erfüllten die Auslandsanlagen so kaum eine Absicherungsfunktion gegen Konjunktur- und Demographierisiken, könne man Verluste in einem hiesigen Abschwung also nicht ausgleichen mit Gewinnen aus dynamischen, aufstrebenden Märkten.

          Der Wertzuwachs wäre zum anderen aber auch mit Inlandsanlagen deutlich höher ausgefallen. „In den letzten Jahren hätten Sie Ihr Geld lieber am Münchener Immobilienmarkt statt an der Costa Brava angelegt“, so Schularick. Anmerkungen aus dem Publikum, wonach die deutsche Risikoabneigung etwa für Lebensversicherer auch mit regulatorischen Vorschriften zusammenhänge, konnte der Ökonom indes nur bedingt entkräften.

          Das galt auch für die Kritik des ebenfalls anwesenden früheren Ifo-Chefs Hans-Werner Sinn. Er betonte, dass die Deutschen auch durch die niedrig verzinsten Forderungen aus dem Target-System der EZB in der vergangenen Dekade um eine niedrige dreistellige Milliardensumme gebracht worden seien.

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