Merkel in Frankfurt : „Tun alles für einen attraktiven Finanzplatz“
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Angela Merkel am Dienstagabend in Frankfurt Bild: Helmut Fricke
Angela Merkel hat versprochen, den Finanzstandort Frankfurt massiv zu unterstützen. Erste Fortschritte gebe es bereits. Wo die Kanzlerin noch Potential sieht, erklärt sie auch.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Frankfurt bei einer Veranstaltung der Deutschen Börse besucht und dabei ihre Unterstützung für den hessischen Standort zugesagt. Angesichts des Brexits soll das Engagement der Bundesregierung dort sogar verstärkt werden. „Wir werden alles tun, um Hessen zu unterstützen, attraktive Rahmenbedingungen am Finanzstandort Deutschland zu ermöglichen“, sagte die Regierungschefin. Nur wenige Tage zuvor hatte bereits der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Frankfurt besucht und dabei angemahnt, dass die deutschen Banken nicht die Größe hätten, um globale Player zu sein.
Fortschritte gebe es laut der Kanzlerin nun aber unter anderem bei den von Union und SPD im Koalitionsvertrag angestrebten Lockerungen beim Kündigungsschutz für Topverdiener in Banken, der für Einkommen über 234.000 Euro gilt. „An dieser Regelung wird bereits gearbeitet“, sagte die Kanzlerin. Der britische EU-Austritt (Brexit) zwingt Banken am Finanzplatz London, sich umzuorientieren. Hoffnungen auf mehr Jobs macht sich neben anderen Städten in Europa wie Paris und Amsterdam auch der Finanzplatz Frankfurt. Der strenge deutsche Kündigungsschutz gilt allerdings als Hürde dabei.
Potenzial für Frankfurt sieht Merkel beim Euro-Clearing. Derzeit findet die billionenschwere Abwicklung von Handelsgeschäften mit Euro-Wertpapieren vorwiegend in London statt. Wenn Großbritannien aus der EU ausscheidet, hätten hiesige Aufseher kaum noch Kontrolle über diesen wichtigen Markt. „Politisch erklären kann ich das jedem, dass das Euro-Clearing in der Eurozone stattfindet. Und dann ist Frankfurt natürlich der herausragende Ort“, sagte Merkel, der Kritiker allerdings vorwerfen, dass ihr Einsatz für den Finanzstandort Frankfurt zu spät komme. Vor allem ihr französische Amtskollege Emmanuel Macron sei umtriebiger im Werben für seine auserkorene Finanzmetropole Paris.
Die Deutsche Börse hofft darauf, nach dem Brexit einen möglichst großen Teil des milliardenschweren Euro-Clearing-Geschäfts der Londoner Börse abzujagen. Deren Tochter LCH Clearnet steht für rund 90 Prozent des Euroclearings. Der Marktanteil der Frankfurter Börse ist zuletzt stark gestiegen. Die Deutsche Bank hatte sich etwa dazu entschieden, ihr Neugeschäft in diesem Bereich nach Frankfurt zu transferieren, zulasten des größten europäischen Finanzplatzes London.
Brüssel und London ringen noch immer um einen Austrittsvertrag, die Frist läuft bis Ende März 2019. „Wir haben das Ziel, eine Verständigung mit Großbritannien zu erreichen“, bekräftigte Merkel. „Es ist natürlich wichtig, dass dieses Ziel unter der Maßgabe erreicht wird, dass ein Nichtmitglied der Europäischen Union nicht die gleichen Rechte und Pflichten haben kann wie ein Mitglied der Europäischen Union.“ Merkel betonte: „Wir wollen nicht, dass diese Verhandlungen scheitern, wir können es aber auch nicht vollkommen ausschließen. Wir werden mit aller Kraft und aller Kreativität an einem Ergebnis arbeiten.“
Merkel wirbt für Fachkräftezuwanderung
Als größte Herausforderung für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft sieht Merkel dagegen den Fachkräftemangel an. In vielen Gegenden Deutschlands habe man bereits das, „was man Vollbeschäftigung nennt“, sagte Merkel ebenfalls bei ihrer Rede vor den deutschen Börsianern. Überall fehlten Fachkräfte. „Das könnte sozusagen das größte Bottleneck sein.“ Die Frage, woher die benötigten Fachkräfte kommen, sei „sehr, sehr dominierend“. Das Bundeskabinett will im Herbst den Entwurf eines Fachkräftezuwanderungsgesetz beschließen. Im Herbst habe man die Chance, erstmals den Stand von 45 Millionen Beschäftigten in Deutschland zu erreichen, sagte die Kanzlerin. Deutschlands Wirtschaft wachse nun bereits das neunte Jahr in Folge.