Altersvorsorge : Weniger Pension für deutsche Bankbeschäftigte
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Die fetten Jahre sind vorbei: Junge Beschäftigte müssen sich auf geringere Betriebspensionen einstellen. Bild: Claus Setzer
Eine große deutsche Pensionskasse für Finanzbeschäftigte will die Renten aus künftigen Beiträgen kürzen. Das Beispiel könnte Schule machen.
Die nach eigenen Angaben größte Pensionskasse in Deutschland steht nach Informationen der F.A.Z. vor gravierenden Einschnitten. Die BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes e.V. plant, auf ihrer ordentlichen Mitgliederversammlung am 24. Juni im Hotel Intercontinental in Berlin eine tiefgreifende Änderung der sogenannten Leistungspläne beschließen zu lassen. Das würde für junge Beschäftigte deutlich geringere Ansprüche auf Betriebspensionen bedeuten.
Hintergrund sind die Niedrigzinsphase und die damit verbundenen geringeren Erträge der Pensionskasse. „Die Kapitalmärkte haben sich in den letzten Jahren strukturell verändert“, schreibt die Einrichtung in der Einladung zur Mitgliederversammlung, die der F.A.Z. vorliegt. „Die erzielbaren Erträge sind gravierend gesunken, die Kursschwankungen haben dagegen deutlich zugenommen.“ Regelmäßige und planbare Erträge auf einem Niveau, zu dem die Verpflichtungen des BVV zwingen, ließen sich kaum noch erzielen, schreibt die Institution ihren Mitgliedern.
Weniger Renten als bisher vereinbart
Deshalb schlage die Pensionskasse ihnen vor, die aus zukünftigen Zuwendungen resultierenden Zinsverpflichtungen für die Kasse zu reduzieren. Das betreffe die Leistungspläne mit einem kalkulatorischen Rechnungszins von 4 Prozent. Das sind also offenbar nicht alle, aber doch eine erhebliche Größenordnung.
Die Ankündigung soll heißen: Anwartschaften auf Rentenzahlungen, die in der Vergangenheit erworben wurden, bleiben bestehen – hingegen sollen die Kunden der Pensionskasse mit den entsprechenden Verträgen für die künftigen Einzahlungen („Zuwendungen“) im Alter weniger Rente erhalten, als sie bislang eingeplant haben und als vereinbart war. Stichtag für die Veränderungen soll der 1. Januar 2017 sein.
„Durch die Absenkung der Rentenfaktoren verringert sich die Rentenleistung, resultierend aus Zuwendungen, die nach dem 1. Januar 2017 gezahlt werden, um 24,01 Prozent“, schreibt die Pensionskasse. Es soll also fast ein Viertel weniger Rente für die betroffenen Bankmitarbeiter geben, zumindest was die künftigen Einzahlungen betrifft. Oder, umgekehrt, müssten die Versicherten laut Pensionskasse künftig 31,6 Prozent mehr einzahlen, als sie geplant hatten, um das ursprünglich angestrebte Rentenniveau zu halten und die Differenz künftiger Leistungen vollkommen auszugleichen.
Rente fällt erheblich niedriger aus
Ein Beispiel: Gab es in der Vergangenheit in einem bestimmten Vertragstyp für 100 Euro Einzahlung einen Rentenbaustein in Höhe von 11,45 Euro, so entsteht in Zukunft nur noch ein Rentenbaustein über 8,70 Euro. Das macht sich in einer niedrigeren Rente bemerkbar. Denn aus der Summe dieser Rentenbausteine setzt sich am Ende die Rente zusammen, die der Versicherte von der BVV erhält. Die Rente fällt also erheblich niedriger aus, wenn der Versicherte seine Einzahlungen nicht aufstockt. Es heißt, dass sich die Rente höchstens um ein Viertel reduziert, weil die Kunden ja auch in der Vergangenheit schon Geld eingezahlt hatten, auf das sich die Absenkung nicht auswirkt.
Wie aus Finanzkreisen zu erfahren war, soll es zwischen der Pensionskasse und den Großbanken schon eine Verständigung darüber gegeben haben, dass Vertreter von diesen die Entscheidung auf der Mitgliederversammlung mittragen. Deshalb soll die Zustimmung der Mitgliederversammlung zumindest sehr wahrscheinlich sein.
Der BVV ist nach eigenen Angaben „eines der führenden Unternehmen rund um die betriebliche Altersversorgung“. Mit mehr als 351.000 Versicherten und 107.000 Rentnern ist das Unternehmen laut Eigendarstellung „der Experte rund um das Thema der betrieblichen Altersversorgung in der Finanzwirtschaft“. Viele Banker, gerade aus Frankfurt, haben dort eine Altersvorsorge abgeschlossen. Zum Teil beteiligen sich dabei die Arbeitgeber an den Kosten.
Unterschiedliche Schutzniveaus in der betrieblichen Altersvorsorge
Der Hintergrund: Pensionskassen sichern ihren Anwärtern vertraglich eine feste Verzinsung, einen Garantiezins, zu. Anders als Lebensversicherer, die diesen Garantiezins sehr vorsichtig kalkulieren müssen, ist aber in der Regel in ihren Verträgen eine Sanierungsklausel enthalten, die ihnen erlaubt, das Zinsniveau anzupassen, sofern es dafür triftige Gründe gibt. Ob solche Gründe vorliegen, entscheidet die deutsche Finanzaufsicht Bafin, die auch in diesem Fall ihre Zustimmung schon gegeben hat.
„Dass von solchen Klauseln Gebrauch gemacht wird, ist noch nicht der Normalfall“, sagte Richard Herrmann, Vorstand der Heubeck AG, eines renommierten Beratungsunternehmens in der betrieblichen Altersvorsorge, der F.A.Z. „Der Grund wird aber sicherlich bei anderen Versorgungseinrichtungen auch auftreten“, meint er. Das Beispiel könnte also womöglich Schule machen.
Pensionskassen haben häufig einen Rechnungszins von mehr als 3 Prozent in ihren Verträgen festgeschrieben. Da der Wiederanlagezins in einer Phase sehr niedriger Kapitalmarktzinsen geringer ist, wird auf jeden Euro, der von Pensionsanwärtern eingesammelt wird, ein rechnerischer Verlust erzielt. Aus Gründen des Vermögensschutzes können die Pensionskassen nur die künftigen Leistungen senken, die aus den Beitragszahlungen resultieren. In der betrieblichen Altersversorgung gibt es unterschiedliche Schutzniveaus: Am besten geschützt sind Pensionszahlungen an ehemalige Beschäftigte, die heute schon im Rentenbezug sind. Sie sind praktisch unantastbar.
Jüngere Beschäftigte sind besonders beeinträchtigt
Kaum angreifbar sind auch die Leistungen, die aus schon geleisteten Beitragszahlungen („past services“) folgen. Hier müssen für Eingriffe schon schwerwiegende Gründe wie eine drohende Insolvenz vorliegen. Am ehesten möglich ist es wie im Fall der BVV Versorgungskasse, das Verhältnis von Beitrag und Leistung kommender Zahlungen zu verändern („future services“). „Das Problem ist flächendeckend. Viele Einrichtungen warten ab, bis ein Erster absenkt. Andere werden folgen“, erwartet Herrmann.
Ein ähnlicher Fall war Anfang des Monats bekanntgeworden, als die zum Versicherer Talanx gehörende Neue Leben Pensionskasse ihren Rechnungszins für kommende Zahlungen von 3,25 von Anfang kommenden Jahres an auf 1,25 Prozent senkte. Dadurch werden 80.000 Arbeitnehmer künftig 16 Prozent weniger Pension für ihre Beiträge erhalten. Sie besitzen Verträge, die vor allem Sparkassen als Vertriebspartner des niedersächsischen Versicherungsunternehmens nach der Jahrtausendwende Vorsorgelösungen an rund 10.000 klein- und mittelständische Arbeitgeber verkauft haben.
Die Regelung trifft dabei keineswegs alle gleichermaßen: Die Senkung des Rechnungszinses beeinträchtigt vor allem jüngere Beschäftigte, die einen großen Teil ihrer Anwartschaften erst durch künftige Beiträge noch erwerben.