Zwei Stufen für die Rente : Altersvorsorge könnte so einfach sein
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Auch eine Art von Altersvorsorge Bild: Picture-Alliance
Über die Altersvorsorge wird viel diskutiert. Oft aber ohne nutzbares Ergebnis, meint Andreas Oehler, Finanz-Professor an der Uni Bamberg. Er macht einen einfachen Reformvorschlag.
Die Altersvorsorge ist 2016 eines der vorherrschenden Themen in Deutschland. Viele Menschen begreifen, dass die privatwirtschaftlichen Systeme der staatlich-geförderten und der betrieblichen Altersvorsorge kaum für einen auskömmlichen Lebensstandard im Alter reichen. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld beschleunigt diese Entwicklung. Die Einkommenssicherung für die Zeit nach dem Berufsleben gehört aber zu den existenziellen Bedürfnissen aller Menschen in unserer Marktwirtschaft.
In der jüngeren Zeit gab es zwar eine Diskussion dieses Themas, zum Beispiel zur „Deutschland-Rente“ oder zum „Ende der ‚Riester & Rürup‘-Produkte“, allerdings ohne nutzbares Ergebnis. Gebraucht wird ein unabhängiger, konkreter Lösungsvorschlag, der sich spätestens in der kommenden Legislaturperiode zügig umsetzen ließe, falls alle Beteiligten daran tatsächlich interessiert sind. Jedes weitere Zuwarten oder Aufschieben würde die Bürgerinnen und Bürger wertvolle Zeit und viel Geld für ihre Altersvorsorge kosten.
Ein solcher Vorschlag könnte zwei Stufen umfassen und sollte grundsätzlich alle abhängig Beschäftigten, Selbständigen, Freiberufler und Beamten mit einbeziehen. Er ist zusätzlich zur bestehenden Grundversorgung durch die Rentenversicherungspflicht, eine vergleichbare berufsständische Basisversorgung oder die Beamtenversorgung gedacht.
Stufe 1 mit „Opt-out“
Stufe 1 verpflichtet die genannten Personen, gestaffelt nach Einkommen einen monatlichen Betrag von mindestens 20 bis maximal etwa 100 Euro in einen Fonds zur deutschen Altersvorsorge einzuzahlen. Diese Verpflichtung erlischt nur, wenn ein Austritt ausdrücklich erklärt wird („Opt-out“). Dieser Fonds besteht aus einem kleinen Portfolio weltweit breit streuender börsengehandelter Index-Fonds, das entweder von der Deutschen Bundesbank oder von der Deutschen Rentenversicherung des Bundes geführt wird. Beide Institutionen genießen eine hohe Reputation und sind für ihre Expertise bekannt. Nur die niedrigen Verwaltungskosten reduzieren die Erträge dieser Anlage.
Zusatzversorgungen zum Beispiel für Freiberufler, Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Beamte könnten ebenso angerechnet werden wie tarifliche oder außertarifliche Leistungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge. Es sollte auch möglich sein, eine Variante zu wählen, in der das Kapital nominal garantiert wird. Die Kosten der Garantie werden im Klartext und in Euro ausgewiesen. Ein Wechsel zwischen beiden Varianten wäre rückwirkend nicht möglich, für neue Beträge aber sehr wohl. Damit kann jede Person zwei Unterkonten auf der Stufe 1 haben, ein Konto mit Kapitalgarantie und eines ohne.
Wahlfreiheiten
Die ersten 20 Euro pro Monat werden durch den Bund aus Steuermitteln um denselben Betrag (20 Euro) aufgestockt. Bis zum Versorgungsbeginn besteht aber eine Auszahlungssperre. Wird eine Zusatzversorgung angerechnet, ist der Aufstockungsbetrag vom Arbeitgeber einzuzahlen.
Zwölf Monate vor Versorgungsbeginn kann der Konteninhaber entscheiden, ob bis zu 25 Prozent des Kontoguthabens zu Versorgungsbeginn als Einmalbetrag ausgezahlt werden sollen, ohne dass dies Nachteile für die Aufstockungszahlung des Bundes hätte. Der verbleibende Betrag wird in Entgeltpunkte der Rentenversicherung umgerechnet und als monatliche Rentenzahlung ausgezahlt.
Stufe 2: Freiwillige Ergänzung für alle
In den (separaten) Fonds nach Stufe 2 (nach dem gleichen Anlagemuster wie in Stufe 1) können alle nicht-professionellen Investoren, auch EU-Bürger, weitere Beträge als regelmäßige Monats- oder Jahresbeträge einzahlen. Diese sind zweckgebunden für eine Auszahlung ab dem Versorgungsbeginn. Diese Stufe steht allen offen, nicht nur den oben genannten Personen. Eine vorgezogene Auszahlung ist zum jeweils aktuellen Wert (ohne Rentenanspruch) mit einem Abschlag von 5 Prozent möglich.
Auch für diese Stufe kann eine Variante gewählt werden, in der das Kapital zu den genannten Bedingungen nominal garantiert ist.
Die Auszahlungsregelung zum Versorgungsbeginn gilt analog zu Stufe 1, allerdings sollte bis 12 Monate vor Versorgungsbeginn auch die Entscheidung für eine Einmalzahlung in beliebiger Höhe möglich sein.
Flexibel und doch gebunden
Der Lösungsvorschlag nach Stufe 1 erlaubt den Aufbau einer transparenten, kostengünstigen zusätzlichen Altersvorsorge, die diesem Namen auch gerecht wird. Dabei wird dem vorhandenen Bedürfnis nach einer (nominalen) Garantie des Kapitals entsprochen. Mit Stufe 2 wird all jenen Rechnung getragen, die – gerade nach den Erfahrungen mit der Finanzsystemkrise – gerne freiwillig und unter dem Dach einer vertrauenswürdigen Institution mehr für ihre Altersvorsorge leisten, aber gleichzeitig sich nicht permanent damit beschäftigen möchten.
Beide Stufen und der Verpflichtungsgrad mit der „Opt-out“-Variante sind so moderat gestaltet, dass sie einerseits die notwendige Flexibilität gewährleisten, zum Beispiel hinsichtlich der jeweiligen Lebensumstände. Andererseits werden die Sparer damit gebunden, was für eine konsequente Altersvorsorge notwendig ist. Darüber hinaus würde dieses Modell die Komplexität der Altersvorsorge und die zeitraubende Beschäftigung damit deutlich verringern.
Zur Person
Andreas Oehler ist seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg. Seit 2012 ist er Direktor der Forschungsstelle Verbraucherfinanzen & Verbraucherbildung und unter anderem Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stiftung Warentest, Mitglied des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen und Mitglied des Runden Tischs "Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen".