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Gastbeitrag : Wie viel Absicherung braucht man?

  • -Aktualisiert am

Die weltweiten Börsen - wie viel Absicherung braucht da ein Anleger? Bild: dpa

Die Finanzwelt macht Geschäfte mit Risiken, was dem Durchschnittsbürger höchst suspekt ist. Dabei gibt es eine ganz einfache Lösung.

          3 Min.

          Die Finanzwelt macht Geschäfte mit Risiken, was dem Durchschnittsbürger höchst suspekt ist. Otto Normalverbraucher beherrscht schließlich nicht die Wahrscheinlichkeitsrechnung, und die ist ihm auch herzlich gleichgültig. Dass man mit Mathematik Risiken begrenzen kann ist eine Black Box für, sagen wir 99 Prozent der Bundesbürger. Und weil das so ist, steuert Deutschland auf eine gigantische Altersarmut zu. Nehmen wir die Branche der Vermögensverwalter. Zu ihrem Geschäft gehört es, den Kunden eine gewisse Rendite zu versprechen und gleichzeitig Abstürze an der Börse zu vermeiden. Letzteres erfolgt bei den Vollprofis durch eine Art Versicherung an den Börsen.

          Niemand kann die Zukunft voraussagen, aber man kann sich durch gewisse Instrumente gegen Abstürze an der Börse versichern. Solche Versicherungen kosten allerdings Geld, und je mehr sie kosten, desto mehr schrumpft die Rendite. Eigentlich alles ganz einfach. Versicherungen müssen Risiken kalkulieren und verlangen dafür eine Prämie. Auf dieser Basis wetten sie gegen den Vermögensverwalter. Liegen sie daneben, verlieren sie Geld. Und der Anleger hat den Absturz vermieden. Hat der Vermögensverwalter sich nicht versichert, um höhere Rendite zu erzielen, drohen ihm beziehungsweise seinen Anlegern Verluste. Die zentrale Frage ist: Wie viel Versicherung gegen Risiken braucht eine moderne Geldanlage heute?

          Es ist ein ständiger Balanceakt zwischen Risiko und Rendite. Institutionelle Anleger wie zum Beispiel Lebensversicherungen und Pensionskassen müssen im Rahmen der Finanzaufsicht Regeln befolgen, die Rendite kosten. Ihre mathematischen Modelle sind darauf ausgelegt, kurzfristige Einbrüche zu vermeiden. Sie versichern sich dagegen und legen das Geld ihrer Beitragszahler zu 90 Prozent in Anleihen an. Das reichte in den vergangenen 30 Jahren, um garantierte Zinsen zahlen zu können.

          Doch bekanntlich sind die Renditen der Anleihen durch die Niedrigzinspolitik der EZB inzwischen auf einem historischen Tief, und nichts deutet darauf hin, dass sich das in den nächsten Jahren signifikant ändern könnte. Es ist deshalb absehbar, dass Pensionen und Lebensversicherungen in den nächsten Jahren das Vermögen ihrer Beitragszahler systematisch verkleinern werden, um nicht den Ausdruck „vernichten“ zu benutzen. Erstaunlich genug ist es, dass immer noch Millionen Lebensversicherungsverträge neu abgeschlossen werden.

          Sparen mit Aktien über mehrere Jahrzehnte

          Hinzu kommt der kumuliert hohe Kaufkraftverlust durch langjährige Inflationsraten, mit dem sich der Staat zu Lasten der Sparer entschuldet. Ganz logisch also: Der deutsche Staat verhindert – anders als in Ländern wie Holland oder Großbritannien – dass Ruhestandsvorsorge in Aktien investiert werden darf. Und er produziert damit selbst die Altersarmut, die er zu bekämpfen vorgibt. Ein Beispiel: Wenn ein 37 Jahre alter Mann 100 Euro in eine klassische Rentenversicherung anlegt, ergibt sich nach 30 Jahren eine monatliche Rente von 163 Euro.

          Wenn er den gleichen Betrag in ein globales Aktienportfolio investiert, ergibt sich voraussichtlich eine Monatsrente von 294 Euro, was mypension.de berechnet hat. Der Grund ist, dass globale Aktienanlagen über Jahrzehnte durchschnittliche Renditen von mindestens 6 Prozent einschließlich Dividenden bringen, und zwar inklusive zwischenzeitlicher Kurseinbrüche. Die Risiken sind dabei fast zu vernachlässigen. Sie gleichen sich über die Jahre hinweg weitgehend aus. Man muss sich dagegen also nicht versichern, spart die entsprechenden Kosten, bekommt noch Steuervorteile und kassiert im Alter weit höhere Auszahlungen als alle anderen Vorsorgestrategien. Für langfristig orientierte Privatanleger – insbesondere für das Sparen zur Altersvorsorge über mehrere Jahrzehnte – sind kurzfristige Kursschwankungen völlig irrelevant, da die Risiken von Aktien in 30-Jahres-Zeiträumen wesentlich geringer sind als die von Renten.

          Manche Vermögensverwalter setzen Risikosysteme wie Value at Risk (VAR) auch für Privatanleger ein und versprechen dadurch mehr Sicherheit. Das macht jedoch überhaupt keinen Sinn. Selbst kurzfristig taugen die für institutionelle Anleger entwickelten Risikosysteme nicht für langfristig orientierte Privatanleger. Das VaR-Konzept begünstigt nämlich Rentenanlagen zum falschen Zeitpunkt. Wann immer seit dem Start des Volatilitätsindexes VDax vor über 25 Jahren die Volatilität um mehr als 15 Prozentpunkte über den Durchschnittswert der vorangegangenen zwölf Monate gesprungen war – wenn also bei den Anwendern dieses Systems die Aktienquoten heruntergedrückt werden –, hat der Dax in den folgenden zwölf Monaten zwischen 10 Prozent (vom 24. August 2015 an) und fast 60 Prozent (vom Oktober 1997 an) Gewinn gemacht.

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          Wenn das VaR-Konzept also hohe Risiken am Aktienmarkt ausmacht, sind die tatsächlich künftig gegebenen Risiken sehr niedrig und die Chancen sehr hoch gewesen. Außerdem pflegen bei fallenden Aktienkursen die Rentenkurse zu steigen und umgekehrt – der Kunde kauft also bei einer Risikoreduktion Renten eher zu teuer, um sie nach einer Aktienkurserholung (und gesunkener Volatilität) relativ niedrig wieder zu verkaufen.

          Die Botschaft ist klar: Wer sein Geld wirklich langfristig in globalen Aktien anlegt, beispielsweise mit geeigneten ETFs, braucht sich um Mathematik nicht zu kümmern und kann mit einer üppigen Rente im Alter rechnen.

          Reinhard Panse ist Geschäftsführer und Chefanlagestratege von HQ Trust, dem Multi-Family-Office der Familie Harald Quandt.

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