Versicherungsschutz : Bundesligaspieler sind gut abgesichert
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Dramatisches Ende einer Sportlerkarriere: Seit sich Ditmar Jakobs 1989 im Tornetz verfangen hat, weiß jeder Fußballfan, was ein Karabinerhaken ist. Bild: Getty
Das spezielle Berufsrisiko von Fußballern macht es notwendig: Bundesligaspieler schützen sich mit Krankentagegeld- und Invaliditätspolicen gegen einen längeren Ausfall. Wie sehen die Produkte aus?
Die Szene hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt – obwohl sie sich für ganz junge Fußballfans ohne Bilder abspielte. Es ist der 20. September 1989, ein Mittwochabend. Eines der umkämpften Fußball-Derbys zwischen den Nordrivalen Hamburger SV und Werder Bremen. Rund 20 Minuten sind gespielt, als der Werderaner Wynton Rufer frei vor dem HSV-Tor auftaucht. Er überlupft den hünenartigen Torhüter Richard Golz, der Ball trudelt Richtung Torlinie. Doch Ditmar Jakobs, ein kraftvoller Vorstopper, erreicht den Ball noch kurz davor.
Die heldenhafte Rettungstat bewahrt die schlecht in die Saison gestarteten Hamburger vor einem Rückstand. Doch anschließend rutscht Jakobs ins Netz hinein und verfängt sich mit dem Rücken in einem Karabinerhaken. 20 bange Minuten am Radio, die spannender als jeder Krimi sind: Der Einsatz des Kultmasseurs Hermann Rieger nutzt nichts mehr. Jakobs hat sich so schwer verletzt, dass er zum Sportinvaliden wird.
Spieler zahlen hohe Prämien
An diesem Freitag ist die Bundesliga wieder gestartet, und es wird neue Helden, herbe Enttäuschungen, geniale Spielzüge und bösartige Fouls geben. Für spezialisierte Versicherungsvermittler aber ist die Arbeit getan. Sie haben ihr sogenanntes Renewal, die jährlichen Vertragsanpassungen, hinter sich. Hauptaufgabe: die mehr als 400 Bundesligaspieler gegen Verdienstausfälle abzusichern – durch Krankentagegeld bei längeren Verletzungen und durch eine Deckung gegen Sportinvalidität, wie sie Jakobs’ Karriere nach 493 Bundesliga- und 20 Länderspielen beendet hat.
„Das Produkt wird nachgefragt, ohne dass wir aktives Marketing betreiben“, sagt Michael Walther, verantwortlicher Produktmanager der Ergo. Nur ein halbes Dutzend Anbieter stehen miteinander im Wettbewerb um Prämien: neben der Ergo die Rückversicherer Hannover Rück und Swiss Re, die Targo Lebensversicherung und der Versicherungsmarkt Lloyd’s in London. „Spieler, Berater oder Spielerfrauen rufen an. Abgeschlossen wird das Produkt über Versicherungsvermittler“, sagt Walther.
Rechtlich sind Bundesligaspieler Angestellte. Ihnen steht also im Verletzungsfall eine Lohnfortzahlung von sechs Wochen zu. Danach können sie sich mit Krankentagegeldversicherungen schützen, wie sie die Allianz und die Ergo-Gesellschaft DKV anbieten. „Wegen der hohen Verletzungsanfälligkeit zahlen die Spieler hohe Prämien“, sagt Stefan Gericke, Sportfachmann des Versicherungsmaklers Aon. Im Jahr 2002 hat das internationale Unternehmen, das Manchester United sponsert, eine eigene Sportabteilung mit heute neun Mitarbeitern aufgebaut. 180 Bundesligaspieler haben über Aon ihren Versicherungsschutz gefunden. Die Beiträge richten sich nach dem Einkommen, das Spielern bei einem Ausfall entgeht, nach dem Alter und Vorerkrankungen. „Ein junger gesunder Spieler zahlt weniger Prämie“, sagt Gericke.
Nicht die spektakulären Verletzungen führen zur Invalidität
Der Schutz gegen Verletzungen in Form eines Krankentagegeldes kostet oft etwa 5 Prozent der Versicherungssumme. Wer eine Million Euro absichern will, kann sich auf Kosten von 50.000 Euro einstellen – wenn der Spieler noch keine schwereren Verletzungen hatte. Für eine Police gegen Sportinvalidität, die gute Anbieter mit einer Mitwirkungsklausel für Vorverletzungen anbieten, können Spieler um die 0,6 Prozent der Versicherungssumme veranschlagen. Oft wird das Drei- bis Fünffache des Jahresgehalts als Versicherungssumme abgesichert. „Der Spieler muss ja oft einige Jahre überbrücken, um sich ein neues Standbein aufzubauen“, sagt Ergo-Manager Walther.
Oft sind es nicht die spektakulären Fouls oder Zusammenstöße, die zur Invalidität führen. Eher setzt der schleichende Verschleiß von Bändern und Gelenken Fußballern zu. „Insgesamt ist das Risiko, Sportinvalide zu werden, in den vergangenen Jahren geringer geworden“, sagt Aon-Fachmann Gericke. Durch den medizinischen Fortschritt lässt sich so manches Knie wieder aktivieren. Tatsächlich machen Verletzungen am Kniegelenk 47 Prozent der Unfälle von Profis aus. „Parallel gibt es meist etwa 20 laufende Fälle, in denen wir Krankentagegeld abrufen. Seit 2002 hatten wir 16 Invaliditätsfälle“, sagt Gericke.
Anspruchsvolle Risikoprüfung
Die Ahnengalerie der Sportinvaliden im Fußball liest sich wie eine Truppe, die zusammen (wären sie etwa im gleichen Alter) gut und gern um die deutsche Meisterschaft mitspielen würde: Mit Jakobs teilen das Schicksal prägende Bundesligaprofis wie Matthias Sammer, Sebastian Deisler, Heinz Flohe, Holger Hieronymus, Norbert Dickel, Hans-Dieter Flick, Uli Hoeneß und Karsten Bäron.
Dass sich so wenige Versicherer diesem Risiko aussetzen, hat mit der hohen Komplexität der Aufgabe zu tun. „Die Risikoprüfung ist sehr anspruchsvoll wegen der Vielzahl an vorherigen Verletzungen und weil schon kleinste Verletzungen das Karriereende bedeuten können“, sagt Michael Walther von der Ergo. Dagegen kann der Anbieter sein moralisches Risiko (Moral Hazard) minimieren, denn die meisten Spieler setzen nach einer Verletzung alles daran, dass der Versicherungsfall nicht eintritt. Ditmar Jakobs hat im September 1989 dagegen mehr an den Ball als an seinen Körper gedacht. Nachdem das Spiel wieder angepfiffen wurde, erzielten seine Mannschaftskameraden noch vier Tore und schickten Werder Bremen mit 4:0 nach Hause.