Fachärzte im Test : Kassenpatienten müssen lange auf einen Termin warten
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Bild: F.A.S.
Kassenpatienten brauchen immer noch sehr viel Geduld, bis sie einen Termin beim Facharzt bekommen. Das hat ein Test der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ergeben. Doch die Ärzte wollen daran nicht schuld sein.
Die Geschichte, ohne die es diesen Artikel nicht gäbe, ist in der vergangenen Woche passiert. Da ruft eine Freundin beim Frauenarzt an, zu dem sie schon seit Jahren geht. Sie will einen Termin zur Vorsorge, er ist dringend fällig. Angeboten wird ihr – der Oktober. Wartezeit: vier Monate.
Und dann ist da noch die Geschichte von dem Bekannten, der Probleme mit dem Herzen hat. Sein Hausarzt überweist ihn Anfang Januar zum Kardiologen. Er bekommt einen Termin – für Ende Mai. Wartezeit: viereinhalb Monate.
Einzelfälle – könnte man denken. Wenn nicht jeder, der gesetzlich versichert ist, solche Geschichten erzählen könnte. Und wenn nicht jeder Hausarzt die Patienten kennen würde, die einfach keinen Orthopäden finden. Ist es normal in Deutschland, dass man nicht nur Wochen, sondern sogar Monate warten muss, bis ein Facharzt einem Aufmerksamkeit widmet?
Die Ärzte sagen: Nein, das sind bedauerliche Einzelfälle. In Deutschland sei langes Warten auf Arzttermine kein großes Problem. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verweist gerne auf eine Umfrage, laut der 80 Prozent der Patienten innerhalb von drei Wochen einen Termin bekommen. Außerdem würden Wartezeiten sehr subjektiv empfunden. Soll heißen: Einige Patienten warten gerne.
Kein Service wie er vom Gesetzgeber bald verlangt wird
Die Politik sieht es anders: Der Gesundheitsminister bereitet gerade ein Gesetz vor. Es soll Patienten garantieren, dass sie innerhalb von vier Wochen beim Facharzt vorgelassen werden – sonst müssen die niedergelassenen Ärzte dem Patienten eine Behandlung in der Klinik bezahlen. Gibt es doch ein Problem mit Wartezeiten?
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wollte es genau wissen und hat Stichproben gemacht. In der vergangenen Woche haben wir angerufen bei Orthopäden, Kinderärzten, Frauenärzten, Hautärzten, Psychotherapeuten und Augenärzten in zehn Städten in Deutschland. Wir haben uns als privat und als gesetzlich Versicherte ausgegeben. Stets erzählten wir eine typische Geschichte: Wir hatten Rückenschmerzen beim Orthopäden, unsere Augen waren schlechter geworden beim Augenarzt, wir baten um einen Vorsorgetermin beim Frauenarzt. Insgesamt wurden 120 Termine angefragt, um zu testen: Stimmt es, was die Ärzte behaupten? Sind lange Wartezeiten kein Thema?
Das Ergebnis ist eindeutig: Lange Wartezeiten sind ein Thema. Vierzig Prozent unserer Anrufe endeten damit, dass wir entweder keinen Termin bekamen oder bloß einen, der mehr als vier Wochen in der Zukunft lag. Das bedeutet, dass vier von zehn Patienten derzeit noch nicht den Service erhalten, den der Gesetzgeber von den Fachärzten bald verlangen will. Und in diesen Zahlen sind die Privatversicherten schon eingeschlossen. Schaut man nur die Kassenpatienten an, so wird das Ergebnis katastrophal: Von ihnen bekam mehr als die Hälfte entweder gar keinen Termin oder einen mit mehr als vier Wochen Wartezeit.
Privatpatienten kommen doppelt so schnell an die Reihe
Dabei ging die Spanne weit auseinander. Zwei Ärzte boten uns an, „gleich heute“ noch zu kommen – allerdings hatten wir uns da als Privatversicherte ausgegeben. Bei einem Orthopäden offerierte man uns großzügig einen Termin am 12. November – mit fester Uhrzeit. Wartezeit: stolze fünf Monate. Wahrscheinlich hoffte man, dass unsere Rückenschmerzen bis dahin abklingen.
Termine im September kamen öfter vor – Wartezeit drei Monate. Ganz abenteuerlich wurde es bei einem Psychotherapeuten, der uns bat: „Rufen Sie doch im September noch einmal an!“
Besonders restriktiv waren im F.A.S.-Test die Kinderärzte und Psychotherapeuten. Hier wurden wir von jeder dritten Praxis rundweg abgelehnt. Die Orthopäden regelten die Sache eher durch extrem lange Wartezeiten: Im Durchschnitt bekam man einen Termin in fünfeinhalb Wochen, Kassenpatienten sogar erst in sieben Wochen.