Digitalisierung : Wüstenrot entwickelt neue Digitalmarke
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Der Versicherungsriese Wüstenrot plant für diesen Herbst eine Drittmarke an den Start zu bringen. Bild: dpa
Der Versicherungskonzern Wüstenrot ist dabei, eine eigene Digitalmarke zu etablieren - und das diesen Herbst noch. Die angestrebte Drittmarke soll vor allem eine Zielgruppe ansprechen.
Die Digitalisierung treibt die Versicherungsbranche um. Der in Stuttgart ansässige Finanzkonzern Wüstenrot & Württembergische AG (W&W) plant eine eigene Digitalmarke und will mit ihr noch in diesem Herbst an den Start gehen. „Um neue Zielgruppen zu erschließen sind wir dabei, eine eigene Drittmarke zu etablieren. Die ist auf eine online-affine Zielgruppe zugeschnitten, die im Internet vergleichen und abschließen will“, sagte Vorstandsvorsitzender Jürgen Junker vor kurzem. Er übernahm den Posten Anfang des Jahres und treibt die Ausrichtung des im S-Dax notierten Unternehmens auf das digitale Zeitalter weiter voran. Die Stammaktie des Unternehmens notierte vor einem Jahr bei 17,84 Euro, und am Dienstagnachmittag wurde das Papier mit 21,80 Euro gehandelt. In dem Zeitraum wurde der Anteilschein auch schon einmal mit 22,82 Euro notiert.
Alle von der Finanzagentur Bloomberg befragten Analysten erwarten in den nächsten zwölf Monaten einen Kurs zwischen 23 und 25,50 Euro. Sie sprachen sich einheitlich dafür aus, das Papier im Depot zu behalten und auch zu kaufen. Der Finanzkonzern konnte den Überschuss im ersten Halbjahr um 28 Prozent auf 155 Millionen Euro steigern. Hauptgrund waren die niedrigen Schäden in der Sachversicherung. „Den Rückenwind bei den Ergebnissen können wir gut gebrauchen. Er sichert uns nicht zuletzt Handlungsspielraum, um die erforderlichen hohen Investitionen im Zuge der Digitalisierung aus eigener Kraft zu realisieren“, erklärte Junker bei der Vorlage der Zahlen.
Er bekräftigte die Ende Juni angehobene Prognose, wonach der Gewinn den Vorjahreswert von 235 Millionen Euro „erkennbar“ übersteigen soll. Die Wüstenrot Bausparkasse bekam hingegen die Auswirkungen der niedrigen Zinsen zu spüren, welche die Branche allgemein belasten – auch wenn der Rückgang den Angaben zufolge nicht so stark ausfiel wie am Markt insgesamt. Das Brutto-Neugeschäft – also das Volumen neu unterzeichneter Verträge – lag bei knapp über 7 Milliarden Euro. Der Vorjahreswert von 7,64 Milliarden Euro sei wegen Sondereffekten durch einen Tarifwechsel aber auch sehr hoch gewesen, betonte W&W. In der Baufinanzierung legte das Neugeschäft um 8,2 Prozent zu.
Generell rechnen die deutschen Versicherer im laufenden Jahr mit einem moderaten Einnahmeplus. In der Sparte Lebensversicherung soll der Beitragsrückgang geringer ausfallen als im Vorjahr. In der Sparte Schaden und Unfall wird nach Verbandsangaben ein Beitragsplus von rund 3 Prozent erwartet. Die private Krankenversicherung dürfte um rund 4 Prozent zulegen.
Der Bauspar- und Versicherungskonzern will bei seiner geplanten Digitalmarke das Angebot rasch ausweiten. Junker sagte im Sommer: „Wir haben weitere Produkte in der Pipeline und sind dabei, auch die Themen Lebens- und Krankenversicherung für die Marke abzubilden.“ Das zweite Produkt neben der Haftpflicht soll aber erst Anfang kommenden Jahres auf den Markt kommen. Der Finanzkonzern plant, in den nächsten drei Jahren hundert Millionen Euro in digitale Projekte zu investieren. Dabei geht es auch um die Entwicklung von Geschäften übers Handy. Dazu wurde die Mehrheit an dem Start-up Treefin gekauft. Vorreiter in Sachen Digitalisierung war in dem Konzern die Wüstenrot-Bank. Das wird sich in Zukunft möglicherweise ändern, weil für die Bank alle Optionen geprüft werden – auch der Verkauf. Die Analyse der Optionen hängt wesentlich mit der im Jahr 2017 vorgenommenen Verlagerung des Baufinanzierungsgeschäfts auf die Wüstenrot Bausparkasse AG zusammen, die jetzt auch Pfandbriefe begebe. Beide Aktivitäten hat das neue Bausparkassengesetz ermöglicht. Als wichtigste Interessenten für die Bank gelten die Finanzinvestoren Cerberus sowie Apollo. Eine Entscheidung zu diesem Thema sei noch nicht gefallen, sagte ein Sprecher des Finanzkonzerns auf Anfrage.
Ankeraktionär des Unternehmens ist die Wüstenrot-Stiftung, die 66,3 Prozent der Anteile hält. Der Streubesitz beträgt 23,7 Prozent, und institutionelle Anleger halten weitere 10 Prozent der Aktien. Und die Marktkapitalisierung betrug aktuell knapp über 2 Milliarden Euro. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) empfahl den Kauf des Papiers und nannte 23 Euro als Kursziel. Das Risikoprofil des Konzerns sei in Summe recht konservativ. Dies gelte vor dem Hintergrund der guten Diversifikation mit Blick auf die Geschäftsfelder, der risikoarmen Kapitalanlagestrategie und dem stabilen wirtschaftlichen Umfeld im Heimatmarkt Deutschland.
Die Commerzbank hatte die Einstufung des Unternehmens nach Veröffentlichung der Zahlen Mitte August gleichfalls auf „Kaufen“ mit einem Kursziel von 25 Euro belassen. Analyst Michael Dunst hob aber seine Schätzungen für den Gewinn je Aktie nach einem besser als erwartet ausgefallenen zweiten Quartal an. Das Analysehaus Montega gibt gleichfalls 25 Euro als Kursziel vor. Dass es bislang keine konkret bezifferte Aussage zum erwarteten Jahresüberschuss des Finanzkonzerns gab, liegt nach Montega-Angaben wohl darin, dass sich wesentliche Faktoren wie Schadensverlauf oder auch Kapitalmarktentwicklung nicht einfach fortschreiben lassen.