Kulturwandel in der Branche : Versicherer belohnen weniger als früher
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Auch Kreuzfahrtreisen sind als Ansporn für Vermittler üblich. Bild: pa/obs/Hapag-Lloyd Kreuzfahrten
Nach Exzessen der Vergangenheit werden Incentivereisen für erfolgreiche Vermittler vorsichtiger eingesetzt. Dennoch gibt es auch innerhalb der Branche noch Kritik an den Belohnungsreisen.
Früher war die Welt der Versicherungsmakler schöner: Hubschrauberflüge über New York, Eselreiten durch Irland oder Shopping-Wochenenden in Paris - solche Belohnungsreisen gehörten nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr für viele dazu. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Nicht erst mit der Ergo-Affäre in Budapest, wo Vertriebspartner auf Unternehmenskosten von Prostituierten verwöhnt wurden, hat ein Umdenken eingesetzt. Der Verbraucherschutz spielt eine immer wichtigere Rolle in der Regulierung von Vermittlern. Der Branchenverband GDV hat einen Verhaltenskodex ausgearbeitet, dem die große Mehrheit der Unternehmen beigetreten ist. Hinzu kommt, dass in der Nullzinssituation immer schwerer Erträge zu erzielen sind. Teure Incentives stehen dadurch unter einem größeren Rechtfertigungsdruck.
Wie weit geht der Kulturwandel in der Branche? Steht heute tatsächlich mehr die Beratung als der Verkauf im Vordergrund, wie es Politik und Branchenkritiker verlangen? „Verbraucherschützer haben heute eine erhöhte Sensibilität, die Qualität der Produkte und der Beratung zu hinterfragen“, sagt Jens Hasselbächer, Vertriebsvorstand der Axa Deutschland. Für den Wandel in der Branche sieht er die Enthüllungen über die Budapest-Reise im Mai 2011 allerdings nicht als Zäsur. Vielmehr habe schon früher ein Umdenken eingesetzt. Schon 2003 habe die Axa wie viele andere Gesellschaften für ihr Sachversicherungsgeschäft die Vertriebsprovisionen abgeschafft. Frühzeitig seien auch schon Erkenntnisse über stornierte Verträge eingeflossen, als es darum ging, die stärksten Vertriebler für ihre Leistung zu belohnen.
Belohnungsreisen fallen heute bescheidener aus als früher. Die Axa hat die Zahl der Teilnehmer reduziert und gibt 20 bis 30 Prozent weniger für diesen Zweck aus. Auch die Ergo hat abgespeckt: Der Düsseldorfer Konzern führte eine Kostenobergrenze ein, Reisen außerhalb Europas gibt es nicht mehr, mindestens 50 Prozent der Teilnehmer müssen ihren Lebenspartner mitbringen, sonst wird die Reise abgesagt. Marktführer Allianz stellt die gemeinsame Arbeit mit den erfolgreichen Vertriebspartnern in den Vordergrund. „Wir haben unsere Reisen konzeptionell neu geordnet: Vorträge von Mitgliedern der Geschäftsleitung, Diskussionen zu fachlichen oder geschäftspolitischen Fragen sowie Workshops zum Beispiel zu unternehmensstrategischen Vorhaben sind wichtiger Bestandteil dieser Reisen“, sagt eine Sprecherin der Allianz Deutschland.
Ganz auf Incentives zu verzichten, hält Axa-Manager Hasselbächer indes nicht für notwendig. „Vertrieb funktioniert immer über Anreize. Wenn die richtigen Kriterien zugrunde liegen, ist das vernünftig“, sagt er. Es könne also nicht nur um den Umsatz allein gehen, das Geschäft eines Vertriebspartners müsse nachhaltig sein und sich durch feste Bestände ohne hohe Kündigungszahlen auszeichnen. Dennoch werde bei den Reisen darauf geachtet, erfolgreichen Vermittlern auch etwas zu bieten, was sie sich privat vielleicht nicht leisten würden.
Kritik an den Belohnungsreisen
„Es hat sich einiges gewandelt in der Branche“, beobachtet Michael Heinz, Präsident der Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute und Mitinitiator des Vereins Ehrbarer Versicherungskaufleute. Versicherer böten Maklern gar keine Incentives mehr an, auch unter ihren firmenverbundenen Vertretern gehe die Tendenz deutlich zurück. „Das Problem ist: Die Vermittler wollen es als Gemeinschaftserlebnis mit erfolgreichen Leuten“, sagt Heinz. „Aber es ist an die falschen Kriterien geknüpft.“ Noch immer stehe der Umsatz im Vordergrund. Andere Aspekte wie zum Beispiel erfolgreiche Präventionsstrategien in der Schadenversicherung würden zu wenig berücksichtigt. „Wir können keinen Verein der Ehrbaren Kaufleute gründen und gleichzeitig weiter Incentives unterstützen“, sagt BVK-Präsident Heinz. „Aber zumindest kann man Vermittler anders belobigen. Leider herrscht weiter das olympische Motto ,Höher, schneller, weiter‘ vor.“
Der Verhaltenskodex des GDV gilt vielen Kritikern als wachsweiches Instrument, um Selbstverständlichkeiten in der Branche als Standard zu etablieren. In den elf Punkten des Kodex geht es zum Beispiel darum, dass Versicherer beim Abwerben von Kunden bestimmte Kriterien einhalten sollen, um Anforderungen an die Dokumentation von Beratungsgesprächen und darum, dass unabhängige Makler keine Sondervergütungen erhalten dürfen, wenn sie bestimmte Umsatzziele überschreiten. Etwas mehr Verbindlichkeit bekam der Kodex erst, als die Mitgliedschaft daran geknüpft wurde, dass sich die Unternehmen von einem Wirtschaftsprüfer testieren lassen müssen, ob sie die Vorgaben angemessen umgesetzt haben. Wenn Unternehmen ganz besonders ambitioniert sind, können sie zudem überprüfen lassen, ob die Maßnahmen auch wirksam sind. Das hat nur eine Handvoll Gesellschaften gemacht - darunter die Württembergische, die vom GDV-Präsidenten Alexander Erdland geführt wird, und die Ergo. „Der Verhaltenskodex hatte keine großen Auswirkungen, weil wir einige Themen schon seit 2008 angegangen sind“, sagt eine Ergo-Sprecherin. „Der Kodex dokumentiert nur unseren Wandel.“
Dennoch gibt es auch innerhalb der Branche noch Kritik an den Belohnungsreisen. „Seit wir den Kodex unterschrieben haben, machen wir es nicht mehr“, sagt Bernhard Rapp, stellvertretender Deutschland-Chef der Canada Life. Als reiner Maklerversicherer (ohne eigene Vertreter) hat er eine besondere Rolle - er muss sich nicht gegenüber firmenverbundenen Vertrieblern intern rechtfertigen. Früher noch waren auch bei der Canada Life Reisen zur Europa-Zentrale nach Dublin oder zum Konzernsitz in Kanada üblich. Das ist nun vorbei. Bei den Maklern habe es keine Proteste gegeben. „Hier ist die Akzeptanz da, dadurch verlieren sie kein Geschäft“, sagt Rapp.
Umsatzvorgaben für den Vertrieb sind nicht abgeschafft - liest man den Verhaltenskodex genau, sind auch Sonderbonifikationen für bestimmte Umsatzziele nur gegenüber Maklern unzulässig. Dennoch sind Versicherungsmanager deutlich vorsichtiger geworden. „Aus Gesprächen mit Vorständen weiß ich, dass sie ein Bewusstsein dafür haben“, sagt BVK-Präsident Heinz. „Sie sehen Incentives als Vertriebsfeder, aber haben Angst vor Exzessen.“