Urteilsverkündung in Karlsruhe : Die Grundsteuer steht auf der Kippe
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Wertvolle Einnahmequelle für Kommunen: eine Neubausiedlung in Nordrhein-Westfalen Bild: dpa
An diesem Dienstag fällt das Bundesverfassungsgericht das Urteil zur Grundsteuer. Sollte die bestehende Regelung tatsächlich kippen, droht Kommunen der Verlust einer wichtigen Einnahmequelle.
Den Kommunen drohen deutliche Einnahmeausfälle, wenn die Verfassungsrichter die Grundsteuer tatsächlich kippen sollten und sich anschließend Bund und Länder nicht rechtzeitig über eine Neuregelung verständigen können. Die Verfassungsrichter machten in der mündlichen Verhandlung Mitte Januar keinen Hehl daraus, was sie von einem Gesetz halten, das Immobilien mit Bewertungskriterien von 1964 bewerten lässt. Im Osten gelten sogar Werte von 1935. An diesem Dienstag verkündet das höchste Gericht seine Entscheidung.
Dass es das geltende Recht einfach durchwinken wird, erwartet spätestens nach der mündlichen Verhandlung eigentlich niemand mehr ernsthaft. Wenn die Richter tatsächlich die tragenden Elemente der Grundsteuer als verfassungswidrig einstufen werden, müsste in kurzer Frist geheilt werden, was über Jahrzehnte versäumt wurde: eine gleichmäßige Belastung der Eigentümer und Mieter. Für die Kommunen stehen 10 bis 16 Prozent ihrer Einnahmen auf dem Spiel, wie ein Vertreter Nordrhein-Westfalens in Karlsruhe berichtete.
Neubewertung von rund 35 Millionen Grundstücken
Der Gesetzgeber hatte sich eigentlich verpflichtet, die Werte, die der Grundsteuer zugrunde liegen, alle sechs Jahre zu aktualisieren, doch dazu kam es nie. Die Folge ist eine massive Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen, da der Besteuerung Werte zugrunde gelegt werden, die wenig bis gar nichts mit den Marktwerten zu tun haben. Das wiederum betrifft alle: Villenbesitzer, Nutzer von Eigentumswohnungen, aber auch Mieter, da die Vermieter die Grundsteuer auf diese umlegen dürfen.
Der Bund der Steuerzahler geht nach eigenem Bekunden davon aus, dass die Karlsruher Richter die geltenden Regeln für verfassungswidrig erklären. Rund 35 Millionen Grundstücke müssten dann in Deutschland neu bewertet werden. In der mündlichen Verhandlung schätzte der damalige Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister (CDU) den Zeitaufwand für ein neues Bewertungsgesetz samt notwendiger Datenerhebung auf ungefähr zehn Jahre. Die Länder beurteilten den Zeitbedarf ähnlich. Es ist schwer vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht ihnen so viel Zeit zugestehen wird. Mehrere Senatsmitglieder nannten es eine „Zumutung“, sich nach der Vorgeschichte eine lange Übergangszeit zu erbitten.
„Der Bund ist leider untätig geblieben“
Über Jahrzehnte haben die Länder erfolglos über eine Neuregelung verhandelt. Die Mehrheit der Länder hatte sich schließlich vergangenes Jahr auf eine Reform verständigt, nach der Grund und Boden mit dem Richtwert und die Gebäude pauschal mit den Herstellungskosten unter Berücksichtigung des Alters angesetzt würden. Dagegen waren Bayern und Hamburg, so dass der Gesetzentwurf nicht über den Bundesrat hinauskam. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) baute nach der für die beteiligten Politiker unangenehm verlaufenen mündlichen Verhandlung schon einmal vor: „Sollte es dazu kommen, dass die Steuer sogar ausgesetzt werden muss, ist klar, wer den Kommunen diesen immensen Schaden ersetzen müsste. Die Länder haben ihre Hausaufgaben gemacht. Der Bund ist leider untätig geblieben.“
Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, befürwortet eine schlanke Lösung, wenn die Karlsruher Richter wie bei der Erbschaftsteuer eine knappe Frist setzen sollten. Man könnte schlicht auf den Wert des Grundstücks abstellen. Damit würde man sich sparen, jede einzelne Immobilie zu bewerten. Das wäre nach seinen Worten eine „Heidenarbeit“, für die in den etwa 600 Finanzämtern in Deutschland derzeit das Personal fehle. Die Grundstücke seien dem Fiskus ohnehin bekannt. Für den Bund der Steuerzahler muss eine Reform „schnell her und einfach umsetzbar sein“. Peter Tschentscher (SPD), einst Finanzsenator in Hamburg, heute Erster Bürgermeister der Hansestadt, schlug Mitte Januar in Karlsruhe eine flächenbezogene Grundsteuer vor. Diese könnte nach seinen Worten in ein bis zwei Jahren eingeführt werden.