Wegen Bürokratie : Abschied von der Bankberatung
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Gehört das Beratungsgespräch bald der Vergangenheit an? Bild: Getty Images/Vetta
Kunden sollen besser beraten werden, verfügte die Regierung. Die Sache ging gründlich daneben: Vor lauter Bürokratie verabschieden sich die Bankberater von der Beratung.
Wer in letzter Zeit bei seiner Bank ein Wertpapierdepot eröffnen wollte oder auch nur ein paar Aktien gekauft hat, der kennt das Theater. Seitenweise Formulare sind auszufüllen. Dazu ein Bankberater, der das alles nur ironisch kommentiert. „Wie viel Geld brauchen Sie zum Lebensunterhalt? Schätzen Sie doch einfach mal.“ „Wie viel verdienen Sie im Monat? Ob allein oder mit Ehefrau, das ist egal.“ „Man kann Sie doch als risikofreudig bezeichnen oder? Das ist notwendig, damit wir hier weitermachen können.“ Und das alles in einem Ton, der sagt, wir haben das nicht erfunden, hoffentlich haben wir es bald hinter uns.
Alltag in deutschen Banken: Seit dem Jahr 2010 sind in Deutschland schrittweise immer strengere gesetzliche Regelungen für die Bankberatung beim Wertpapierkauf eingeführt worden. Jeder Beratungsschritt muss minutiös protokolliert werden. Die Banken müssen für jede Aktie, die sie empfehlen, und sei sie noch so exotisch, einen detaillierten Beipackzettel vorrätig halten – das sogenannte Produktinformationsblatt. Und wenn ein Kunde mit der Bankberatung unzufrieden ist, dann kann er sich bei der Bankenaufsicht Bafin beschweren, und der Berater bekommt so etwas wie Punkte in Flensburg, die ihn schlimmstenfalls den Berater-Führerschein kosten können.
All das war eine Reaktion auf die unglaublichen Erfahrungen der Finanzkrise. Nie wieder, so der Wunsch der Politiker, sollten gierige Banker arglose Mütterchen in riskante Lehman-Zertifikate treiben, obwohl diese eigentlich nur ihren Spargroschen im Tresor sicher verwahrt wissen wollten.
Neue Angst vor der Faulheit
Doch der gut gemeinte Versuch, die Bankberatung ein bisschen verbraucherfreundlicher zu machen, hatte offenbar unbeabsichtigte Nebenwirkungen. Nicht nur, dass Kunden und Berater zunehmend genervt sind. Es wird insgesamt auch einfach weniger beraten.
So mancher Bankberater geht offenbar den bequemsten Weg: Er empfiehlt seinen Kunden einfach solche Produkte, bei denen die Beratung weniger Aufwand bedeutet und bei denen das Risiko für ihn geringer ist. Also lieber den Sparvertrag aus dem eigenen Haus mit mickrigen Zinsen, die von der Inflation aufgefressen werden, als das Wertpapierdepot mit Aktien, obwohl dieses dem Kunden etwas mehr Rendite bringen könnte.
Die Bankberatung hat sich also geändert. Aber kundenorientierter ist sie nicht geworden. Während Bankkunden früher Angst haben mussten, dass ihnen der Bankberater ein Schrottzertifikat andreht, weil er dafür eine hohe Provision bekommt, muss man heute auf der Hut sein, dass er nicht aus Faulheit ein Produkt verkauft, für das er möglichst wenig Protokolle ausfüllen muss.
Keine Beratung für Einzelaktien mehr
Unmut ist bei Beratenen wie Beratenden gleichermaßen zu spüren. „Verbraucher geschützt, Beratung abgeschafft“, lästern Banker wie Werner Haimerl von der kleinen Sparkasse Freyung-Grafenau im Bayerischen Wald über die Folgen der gesetzlichen Verbraucherschutz-Maßnahmen. In der Provinz werde Wertpapierberatung jetzt nur noch betrieben, „wenn es unbedingt nötig ist“.
Propaganda? Eine Schutzbehauptung der Branche, die gern diese für sie lästigen gesetzlichen Regelungen wieder los würde? Immerhin gibt es Zahlen, die zeigen, dass tatsächlich weniger Beratung stattfindet – wie auch immer sich die Gründe dafür genau zusammensetzen.
Die DWP Bank, das größte deutsche Abwicklungsinstitut für den Wertpapierhandel von Sparkassen, Volksbanken und 30 private Banken, hat ermittelt: Bei den 160 meistgehandelten Aktien in Deutschland erfolgen nur noch rund zwei Prozent aller Käufe nach einer Wertpapierberatung. Noch 2009, vor der Einführung der neuen Regulierung, seien es etwa zehn Prozent gewesen.