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Direkt-Investments : Milliardengrab Frachtcontainer

Container an Container: Hier wartet Fracht im Umschlaghof in Ulm. Bild: dpa

Der Marktführer für Containervermittlung muss Insolvenz anmelden. Anleger müssen nun um 3,5 Milliarden Euro fürchten.

          3 Min.

          Was sich vor wenigen Tagen ankündigte, ist seit Montagmittag Gewissheit: Der Münchner Finanzdienstleister P&R ist insolvent. Zehntausende von Anlegern, die ihr Geld in das Geschäft mit Frachtcontainern gesteckt haben, müssen nun darauf hoffen, zumindest einen Teil ihres eingesetzten Kapitals wieder über ein Insolvenzverfahren zurückzuerhalten – bis zu 3,5 Milliarden Euro stehen im Feuer, so viel hat P&R an Anlegergeld verwaltet.

          Marcus Jung
          Redakteur in der Wirtschaft.
          Martin Hock
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Schon am Donnerstag vergangener Woche hätten drei Unternehmen des Finanzdienstleisters einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, bestätigte ein Sprecher des zuständigen Amtsgerichts München der F.A.Z. auf Nachfrage. Für die Insolvenzsachen „P&R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH“ und „P&R Gebraucht-Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH“ wurde der Münchner Rechtsanwalt Michael Jaffé zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (Az.: 1542 In 726/18 und 727/18). Philipp Heinke, ebenfalls in der anerkannten Insolvenzkanzlei Jaffé tätig, wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter der „P&R Container Leasing GmbH“ ernannt (Az.: 1542 In 728/17).

          Kurz nach Bekanntwerden der Meldung am Montag, über die zunächst das „Handelsblatt“ berichtete, war der Münchner Finanzdienstleister nicht mehr erreichbar. Auch auf eine Bitte um schriftliche Stellungnahme reagierte P&R bis zum Redaktionsschluss nicht.

          Das im Jahr 1975 gegründete Unternehmen betreute zuletzt eigenen Angaben zufolge für mehr als 51.000 Anleger ein Volumen von 1,25 Millionen Containereinheiten. Vereinfacht funktionierte das Geschäftsmodell so, dass die Kunden ihr Geld nicht in verschiedene Vermögenswerten anlegten – was zur Minderung von Ausfallrisiken geführt hätte –, sondern ausschließlich direkt in Frachtcontainer investierten.

          Sie wurden damit anteilig Eigentümer, P&R übernahm die Vermittlung für die Aufträge und garantierte für Mietzinseinnahmen. Nach Ablauf einer bestimmten „Gebrauchzeit“ kaufte der Finanzdienstleister die Behälter dann von den Anlegern wieder zurück. Alleine im vergangenen Jahrzehnt habe man so ein Verkaufsvolumen „von deutlich über 7 Milliarden Euro abgewickelt“.

          Im Laufe des Nachmittags erklärte Jaffé gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: „Als Marktführer in ihrem Segment betreuten die drei P&R Gesellschaften zuletzt rund 51.000 Anleger.“ Auf eine Prognose wollte sich der erfahrene Insolvenzverwalter, zu dessen bekannten Fällen die Kirch Medien Group zählt, nicht einlassen. „In welcher Höhe Rückflüsse an die Anleger möglich sind, hängt auch von der Marktentwicklung in den nächsten Jahren ab und lässt sich heute noch nicht sagen“, sagt Jaffé in München.

          Er kündigte an, den Betrieb der P&R-Unternehmensgruppe global fortführen zu wollen, um „Einnahmen zu erzielen und ein Verwertungskonzept“ zu erstellen. Seine Worte sollen Kapitalanleger vor vorschnellen Reaktionen schützen; zudem ist es normal, dass Insolvenzverwalter, gerade in der frühen Phase eines Verfahrens alle erdenklichen Varianten durchprüfen, darunter auch die Fortführung des Unternehmens – falls sich damit die Insolvenzmasse vergrößern lässt.

          Doch die Logistikbranche steht seit Jahren aufgrund von Überkapazitäten unter immensem Margendruck. Die Zahl der Container übersteigt die Nachfrage deutlich. Offenkundig teilte P&R die Erkenntnis lange nicht mit den Kapitalanlegern. Erst Anfang März teilte das Münchner Unternehmen seinen Kunden per Brief mit, dass fällige Miet- und Rückzahlungen nicht fristgerecht erfolgen könnten. Die vertraglich zugesicherten Auszahlungen würden sich verzögern.

          Einen geplanten Rückkauf von Containern musste P&R kurz darauf ebenfalls absagen. Zur Begründung soll P&R das überraschende Abspringen eines Geschäftspartners angegeben haben. Schon positionieren sich zahlreiche Anlegeranwälte: Sie weisen unter anderem darauf hin, dass die finanziellen Risiken der Kunden laut Emissionsprospekt nicht auf die Ausfallrisiken beschränkt sind. Der Fall P&R könnte sich also zu einem der größten Anlegerskandale der vergangenen Jahre entwickeln.

          Es ist nicht der erste Fall einer Insolvenz eines Anbieters von Containermieten. Im Mai 2016 ging der Anbieter Magellan Maritime mit 8800 Anlegern in die Insolvenz. Daraufhin war ein längerer Streit um die Frage des Eigentums an den Containern entbrannt. Der Insolvenzverwalter war seinerzeit zunächst davon ausgegangen, dass sich die Container nicht rechtswirksam im Eigentum der individuellen Anleger befanden.

          Das warf gleichzeitig die Frage auf, was das unmittelbare Eigentum an einem Frachtcontainer wert ist, der irgendwo auf den Weltmeeren unterwegs ist und wie solche Eigentumsrechte ohne einen (insolventen) Dienstleister überhaupt wahrgenommen werden könnten. Damit stellte sich letztlich die Frage nach dem Sinn eines solchen sogenannten Direkt-Investments, bei dem das individuell zurechenbare Eigentum eigentlich Sicherheit verleihen sollte.

          Am Ende legte der damalige Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt den Anlegern ein Angebot vor, ihre Container an einen Anbieter von Container-Fonds zu verkaufen. Dies wurde von fast allen Anlegern angenommen und könnte im Fall P&R Vorbildcharakter haben.

          Nicht alle Anleger von Magellan bekamen am Ende aber Geld zurück. Nur diejenigen Anleger erhielten Geld, deren Container auch vorhanden waren. Tatsächlich aber waren Container auch irreparabel beschädigt worden oder waren auf See über Bord gegangen. Wieder andere waren vom Hersteller nach der Insolvenz nicht mehr ausgeliefert worden, weil Magellan sie nicht bezahlt hatte. Und einige waren auch einfach nicht vorhanden.

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