Klumpenrisiko : Gefährliche Vorliebe für heimische Aktien
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Enge Sicht: Ausschnitt des Dax. Bild: dpa
Es gibt eine Grundregel für Anleger: das Geld über verschiedene Anlageklassen hinweg streuen. Doch gerade Vermögende setzen gefährlich oft alles auf eine Karte – und die Berater schauen nur zu.
Eine Standardregel für Anleger lautet, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Das bedeutet: Um Verlustrisiken zu begrenzen, sollte man sein Geld über verschiedene Anlageklassen hinweg streuen. Auch innerhalb der einzelnen Anlagen, seien es Aktien, Anleihen, Fonds, Immobilien oder Rohstoffe, ist eine Streuung ratsam. Ausgerechnet gut betuchte Anleger, die oftmals erfahrener sind in der Geldanlage als Kleinsparer, folgen diesem Rat freilich nur begrenzt. Beim Kauf von Aktien bevorzugen sie eindeutig Unternehmen aus ihrem Heimatland. Dies ergab eine Umfrage unter vermögenden Privatbankkunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, welche die Abteilung für Asset Management der Johannes Kepler Universität Linz im Auftrag der Liechtensteiner LGT-Bank durchgeführt hat.
Konkret bestand das Aktienportfolio der deutschen Umfrageteilnehmer im Durchschnitt zu 59 Prozent aus inländischen Titeln; die befragten Schweizer kamen sogar auf 67 Prozent. Diese hohen Quoten haben den Leiter der Studie, Professor Teodoro Cocca, überrascht. Er hält dieses Anlageverhalten für irrational: „Es geht um ein Gefühl der Sicherheit, das man bei heimischen Aktien zu haben glaubt. Diese werden als risikoärmer eingestuft“, sagt Cocca im Gespräch mit der F.A.Z. Doch diese Wahrnehmung sei verzerrt. „In Wahrheit haben die Anleger mit dieser enormen Übergewichtung ein höchst gefährliches Klumpenrisiko im Portfolio.“ Dieses Phänomen sei überall auf der Welt zu beobachten und trete unabhängig davon auf, ob ein Vermögensberater seine Finger im Spiel habe oder nicht. Daraus schließt Cocca: „Auch die Bankberater sind von der übertriebenen Heimatorientierung befallen.“ Cocca und seine Mitarbeiter haben insgesamt 360 Privatbankkunden befragt. Entscheidend für die Teilnahme war das frei verfügbare Anlagevermögen. Dieses musste in Deutschland und Österreich jeweils mehr als 500.000 Euro und in der Schweiz mehr als 900.000 Franken betragen.
Gegenüber der gleichen Erhebung aus dem Jahr 2016 hat sich der Anteil von Aktien im Anlageportfolio der Befragten praktisch nicht verändert – und das, obwohl sich die Märkte in den vergangenen zwei Jahren insgesamt gut entwickelt haben. Dies erklärt Cocca mit dem Spannungsfeld, in dem sich die Investoren befänden: Einerseits erachteten sie Aktien wegen der Niedrigzinsen als alternativlos; andererseits hielten sie Aktien aber für hoch bewertet und agierten daher lieber vorsichtig.
Mensch oder Maschine?
Die Daten aus der Umfrage zeigen überdies, dass die individuelle Risikoeinstellung der Kunden oft nicht mit dem subjektiv wahrgenommenen Risiko des eigenen Portfolios im Einklang steht. Das bedeutet: Der risikoaverse Anleger hat sein Geld nicht zwangsläufig risikoarm investiert. „Das bedeutet, dass die Bank den Kunden falsch einschätzt. Das dürfte eigentlich nicht sein“, urteilt Cocca. Die uralte Frage, ob man an der Börse Überrenditen erzielen kann, ohne zusätzliche Risiken einzugehen, wurde von den Befragten je nach Herkunftsland unterschiedlich beantwortet: Während Schweizer und Österreicher mehrheitlich meinen, dass es nicht möglich sei, den Markt zu schlagen, glauben die Deutschen eher nicht an die Effizienz der Märkte.
Eine weitere Erkenntnis der Studie lautet, dass persönliche Beratung im Kreis der Privatbankkunden weiterhin hoch geschätzt wird. Zwar werde das Standardangebot an digitalen Leistungen, etwa in der Kontoführung, zunehmend genutzt. Aber wenn es um sogenannte Fintech-Lösungen und Robo-Adviser geht, die automatisiert Anlageziele und -objekte auswählen, sind die Kunden deutlich zurückhaltender. Nach Aussage Coccas ist es also noch zu früh, das Totenglöckchen zu läuten für die klassischen Privatbanken mit ihrer Schar an Anlageberatern. Bis heute vertrauten die vermögenden Kunden eher dem Rat eines Menschen als einer Maschine.
Offenbar haben die alteingesessenen Vermögensverwalter gegenüber den forschen und noch weitgehend unbekannten Neulingen aus der digitalen Welt immer noch einen Vertrauensvorsprung. Finanzielle Stabilität ist nach Ansicht der befragten Kunden das wichtigste Merkmal, das Banken vorweisen sollten. So gesehen müssten die angestammten Finanzhäuser froh sein, dass ihnen im Nachgang zur Finanzkrise schärfere Eigenkapitalvorschriften auferlegt wurden. Doch stattdessen jammern sie über die aus ihrer Sicht überharte Regulierung. Im Gegensatz zum allgemein schlechten Image von Banken in der Öffentlichkeit zeigen sich die Befragten überwiegend zufrieden mit der Leistung ihrer jeweiligen eigenen Bank und deren Beratern. Allerdings zeigt sich auch eine gewisse Skepsis, wenn rund zwei Drittel der Befragten der Meinung sind, dass Banken vor allem auf sich selbst und nicht auf die Interessen der Kunden ausgerichtet seien. Während die Arbeit der Berater weiterhin gefragt ist, messen die Privatbankkunden dem Vorhandensein einer Filiale in ihrer Nähe nur noch wenig Bedeutung zu.