Gastbeitrag : Der Staat ist kein guter Anlageberater
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Karl Matthäus Schmidt ist Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank. Bild: obs
Was wäre, wenn der Finanzberater keine Provision erhält – sondern vom Kunden direkt bezahlt wird? Der Vorstandsvorsitzende der auf Honorar beratenden Quirin Privatbank hält das für besser als den Staat zu involvieren. Ein Gastbeitrag.
Wer heute 25.000 Euro anlegen will, bekommt in herkömmlichen Banken keine vernünftige Anlageberatung mehr. Es finden keine Beratungs-, sondern Verkaufsgespräche statt. Da immerhin bin ich mit Volker Looman einig, der das in seinem Beitrag vergangene Woche über staatliche Finanzberater formuliert hat.
Durch die Provisionsorientierung der Finanzberatung sitzt der Kunde auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches – und wird regelmäßig über denselben gezogen. In anderen beratenden Berufen ist es selbstverständlich, dass der Berater zu 100 Prozent die Kundeninteressen vertritt. Niemand würde zu einem Steuerberater gehen, der vom Finanzamt bezahlt wird. Bei der Geldanlage hingegen vertrauen die Menschen Banken, obwohl sie von Fondsgesellschaften oder Versicherungen für den Verkauf derer Produkte bezahlt werden.
Was also tun? Sollte der Staat die Beratung selbst in die Hand nehmen? Nein, der Staat muss keinen zusätzlichen Berater-Apparat aufbauen. Die Qualität der Finanz- und Anlageberatung ließe sich auf andere Weise sehr viel schneller verbessern.
Warum wäre ein Provisionsverbot auch bei uns sinnvoll?
Der Interessenkonflikt des Beraters kann aufgelöst werden, indem er ausschließlich vom Kunden bezahlt wird. Der Vorteil des Kunden liegt auf der Hand: Er bekommt einen Anlageberater, dem er zu 100 Prozent vertrauen kann, und nebenbei günstigere und bessere Produkte. Das zeigen Analysen aus Ländern, in denen die unabhängige Beratung bereits etabliert ist, wie in Holland und England. Flankiert wird sie von einem Provisionsverbot – der Berater darf sich nicht von Produktanbietern bezahlen lassen. Dadurch haben sich die Qualität der Finanz- und Anlageberatung und die der angebotenen Produkte erheblich verbessert.
Warum wäre ein Provisionsverbot auch bei uns sinnvoll? Beim Autokauf kann ich eine Runde um den Block fahren, um die Funktionsfähigkeit des Wagens zu testen. Die Qualität einer Anlageberatung kann ich nicht testen, sie zeigt sich erst nach 10, 20 oder 30 Jahren. Deshalb ist die Finanzberatung ein Vertrauensgut und kein Gebrauchsgut. Verbraucher sind heute beim Autokauf übrigens besser geschützt als bei der Bankberatung, beispielsweise durch die Produkthaftung. Gegen ein Provisionsverbot gibt es hierzulande erhebliche Widerstände. Stets werden zwei Argumente bemüht. Erstens sei der Kunde angeblich nicht bereit, für Finanzberatung zu zahlen. Und zweitens soll ein Provisionsverbot dazu führen, dass Bürger mit geringen finanziellen Möglichkeiten nicht mehr beraten würden.
Der erste Punkt ist absurd – der Kunde zahlt auch heute schon für die vermeintliche Beratung, nur weiß er, im Gegensatz zu einer direkten Bezahlung eines unabhängigen Beraters, meist nicht, wie viel genau. Hier hilft zwar die höhere Transparenz, die MiFID II den Banken abverlangt. Um die tatsächlichen Kosten einer Anlage zu verstehen, müssten Anleger die oft sehr umfangreichen Gesamtkostenbescheinigungen genau studieren – die wenigsten tun das jedoch.
Übrigens ist ein Provisionsverbot nicht gleichzusetzen mit einer Honorierung nach Stunden. Stattdessen wird ein jährlicher Prozentsatz des angelegten Vermögens oder der Versicherungssumme vergütet.
Nicht mehr Staat, sondern mehr Ordnung
Aber auch für kleinere Vermögen gibt es keinen Grund, an dem Provisionsmodell festzuhalten. Oft wird zur Rechtfertigung das große Filialnetz vorgeschoben. Das soll die Beratung gerade für weniger vermögende Kunden sicherstellen – und ist gleichzeitig die gesetzliche Lücke, um weiterhin Provisionen zu vereinnahmen. Bessere Lösungen für eine flächendeckende Beratung aller Bürger gibt es bereits durch den Einsatz digitaler Lösungen. Standardisierte Produkte, die gut und günstig sind, stellen in Kombination mit persönlicher Betreuung vor Ort sicher, dass alle Menschen sich eine Beratung leisten können, nicht nur jene mit viel Geld.
Zumal viele Kunden heute explizit nach digitalen Lösungen suchen – ein Punkt, den Looman außer Acht lässt. Dank digitaler Produkte entkommen Anleger den teuren Produkten des stationären Provisionsvertriebs und haben am Ende mehr Geld. Wer beispielsweise 25.000 Euro günstig digital anlegt, hat nach 15 Jahren rund 35 Prozent mehr Vermögen erwirtschaftet als bei einer klassischen Aktienfondsanlage.
Digitale Anlagen treffen zudem den Nerv nachkommender Generationen, die ohnedies vermutlich gar nicht sparen und vorsorgen würden. Zunehmend setzen sich hybride Modelle durch, die digitale Anlage und Beratung vor Ort geschickt miteinander verbinden.
Wir brauchen also nicht mehr Staat, sondern weniger. Wir brauchen einen Ordnungsrahmen in Gestalt eines Provisionsverbots. Dieser wird am Ende die Qualität der Beratung erhöhen – und dank der Möglichkeiten der digitalen Anlage- und Beratungswelt wird kein Kunde auf der Strecke bleiben.