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Ratenkredite : Männlich, angestellt, in einer Beziehung und verschuldet

Umschuldung per App: Das schwedische Fintech Anyfin will die Zinslast von Schuldnern senken. Bild: Anyfin

Ein schwedisches Fintech hilft Ratenkäufern mit der Umschuldung. Das ist nicht ungewöhlich, aber Anyfin macht etwas anders als Banken.

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          Die Werbung ist verführerisch: „Kaufen Sie jetzt, bezahlen Sie später.“ Manch einer lebt da über seine Verhältnisse. Üblicherweise ein Mann zwischen 25 und 34 Jahren, der ein festes Arbeitsverhältnis hat, zur Miete wohnt und in einer Beziehung lebt. Geld, das er zum Zeitpunkt des Kaufs nicht hatte, gab er für Konsumentenelektronik – Smartphones oder Fernseher –, Kleidung und eben auch Reisen aus.

          Archibald Preuschat
          Redakteur in der Wirtschaft

          So gut kennt Nickie Povel ihre Kunden. Sie leitet Marketing und Kommunikation beim schwedischen Start-up Anyfin , das vor eineinhalb Jahren nach Deutschland expandiert ist, um Shopping-Opfern bei der Umschuldung zu helfen. Gegründet wurde das Start-up von drei Männern, die allesamt einige Jahre auf der Seite der Verführer gearbeitet haben, nämlich bei dem schwedischen Zahlungsabwickler Klarna: Mikael Hussain, Sven Perkmann und Filip Polhem.

          Der Kauf auf Rechnung, im Finanzbranchenjargon „Buy now – pay later“ (Kaufe jetzt – bezahle später) genannt, erfreut sich nicht nur in Skandinavien, sondern auch in Deutschland großer Beliebtheit. Laut Statista bezahlen 38 Prozent der Deutschen ihren Onlineeinkauf nicht sofort. Dies begründet sich auch damit, dass unter „Buy now – pay later“ auch der Kauf auf Rechnung gezählt wird, den Versandhändler schon lange vor der Onlineshopping-Ära eingeführt und populär gemacht hatten. 23 Prozent bezahlen ihren Einkauf nach einigen Wochen, heißt es von Statista. Weitere 15 Prozent zahlen aber eben nicht nach relativ kurzer Zeit, sondern in Raten: zinsfrei, aber eben auch zu Raten, deren Zins deutlich zweistellig sein kann und auch die Konditionen des Dispo in den Schatten stellt.

          Individueller Zinssatz

          Povel sieht hierzulande ein Potential von 27,6 Millionen Kunden für das Fintech, das beileibe noch nicht ausgeschöpft ist. Die Kundenzahl in Deutschland beziffert die Marketingverantwortliche eineinhalb Jahre nach dem Start auf „über 25.000“. Mit dem Geschäftsmodell, Kredite zu günstigeren Zinsen zu refinanzieren, steht Anyfin nicht allein da. Auch Vergleichsportale wie Verivox und Check24 haben solche Dienstleistungen und arbeiten mit mehreren Banken zusammen.

          Anyfin geht anders vor. Es berechnet die Bonität des Umschuldners individuell. Kriterien sind neben externen Daten, wie etwa von der Schufa, die Höhe des Einkommens und Arbeitssituation, aber eben auch das bisherige Zahlungsverhalten. Wer schon einmal seinen Kredit nicht bedienen konnte, muss auch bei der Umschuldung mit einem höheren Zinssatz rechnen als zuverlässige Kreditnehmer. So kann Anyfin einen Zinssatz von nur 6 Prozent berechnen oder eben auch 10 Prozent.

          Povel betont aber, dass der Kunde in jedem Fall spart. „Können wir den bisherigen Zinssatz nicht unterbieten, dann machen wir auch kein Angebot.“ Die Rechnung geht auch für Anyfin nicht immer auf, und es gibt Kreditausfälle. Wie hoch der Anteil ist, mag Povel nicht verraten, nur so viel: Man sei mit der Quote zufrieden. Eine deutsche Banklizenz, wie sie Anyfin noch im Sommer 2021 angestrebt hat, ist kein Thema mehr, sagt sie. Das Start-up arbeitet ausschließlich mit der schwedischen Erik Penser Bank zusammen. Die Marge aus der Kreditvergabe werde aufgeteilt. Und die ist nach der Zinswende gestiegen.

          Steigende Zinsen und eine galoppierende Inflation sind ein durchaus zweischneidiges Schwert für das Start-up, bewirken sie doch auch Konsumzurückhaltung – die Hälfte der Umschuldungen nimmt Anyfin im Bereich Ratenkredite vor. „Die Menschen befassen sich aber auch mehr mit ihren Verbindlichkeiten“, argumentiert Povel.

          Zumindest die Investoren um den Wagniskapitalgeber Northzone glauben an das Geschäftsmodell, pumpten sie vor einigen Tagen doch noch weitere 30 Millionen Euro in das Fintech, was in diesen Tagen keine Selbstverständlichkeit ist.

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