Private Rentenversicherung : Die Vorsorge-Lüge
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Das ganze Leben sparen und trotzdem im Bodenlosen: Von wem wird man im Alter aufgefangen? Bild: © Images.com/Corbis
Jahrelang wurden die Bürger zu privatem Sparen fürs Alter angehalten. Jetzt sorgen Mini-Zinsen für Verdruss. Und der Ruhestand gerät in Gefahr. Wie soll man überhaupt noch richtig vorsorgen?
Selbst der zuständige Minister, sonst kein Freund großer Worte, geriet beim Blick aufs neugeborene Werk ins Schwärmen. „Die größte Sozialreform der Nachkriegszeit“, so lobte der SPD-Politiker Walter Riester im Bundestag die staatlich geförderte Privatrente, die seither seinen Namen trägt. Am 26. Januar 2001 beschloss das Parlament das Gesetz, knapp ein Jahr später trat es in Kraft.
Millionen Deutsche sind mittlerweile dem Aufruf von Politik und Finanzbranche zu mehr Altersvorsorge gefolgt und sparen regelmäßig. Doch jetzt, elf Jahre später, ist der Frust groß. Nun zeigt sich: Auch die private Vorsorge ist nicht das Allheilmittel, um die Lücken der staatlichen Rente zu stopfen. Denn die privaten Rentenversicherungen werfen wegen der Finanz- und Euro-Krise zu wenig Zinsen ab. Sich auf sie zu verlassen reicht nicht aus, um den Lebensstandard im Alter zu erhalten. Die Bürger fühlen sich von der Politik verschaukelt. Da wird sogar die einst so schlechtgeredete staatliche Rente plötzlich wieder gelobt.
Genau deshalb wird die Debatte um die gesetzliche Rentenversicherung derzeit mit so viel Leidenschaft geführt: weil zumindest ein Grundstock der Alterssicherung, der nicht vom Auf und Ab der Finanzmärkte abhängt, vielen Menschen wieder als unverzichtbar gilt. Zumindest erscheint es als unklug, sich auf das private System alleine zu verlassen. Eine Kehrtwende.
Damals, um das Jahr 2000, war die Grundstimmung ganz anders. Zwar gab es gegen die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente, die mit der Riester-Reform verbunden waren, einigen Widerstand. Aber was die kapitalgedeckte Vorsorge auf privater Basis betraf, waren sich fast alle einig: Damit werde sich der demographische Wandel bewältigen und künftige Altersarmut besiegen lassen. Spare in der Zeit, so hast du in der Not: Warum sollte man sich auf diese alte Hausregel nicht verlassen können?
Die Deutschen waren bereit, selbst vorzusorgen
Die Staatsrente galt als Minusgeschäft. Auf allen Ebenen der Einkommensskala versuchten Erwerbstätige, sich aus diesem System davonzustehlen - ob sie nun als geringfügig Beschäftigte arbeiteten oder sich lieber gleich selbständig machten. Damals führte die rot-grüne Regierung zudem eine jährliche „Renteninformation“ ein. Sie sollte den Beschäftigten vor Augen führen, welch niedrige Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung sie zu erwarten hätten. Das schlechte Ergebnis überraschte zumindest viele Jüngere nicht mehr: Sie hatten sich längst damit abgefunden, dass der Staat sie im Alter nicht auskömmlich alimentiert.
Sie waren bereit, selbst vorzusorgen - zumal es als selbstverständlich galt, dass Renditen von rund vier Prozent jährlich mit privater Vorsorge zu erzielen seien. Erst die Schuldenkrise hat schmerzlich vor Augen geführt, dass es auch ganz anders kommen kann. Zwar werfen Versicherungen jetzt noch vier Prozent ab. Aber nur, weil sie noch hochverzinste Anleihen aus der Vergangenheit im Depot haben. Jedes Jahr werden nun diese Anleihen fällig und können nur durch neue Papiere mit niedrigeren Zinssätzen ersetzt werden. Daher werden die Versicherungen in den nächsten Jahren immer weniger Rendite erzielen.
Der „kollektive Buddenbrooks-Effekt“
Auch das ist für viele Experten nicht überraschend. Denn die Forderung nach mehr privater Vorsorge lebt seit langem mit einem Widerspruch. „Einerseits fördern wir die private Vorsorge, andererseits darf durch die Schuldenbremse das Angebot an sicheren Staatsanleihen nicht mehr ausgeweitet werden“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Sprich: Es gibt zu wenig solide Anleihen, um die steigende Nachfrage danach zu bedienen. Die einst als sicher geltenden Staatsanleihen aus Spanien oder Italien fallen dafür aus, und ganz Europa stürzt sich in sichere Bundesanleihen. Kein Wunder, dass da die Kurse in die Höhe schießen und die Renditen auf Rekordtiefs fallen.