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Wohnungen und Häuser : Bundesbank warnt vor steigenden Risiken am Immobilienmarkt

Immobilienboom in Deutschland: Es wird viel gebaut. Bild: dpa

Ausgerechnet die hohe Inflation könnte auch für den Wert von Häusern ein Problem werden, warnt die Bundesbank. Dann nämlich, wenn die Zinsen steigen. Die Ampelkoalition erwägt laut Bundesbank ein Eingreifen gegen eine mögliche Immobilienblase.

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          Die Deutsche Bundesbank warnt, die Risiken am deutschen Immobilienmarkt hätten deutlich zugenommen. 2020 seien die Preise für Wohnimmobilien mit im Schnitt plus 6,7 Prozent abermals kräftig gestiegen, und es werde vielfach mit weiter anziehenden Preise gerechnet, schreibt die Notenbank in ihrem am Donnerstag vorgestellten Finanzstabilitätsbericht. Die Bundesbank spricht zwar nicht von einer bedrohlichen Immobilienblase, führt aber aus, die Immobilienpreise lägen mittlerweile 10 bis 30 Prozent über den Werten, die fundamental etwa durch die Mietenhöhe gerechtfertigt seien. „Das ist zunehmend auch außerhalb der Ballungsräume der Fall“, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Als typisch für Immobilienblasen gilt, dass Menschen zum Teil nur deshalb in Immobilien investieren, weil sie mit weiter steigenden Preisen rechnen. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Bundesbank eine Umfrage vorlegte, der zufolge aktuell 90 Prozent der Menschen in Deutschland mit weiter steigenden Immobilienpreisen rechnen. „Die Auswirkungen von Preiskorrekturen könnten unterschätzt werden“, meinte Buch. Die Kreditvergabe für Wohnimmobilien sei in Deutschland zuletzt auf Jahressicht um 7,2 Prozent gestiegen, eine nicht unerhebliche Steigerungsrate.

          Die Zinsänderungsrisiken haben zugenommen

          Die Bundesbank äußerte auch Sorge, dass die Banken ihre Kreditvergabestandards absenken könnten, weil bislang so wenig schiefgegangen sei. Laut Bundesbank macht ein hoher Anteil von langlaufenden Krediten und Kapitalanlagen das Finanzsystem anfällig für Risiken, die sich aus einer Änderung der Zinsen ergeben. So habe etwa rund die Hälfte der Bankkredite für Wohnimmobilien in Deutschland mittlerweile eine Zinsbindungsfrist von mehr als zehn Jahren. „Kritisch für die Finanzstabilität können steigende Immobilienpreise dann sein, wenn vermehrt Kredite mit stark gelockerten Vergabestandards vergeben und steigende Preise erwartet werden“, sagte Buch.

          Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling führte aus, wie insbesondere die aktuell hohe Inflation zu einem Risiko für den Immobilienmarkt werden könnte – während man gemeinhin doch meint, gerade Immobilien seien ein guter Schutz vor Inflation. Wuermeling erklärte das so: Die Notenbanken rechneten im Moment damit, dass die hohen Inflationsraten nur vorübergehend seien. Allerdings seien zuletzt die Aufwärtsrisiken für die Inflation gestiegen. Die Bundesbank meint deshalb, dass im nächsten Jahr die Inflationsraten wieder etwas zurückgehen dürften, sie könnten aber noch längere Zeit deutlich oberhalb von 3 Prozent verbleiben.

          „Das Risiko einer mittelfristig höheren Inflation hat zugenommen“, sagte Wuermeling. Das wiederum könnte zu steigenden Zinsen führen, mit Auswirkungen auch auf die Immobilienpreise. Mit den Aufwärtsrisiken für die Inflation stiegen im Moment also auch die Zinsänderungsrisiken.

          Was macht die Politik?

          Die Bundesbank äußerte Zweifel, ob die Banken diese Risiken schon ausreichend im Blick hätten. Viele Banken sähen einen Zinsanstieg wohl in erster Linie positiv, weil sie sich davon eine höhere Zinsmarge versprächen, sagte Wuermeling. Da gelte es aber, aufzupassen. Die Banken dürften die Risiken aus steigenden Zinsen für die Immobilienfinanzierung nicht unterschätzen. Sie müssten sich für die Zinswende wappnen. Gerade kleinere Banken könnten unter abrupt steigenden Zinsen leiden, wenn sie lang laufende Kreditverträge in den Büchern hätten, während viele größere Banken sich stärker gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert hätten. Mit einem langsamen, kontinuierlichen Zinsanstieg könne das deutsche Finanzsystem vermutlich gut leben: „Ein abrupter Zinsanstieg aber könnte weite Teile des Finanzsystems unter Druck setzen.“

          Die Notenbanker halten vor allem die Aufstockung der antizyklische Kapitalpuffer der Banken nach der Krise für ein wichtigstes Instrument, um der Blasengefahr zu begegnen. Vorschriften dazu, wie hoch die Beleihung von Immobilien im Verhältnis zum Hauswert sein darf („loan to value“), wären in Deutschland möglich, sollten im Moment, anders als in anderen europäischen Ländern, aber noch nicht aktiviert werden. Die Ampelkoalition habe eine Absichtserklärung abgegeben, die Möglichkeit zu schaffen, das Verhältnis von Schuldendienst zum Einkommen des Kreditnehmers zu begrenzen. Die Bundesbank halte aber den antizyklischen Kapitalpuffer der Banken im Augenblick für das Instrument der Wahl.

          Auswirkungen der Klimapolitik

          Auch mögliche Auswirkungen einer strafferen Klimapolitik auf das Finanzsystem hat die Bundesbank im Finanzstabilitätsbericht untersucht. Allerdings wurde der Blick vor allem auf kurzfristige, sogenannte transitorische Risiken gerichtet. Also beispielsweise, welche Kreditausfälle kann es in Banken geben, wenn der CO2-Preis nun stärker als vorgesehen steigt. Nicht betrachtet wurden dabei die physischen Risiken des Klimawandels, also beispielsweise die Frage, welche Kreditausfälle kann es geben, wenn längerfristig der Meeresspiegel steigt und Unternehmensstandorte in Frage stellt.

          Für die kurzfristigen Risiken kommt die Bundesbank nach Modellanalysen für die nächsten zehn Jahre zu dem Schluss, sie seien geringer, als die öffentliche Diskussion vielleicht nahelege. Die Auswirkungen beispielsweise eines kräftig steigenden Preises für Kohlendioxid auf die Bankbilanzen dürften überschaubar sein. „Insgesamt liegen die Verluste in den Portfolios von Banken, Versicherern und Investmentfonds im einstelligen Prozentbereich“, sagte Buch. Die Bundesbank folgert daraus: „Werden klare und verlässliche Entscheidungen in Richtung Klimaneutralität getroffen, dürften die kurzfristigen Kosten für das Finanzsystem vergleichsweise gering sein.“

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