Lebensversicherungen : Die Rendite wird zum Problem für Lebensversicherungen
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Lebensversicherungen und Pensionskassen sehen sich durch sinkende Zinsen mit Problemen konfrontiert. Zudem senkt die Nachreservierungspflicht den Spielraum für Überschussbeteiligungen.
Die Euro-Krise kommt in den Portemonnaies der Vorsorgesparer an. An dieser Botschaft kommt man derzeit in Presse und Rundfunk kaum vorbei. Für die deutschen Lebensversicherer, die rund 90 Millionen Lebens- und Rentenversicherungen und darunter 10,8 Millionen Riester verwalten, ist die aktuelle Niedrigzinsphase vielleicht die größte Herausforderung ihrer Geschichte. Mit denselben Schwierigkeiten schlagen sich Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge wie Pensions- oder Unterstützungskassen herum.

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.
Ein Blick auf die Nettoverzinsungen der deutschen Lebensversicherer illustriert die Lage: Seit 2005 ist sie im Durchschnitt um einen Prozentpunkt auf zuletzt 4,14 Prozent gefallen. Sechs Versicherer erwirtschafteten in den neun Jahren bis 2010 nach Daten der Ratingagentur Assekurata mit ihrer Kapitalanlage weniger als 4 Prozent im Jahr (siehe Grafik). Zwar liegt das durchschnittliche Garantieversprechen aktuell mit 3,2 Prozent darunter. Aus den Überschüssen müssen aber auch Verträge der Jahre 1994 bis 1999 bedient werden, auf die eine Garantie von 4 Prozent gewährt wird.
Die Garantieverpflichtungen langfristig erfüllen
Bei drei Versicherern schwankt die Nettoverzinsung in den vergangenen drei Jahren sogar um die Marke von 3 Prozent: mit der Bayerischen Beamten und der Delta Lloyd sind das zwei Gesellschaften, die kein Neugeschäft mehr zeichnen. Hinzu kommt die Generali Leben. Leicht kompensiert werden die rückläufigen Erträge durch eine wachsende andere Gewinnquelle: Die Risikogewinne, die entstehen, wenn die Sterbewahrscheinlichkeit im Vorfeld zu vorsichtig kalkuliert wurde, liegen in etwa auf dem Niveau der Kapitalerträge.
„Momentan ist in der Aufsicht und der Politik die oberste Maxime, dass die Versicherer ihre Garantieverpflichtungen auch langfristig erfüllen können“, beobachtet Lars Heermann von Assekurata. Ein Schritt, der dazu diente, war die Senkung des Garantiezinses von 2,25 auf 1,75 Prozent. Seit vergangenem Jahr müssen die Unternehmen außerdem eine zusätzliche Reserve schaffen, um mögliche Deckungslücken der 4-Prozent-Verträge zu schließen. Der Referenzzinssatz von Staatsanleihen mit höchster Bonität über die vergangenen zehn Jahre sank auf 3,9 Prozent.
Das nimmt das Finanzministerium als realistischen Zins an, den ein Versicherer erwirtschaften kann. Um sicherzustellen, dass auch die 4-Prozent-Verträge erfüllt werden können, müssen die Unternehmen nachreservieren. 1,5 Milliarden Euro waren das im vergangenen Jahr - rund 10 Prozent des Rohüberschusses. In diesem Jahr dürfte dieser weiter sinken. Dagegen könnte sich der Aufwand für die Nachreservierung vervierfachen, weil der Referenzzins nach Branchenschätzungen nun auf 3,6 Prozent fallen wird.
Für Unternehmen, die durch eine geringe Nettoverzinsung nur geringe Überschüsse haben, wird die Luft also dünner. „Dennoch sehen wir nicht, dass die ersten Versicherer bald Zahlungsschwierigkeiten bekommen. Das geben auch unsere Ratings nicht her“, sagt Analyst Heermann. Momentan könnten die Versicherer die Schwierigkeiten ohne den Auffangschirm Protektor durch sinkende Überschussbeteiligungen abfedern - auch das ist aber keine gute Nachricht für die Kunden.
Lebensversicherer verwendete unzulässige Klauseln
Mit einer Verbandsklage gegen den Versicherer Deutscher Ring Leben hat die Verbraucherzentrale Hamburg vor dem Bundesgerichtshof einen Erfolg erzielt. Die Richter erklärten am Mittwoch eine Klausel in Lebensversicherungsverträgen für unwirksam (Az.: IV ZR 201/10). Wenn ein Kunde einen Vertrag vorzeitig kündigt, wird dafür ein Stornoabzug fällig. Der Rückkaufswert der Police ist also geringer als die eingezahlten Beiträge. Die entsprechende Klausel in den Vertragsbedingungen beinhaltete in Verträgen zwischen 2001 und 2007 keinen Euro-Betrag, sondern bezifferte den Verlust nur als Prozentangabe von den Deckungsrückstellungen.
Eine solche Angabe ist nach Auffassung der Bundesrichter unzulässig. Zudem benachteilige die Verrechnung von Provisionen auf die ersten Jahre des Vertrags (Zillmerung) den Kunden in unzulässiger Weise. Der Deutsche Ring erklärte, dass dadurch der Stornoabschlag neu bewertet werden muss. Kunden, die ihren Vertrag gekündigt haben oder noch kündigen, stehe womöglich eine höhere Auszahlung zu als bislang. Dies betreffe aber maximal 50.000 Verträge des damaligen Bestands von 950.000 Policen. Die Kläger sehen die Folgen des Urteils als sehr viel weitreichender an. Weil sich das Unternehmen auf Musterbedingungen des Branchenverbands GDV gestützt habe, könne das Urteil auf alle Verträge der Jahre 2001 bis 2007 angewandt werden, teilte die Verbraucherzentrale Hamburg mit.
„Die Behauptung der gesamten Branche, sie hätte alle Klauseln nach dem BGH-Urteil von 2005 beanstandungsfrei angepasst, hat sich als falsch erwiesen“, sagte deren Rechtsanwalt Joachim Bluhm. Der Marktführer Allianz hat für solche Fälle vorgesorgt: 117 Millionen Euro sind dafür in der Bilanz zurückgestellt. Inwieweit eigene Fälle betroffen sind, werde die schriftliche Urteilsbegründung zeigen, sagte ein Allianz-Sprecher. Die Schätzung der Verbraucherschützer, dass die Rückerstattungen einen Umfang von 12 Milliarden Euro hätten, halten Branchenvertreter für zu hoch. Das Verbot entsprechender Vertragsbedingungen ist nicht explizit auf die Jahre bis 2007 beschränkt.