Singapur will weg vom Bargeld : Smartphone statt Geldbörse
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immer in Bewegung: Die Finanzmetropole Singapur und ihre Bewohner Bild: Reuters
Singapur will den elektronischen Zahlungsverkehr ausbauen und setzt dafür auf das Handy. Als Vorbild dient ein Land in Skandinavien.
Der südostasiatische Finanzplatz Singapur will mit Hilfe seiner Notenbank den elektronischen Zahlungsverkehr ausbauen und den Bargeldumlauf und Scheckverkehr so gering wie möglich halten. Die Notenbank Monetary Authority of Singapore (MAS) im straff geführten Stadtstaat legt nun die Grundsteine dafür – von einer Ausbildungsinitiative für Techniker an den Hochschulen über einen „Sandkasten“ für regulatorische Versuche bis zur Gründung eines Fintech-Labors in ihrem Haus.
„Unsere Vision geht dahin, dass Singapur eine Gesellschaft des elektronischen Zahlungsverkehrs wird, wo schnelle, einfache und sichere Zahlungen für jedermann möglich sind und Firmen ihre Produktivität steigern durch Zahlungen, die in den Geschäftsprozess eingegliedert sind“, erklärt Notenbankchef Ravi Menon. Mit dem Vorstoß will der Stadtstaat, dessen wirtschaftliche Entwicklung derzeit hinter den Erwartungen zurückbleibt, sein Wachstum stärken, Arbeitsplätze schaffen und seine Rolle als internationaler Finanzplatz festigen.
Menon drückt auf das Tempo: Beim elektronischen Zahlungsverkehr vergleicht er Singapur mit Vorreiter Schweden. Im chinesisch geprägten Stadtstaat kursiert Bargeld in Höhe von 8,8 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, in Schweden hingegen seien es nur noch zwei Prozent. Während in Singapur 2014 noch statistisch betrachtet fast 13 Schecks je Einwohner ausgestellt wurden, waren es in Schweden praktisch überhaupt keine mehr.
Die Kosten für den Papierverkehr schätzt Menon auf rund zwei Milliarden Singapur Dollar (1,3 Milliarden Euro) jährlich. Er will die Banken anhalten, diese Kosten auf die Verbraucher umzulegen. So sollen diese dann gezwungen werden, ins Digitale zu wechseln. Vorzugsweise solle der Geldtransfer über das Mobiltelefon abgewickelt werden. Hier sieht die Notenbank große Chancen, weil Singapur ähnlich wie Amerika oder Schweden eine hohe Dichte an Mobiltelefonen und Bankdienstleistungen hat. Sie sollen nun zusammengeführt werden.
Innovationslabors in Singapur
Im April hatte Apple seinen Dienst Apple Pay eingeführt, im Juni folgte Samsung mit seinem eigenen Service. Die Großbanken Standard Chartered (Dash), OCBC (Pay Anyone) und DBS Group (Pay Lah!) haben eigene Systeme im Markt verankert. „Wir haben zwar einige Innovationen im Zahlungsverkehr eingeführt, aber er muss so gut werden, wie der beste weltweit“, sagte Menon. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll der Stadtstaat mit seinen knapp sechs Millionen Einwohnern auf mehr als 11.000 Lesegeräte in Geschäften kommen, die Mobiltelefone zum Zahlen nutzen.
Wichtig ist das Umfeld für die Finanztechnologie-Firmen. Im neuen Labor wollen die Zentralbanker mit Technologieunternehmen und Gründern an Finanzdienstleistungen arbeiten und der „Fintech-Gemeinschaft“ einen Treffpunkt bieten. „MAS hat Finanzinstitutionen ermutigt, ihre Innovationslabors in Singapur anzusiedeln. Hier wollen wir ihnen eine Plattform bieten, um sich zu verbinden und zusammenzuarbeiten“, erklärte Sopnendu Mohanty, der das Labor in der Notenbank leitet. Die MAS hat auch eine „regulatory sandbox“ eingerichtet, einen Sandkasten, in dem die jungen Unternehmen und die Beamten sich daran versuchen können, passende Richtlinien zu entwickeln. Unternehmen wie Smartkarma, die aus ihren Büros in der Nähe von Singapurs Flughafen Finanzmarktberichte und Analysen von Banken aus der ganzen Welt sammelt und Nutzern zur Verfügung stellt, runden das Angebot ab.
Christopher Quek, Gründer von Tri5 Ventures, klagt stellvertretend für die Branche aber über einen Mangel an Fachleuten, gerade in Asien. „In den Fintechs fällt das auf, weil unsere Industrie höhere Qualifikationen und Berufserfahrung braucht.“ Notenbankchef Menon versprach für den straff geführten Stadtstaat Änderung: „Wir werden mit den Hochschulen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass wir eine starke Talent-Pipeline haben.“
Zweikampf mit Hongkong
Doch selbst dann bleibt der ewige Zweikampf mit Hongkong, welche der beiden Städte denn nun das „Valley of the East“ werden wird, angelehnt an das Silicon Valley in Amerika. In alter Manier, wie schon in anderen Branchen, hat Singapur einen Beirat mit Größen der Branchen zusammengestellt – unter anderen gehört ihm Vikram Pandit an, der frühere Vorstandsvorsitzende der Citigroup. Im November will die Stadt ein „Fintech-Festival“ für die Branche abhalten, um Ideengeber, Gründer, Finanziers und Regulatoren zusammenzubringen.
Die mehr als 200 Banken im Stadtstaat gaben 2014 rund 485 Milliarden Dollar für den Einkauf aus. Ein Teil davon fließt schon in das neue Geschäftsfeld. Gleichzeitig gründen sie eigene Versuchsräume und Inkubatoren. Mit dem IBM Innovation Hub hat Singapur einen starken Partner in der Entwicklung der Blockchain-Technik gewonnen, mit der gleichzeitiger Zahlungsverkehr ohne eine vermittelnde Bank möglich werden soll. In Hongkong hat die Bankenaufsicht mit Partnern das Hong Kong Internet Finance Council ins Leben gerufen.
Die Hongkong Computer Vereinigung hat sich mit dem Hong Kong Institute of Bankers zusammengeschlossen, um Talente zu entwickeln. InvestHK stellt Gründern Geld für den Aufbau einer Firma bereit. Noch scheint Singapur bei der Finanzierung die Nase vorn zu haben. Hongkong aber setzt auf Festlandchina: Von dort sollen Geldgeber kommen, auch Talente und schließlich soll China auch der Markt für jene Neugründungen werden, die sich in der kleinen Sonderverwaltungszone bewährt haben. Zu ihnen könnten die jüngsten Gründungen der Banken zählen: Die DBS aus Singapur hat den Nest Accelerator ins Leben gerufen, Accenture das Fintech Innovation Lab und der chinesische Suchmaschinendienst Baidu den Supercharger. Alle drei sollen neue Konzepte für die Finanzbranche und den Zahlungsverkehr entwickeln.