Selbstbedienung : Wie ehrlich sind Kunden an der Ladenkasse?
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In Deutschland noch eher selten zu finden: Selbstbedienungskassen. Bild: dpa
Immer mehr Händler sparen sich die Kassiererin. Und vertrauen darauf, dass der Kunde alle Waren treulich einscannt. Doch wie ehrlich sind Kunden an der Ladenkasse?
Der Mann konnte der Versuchung nicht widerstehen. Er wollte den „Playboy“, aber er wollte das Männermagazin möglichst billig und heimlich. Deshalb ging der Essener an eine Selbstbedienungskasse, also dorthin, wo keine Verkäuferin ein Auge auf die Ware wirft. Dort scannte der Mann nicht den Barcode auf dem „Playboy“ ein, sondern jenen einer billigeren Lokalzeitung. Der Schummler wurde erwischt, musste sich vor Gericht verantworten und wurde wegen Diebstahls zu einer Strafe von 100 Euro verdonnert. Die Moral von der wahren Geschicht’: Selbstbedienungskassen laden zwar zu Mauscheleien ein, aber auch dort wird ein Dieb, der sich für gewieft hält, ertappt. Oder etwa nicht?
In Großbritannien, wo SB-Kassen weitaus gebräuchlicher sind als hierzulande, nutzt angeblich jeder fünfte Käufer das Self-Check-out zum Warenschmuggel. Vor allem Obst und Gemüse und Backwaren lassen die Briten mitgehen, wie eine repräsentative Studie der Universität Cambridge ergab. Im Schnitt spare jeder Dieb auf diese Weise umgerechnet 18 Euro im Monat. Der Schaden für eine Supermarktkette wie Tesco, die bereits ein Viertel ihres Umsatzes an SB-Kassen macht, ist enorm: Britische Einzelhändler werden von Kassenbetrügern um zwei Milliarden Euro jährlich gebracht.
Und wie ehrlich ist der deutsche Kunde? Bei Ikea müssen sie es wissen. Seit acht Jahren können die Kunden der schwedischen Möbelkette ihre Waren an den Self-Check-out-Kassen selbständig einscannen und bargeldlos bezahlen. Rund 1000 sogenannter Expresskassen hat Ikea in seinen 50 deutschen Märkten, und viele Käufer freut’s. Die Wartezeit in der Schlange wird kürzer, beim Bezahlen bestimmt der Kunde das Tempo selbst. 40 Prozent der Ikea-Kunden nutzen die Expresskassen, aber nur ein kleiner Teil vergisst, einen Artikel zu scannen, oder versucht gar, Produkte mitgehen zu lassen oder billiger zu bekommen. Teelichter einscannen, aber Billy-Regal einpacken? „Man sollte bloß nicht glauben, dass die Kunden in großem Stil versuchen, sich Teile in die Tasche zu mogeln“, heißt es aus dem Unternehmen. „Wir haben keine signifikante Inventurdifferenz, seit wir die Expresskassen haben.“ Was so viel heißt wie: Es wird nicht mehr geklaut als vorher. Zusätzliche Verluste muss Ikea nicht einplanen.
Wie groß der alte und neue Schaden für die Schweden ist, mag niemand genau zu beziffern. Dass er sich aber in Grenzen hält, dafür sorgt Ikea. Und zwar in der Regel so, dass es die Kunden kaum mitbekommen. Dass die freundliche Servicekraft, die an den Expresskassen mit Rat zur Seite steht, mitunter auch stichprobenhaft die Bons kontrolliert, dürfte vielen bekannt sein. Ebenso wie die Tatsache, dass ein Bon an den Ausgangstoren gescannt werden muss. Weniger offensichtlich sind dagegen Sicherheitssysteme wie Kameras, die im Bereich der Expresskassen installiert sind. Bezahlvorgänge werden aufgezeichnet und können bei Auffälligkeiten von Ikea-Mitarbeitern überprüft werden. Unachtsamkeit oder Absicht wird sogleich geahndet.
Der Möbelriese Ikea kann es sich leisten, seine Märkte mit SB-Kassen samt Sicherheitsvorkehrungen auszustatten. Supermärkte tun sich damit schon schwerer. 120.000 Euro kostet ein sogenanntes Modul mit vier Self-Check-out-Kassen, rund dreimal so viel wie herkömmliche Kassen. Ganz zu schweigen von den weiteren Kosten für Kontrollwaagen, Kameras und Sicherheitspersonal. Dafür setzen die rund 300 deutschen Märkte mit SB-Kassen darauf, dass sie in gleicher Zeit bis zu 40 Prozent mehr Kunden bedienen können. Und zwar deshalb, weil sie auf dem gleichen Platz doppelt so viele Kassen errichten können. Nebenbei können die Märkte an Personal sparen.
In Deutschland eher Ausnahme
Allerdings geht es an den einzelnen Expresskassen nicht schneller zu als bei einer versierten Kassiererin. Es dauert eben länger, wenn ein Kunde seine Artikel selbst einscannt, und auch die Kartenzahlung mit Unterschrift wie bei Ikea nimmt Zeit in Anspruch. Mit Bargeld, das haben Studien des Handelsinstituts EHI ergeben, geht es deutlich fixer: Eine durchschnittliche Barzahlung, die mit dem Nennen des Betrags anfängt und mit dem Schließen der Kassenschublade endet, dauert demnach im Textilhandel oder in Warenhäusern 15 Sekunden, bei Discountern 22 Sekunden und in Supermärkten 24 Sekunden. Die Zeit, die man bei SB-Kassen in der Warteschlange gespart hat, geht also beim Bezahlen mit Debit- und Kreditkarten wieder drauf.
Dass sich deutsche Selbstzahler offenbar seltener zu Diebstählen hinreißen lassen als Briten, ist durch eine Umfrage belegt. 95 Prozent der Handelsunternehmen mit SB-Kassen haben demnach berichtet, dass an Expresskassen nicht öfter geklaut wird als an herkömmlichen Kassen. Ein Diebstahl erfolge erfahrungsgemäß fast nur im Verkaufsraum und nicht an der Kasse. Der Mann, der sich den „Playboy“ erschleichen wollte, erscheint also hierzulande als eine Ausnahme.