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Kleidung : Teuer ist nicht gut

Bild: Bengt Fosshag

Kann ein T-Shirt für fünf Euro unter fairen Arbeitsbedingungen produziert werden? Oder müssen wir 50 Euro ausgeben? Eines ist klar: Ein hoher Verkaufspreis kommt nicht bei den Näherinnen an.

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          Das Drama ist jetzt mehr als einen Monat her, doch anders als sonst hat die Welt es noch immer nicht vergessen: zu erschreckend waren die Bilder, zu groß das Leid. Mehr als 1100 Tote und fast 2500 Verletzte lautete die furchtbare Bilanz des wohl kürzesten Arbeitstages, den die Mitarbeiterinnen des „Rana Plaza“ in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka je hatten. An einem Mittwochmorgen im April um 8.45 Uhr war das achtstöckige Gebäude eingestürzt und hatte Tausende Textilarbeiterinnen unter sich begraben. Schuld daran: Die Fabrikanten, denen es vor allem um eines ging - so günstig wie möglich Kleidungsstücke zu produzieren.

          Dennis Kremer
          Redakteur im Ressort „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Seitdem steht die Textilbranche unter Druck wie selten, aber auch so manchen Kunden plagt nun das schlechte Gewissen: Was kann man tun, damit die eigenen T-Shirts und Hosen, Schuhe und Hemden nicht von schlechtbezahlten Näherinnen unter miserablen Arbeitsbedingungen gefertigt werden? Die vermeintlich naheliegendste, aber auch bequemste Antwort darauf lautet: Finger weg von Billigklamotten! Lieber 50 Euro ausgeben als 5 Euro. Denn je höher der Preis, desto höher muss doch auch der Lohn sein, den die Arbeiterinnen erhalten.

          Doch so leicht können sich die Kunden kein gutes Gewissen einkaufen, denn so einfach ist der Zusammenhang nicht. Vom Preis eines T-Shirts auf die Höhe der Löhne und die Qualität der Arbeitsbedingungen zu schließen kann mächtig schiefgehen. Warum dies so ist, zeigen eine kleine Rechnung und ein genauer Blick auf die ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten in der Bekleidungsindustrie.

          Bilderstrecke

          Zur Rechnung muss man zunächst sagen: Die meisten Modeketten geben in ihre Preiskalkulationen kaum Einblick. Der deutsche Kleidungsproduzent Hessnatur aber hat das unlängst getan, und zwar aus einem einfachen Grund: Die Firma lässt unter anderem in Bangladesch produzieren und ist stolz darauf, den dortigen Beschäftigten deutlich mehr als den Mindestlohn zu zahlen - auch deswegen legt sie die Kosten für die Herstellung eines T-Shirts nun so detailliert offen (siehe Grafik).

          Bei einem Preis von 19,95 Euro fließt pro verkauftem Shirt ein Anteil von etwa 1,40 Euro ab, um die Löhne der Textilarbeiterinnen zu bezahlen. 19,95 Euro sind deutlich mehr als jene 5 Euro, die ein Billig-T-Shirt üblicherweise kostet - aber lassen sich daraus nun automatisch höhere Sozialstandards ablesen? Mitnichten. Angenommen, Hessnatur würde die Löhne von einem auf den anderen Tag halbieren, fiele der Preis für das T-Shirt um lediglich 70 Cent auf 19,25 Euro - eine drastische Maßnahme, die sich aber im Preis kaum widerspiegeln würde.

          Made in Spain wird nicht immer in Spanien hergestellt

          Wohl kaum ein Kunde würde den Unterschied bemerken. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Aus Niedrigstpreisen für ein T-Shirt lassen sich nicht zwangsläufig schlechte Arbeitsbedingungen ableiten. Das räumen sogar Organisationen wie die „Kampagne für saubere Kleidung“ ein, die der Textilbranche kritisch gegenübersteht.

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