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Der neue Bastelspaß : Selbst ist der Heimwerker

Selbst ist die Frau: Viele reparieren ihr Fahrrad heute wieder selbst. Bild: mauritius images

Wegwerfen war gestern: Die Leute reparieren, was das Zeug hält: Fahrrad, Toaster, Waschmaschine. Und sogar das iPhone. Am meisten Spaß macht das Basteln mit anderen zusammen.

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          Florian Grimm hat noch nie selbst ein Fahrrad repariert. Doch jetzt ähnelt das Hinterrad seines blauen Mountainbikes einer Acht, und die Gangschaltung ist kaputt. In einem normalen Fahrradladen würde die Reparatur sicher teuer, schätzt Grimm, 30 Jahre alt und Mitarbeiter einer Bank. Da macht er es doch lieber selbst.

          Britta Beeger
          Redakteurin in der Wirtschaft und zuständig für „Die Lounge“.

          Grimm hat sein Fahrrad in die Werkstatt von Sven Helpensteller im Frankfurter Nordend geschoben. Hier gibt es das passende Werkzeug und Ersatzteile wie neue Schläuche, Flickzeug und Bremszüge. Und auch mal einen Tipp vom Profi. Schrauben muss aber jeder selbst: Die erste halbe Stunde an einem der fünf Arbeitsplätze kostet fünf Euro, jede weitere Viertelstunde 2,50 Euro.

          Die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem man selbst reparieren kann, kommt an. Zwar gibt es immer wieder Kunden, die nur auf eine günstige Reparatur vom Fachmann hoffen. Die setzt Helpensteller, der für die eigene Werkstatt seine Stelle als Unternehmensberater aufgegeben hat, dann auch schon mal vor die Tür. „Die meisten wollen ihr Fahrrad aber tatsächlich gerne selbst reparieren“, sagt er.

          Abkehr von der Wegwerfgesellschaft

          Was früher einmal selbstverständlich war und dann verpönt, liegt plötzlich wieder im Trend: Viele Menschen sehen es nicht mehr ein, alles gleich wegzuwerfen, und reparieren ihre Sachen selbst. Deutschlandweit treffen sie sich in Repair Cafés, um gemeinsam ihre Toaster, CD-Player, Mixer und Kaffeemaschinen auf Vordermann zu bringen. In vielen Städten entstehen zudem offene Werkstätten, in denen man sich Werkzeug leihen oder auch mal einen Strickkurs belegen kann. Und im Internet gibt es für jedes Problem - vor allem bei elektronischen Geräten - längst eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie es wieder zu beheben ist.

          Gefördert wird der Trend durch populäre Bücher wie „Die Kultur der Reparatur“ von Wolfgang Heckl, das am 26. August erscheint. Heckl fordert die „Abkehr von der Wegwerfgesellschaft“: Die Werbung erziehe uns dazu, alles immer neu zu kaufen, schreibt er. Ist ein Smartphone kaputt, gibt es längst das nächste Modell mit mehr Speicherplatz oder einer besseren Bildqualität. Das alte werde dann einfach aussortiert. Das Problem dabei: Die natürlichen Ressourcen werden knapper. Deshalb werde es in Zukunft wieder mehr Menschen brauchen, die Dinge reparieren können, schreibt Heckl. In Handys etwa stecken seltene Erden wie Scandium, außerdem Coltan, Silber, Gold, Platin und Eisen. Auch andere elektronische Geräte wie Flachbildfernseher oder Laptops enthalten wertvolle Rohstoffe. Sie so lange wie möglich zu reparieren, bezeichnet Heckl als „gelebte Nachhaltigkeit“.

          Dieser Gedanke steckt auch hinter den Repair Cafés. Die Idee kommt aus den Niederlanden: Im Oktober 2009 eröffnete die Journalistin Martine Postma das erste Repair Café in Amsterdam. Es soll nicht nur ein Ort für Bastler sein oder für Menschen, die sich den Fachmann für die Reparatur nicht leisten können. Postma fordert ein neues Nachdenken über den Umgang mit natürlichen Ressourcen.

          Das Konzept hat sich schnell verbreitet. Repair Cafés gibt es heute in Belgien, Frankreich, Kanada und in den Vereinigten Staaten. Das erste deutsche Repair Café eröffnete im April 2012 in Köln. Bis zu 70 Leute kommen zu den Treffen, meistens um Elektrogeräte zu reparieren. Unter ihnen sind Schüler, die Geld sparen wollen, aber auch Rentner, die finden: Das ist doch noch gut. Freiwillige Helfer - Informatikstudenten, Maschinenbauingenieure und Elektromeister - helfen beim Reparieren.

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