Betriebsrente : Warum es keine Garantien mehr geben soll
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Arbeitsministerin Andrea Nahles: Will Betriebsrente mit mehr Freiheiten ausstatten. Bild: dpa
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will bestimmten Formen der Betriebsrenten mehr Freiheit in der Kapitalanlage geben. Damit würden bestimmte Rentengarantien wegfallen. Wem nützt das?
Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen. Zumindest wollen die deutschen Versicherer weiter dafür kämpfen, dass Zinsgarantien in der betrieblichen Altersversorgung nicht vollständig zurückgedrängt werden. Zumindest für tarifvertragliche Lösungen will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Garantien verbieten. „Die geplante Regelung wäre nichts anderes als eine staatliche Pflichtverordnung zum Eingehen von Risiken für Millionen von Arbeitnehmern“, sagte Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft jüngst in Berlin.
Die Tarifpartner sollten stattdessen eine Wahlmöglichkeit erhalten, ob sie eine Mindestverzinsung einziehen. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Gewerkschaften einbringen, um Wahlmöglichkeiten zu schaffen“, sagte Erdland. Das wäre im Interesse der Versicherer, weil die betriebliche Altersversorgung eines der wenigen Wachstumsfelder in der Lebensversicherung ist.
Warum will die Bundesregierung die Garantien streichen?
In dem Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett kurz vor Weihnachten beschlossen hat, wägt es die Vor- und Nachteile ab. Garantien hätten den Vorteil einer hohen Planungssicherheit. Um dies zu erreichen, müsse das Geld für die Rentenanwärter aber sehr vorsichtig – das heißt überwiegend in Wertpapiere mit festem Zinskupon (Pfandbriefe, Staats- und Unternehmensanleihen) – investiert werden. „Eine Chance auf eine bessere Rendite geht damit verloren. Im Niedrigzinsumfeld wird dies offensichtlich“, heißt es in dem Entwurf.
Es könne sein, dass nicht einmal mehr die Entwertung des angesparten Vermögens durch die Inflation erreicht werde. Dieser Nachteil schmälere die Betriebsrenten und gehe so zu Lasten der Arbeitnehmer. Den Sozialpartnern bleibt aber die Wahl, ob sie sich für die Beitragszusage mit Zielrente entscheiden oder die herkömmlichen Formen der betrieblichen Alterversorgung.
Wieso landet so viel Geld in festverzinslichen Wertpapieren?
Garantien haben die Eigenschaft, dass sie leicht zu erwirtschaften sind, wenn sie für den Verbraucher nur einen geringen Nutzen haben. Umgekehrt tun sich die Vorsorgeeinrichtungen besonders schwer, sie zu erfüllen, wenn sie gerade besonders nützlich für den Sparer sind. Das liegt an folgendem Mechanismus: Sind die Anleihezinsen im Markt deutlich höher als die Garantien, muss nur ein kleiner Teil der Kapitalanlage in solche Papiere fließen, damit sie auch sicher erfüllt werden.
Nehmen wir ein einfaches Rechenbeispiel: Der Zins am Kapitalmarkt betrage 5 Prozent, die Garantie 2,5 Prozent, die Laufzeit betrage zwanzig Jahre und es fließe kein Geld für sonstige Kosten ab. Dann könnte die Vorsorgeeinrichtung das Geld zu Beginn fest in Anleihen anlegen und hätte schon nach etwas mehr als der Hälfte der Zeit die Garantie sicher erwirtschaftet.
In der zweiten Hälfte könnte sie das Geld so aufteilen, dass dieser Betrag abgesichert wird und das restliche Geld riskanter und damit chancenreicher angelegt wird. Sie könnte auch einen Teil des Geldes auf zwanzig Jahre für 5 Prozent anlegen und mit einem anderen Teil spekulieren, ohne auf Erträge angewiesen zu sein.
Im aktuellen Zinsumfeld sieht es genau umgekehrt aus: Viele Pensionskassen müssen Garantien von durchschnittlich mehr als 3 Prozent erfüllen, sichere Anleihen werfen aber viel weniger ab. Immerhin halten sie aus der Vergangenheit noch Papiere mit höheren Kupons. Doch um die Garantie sicher bereitstellen zu können, müssen sie fast alles in niedrigverzinste Wertpapiere investieren. Dadurch bleibt kein Geld mehr für Aktien oder Beteiligungen übrig.
Wie argumentiert die Versicherungsbranche?
Die Assekuranz beruft sich auf den ordnungspolitischen Grundsatz, dass man zwei Partnern die Inhalte ihres Vertrags nicht vorschreiben dürfe. Auf dem deutschen Markt der Altersvorsorge hätten Garantien weiterhin eine hohe Bedeutung, weil sie von den Kunden nachgefragt würden. Deshalb entwickeln die Unternehmen alternative Garantiemodelle, die zum Beispiel keinen jährlichen Zins mehr enthalten, sondern nur noch einen, der am Ende der Vertragslaufzeit angerechnet wird.
Schon das entlastet die Kapitalanleger. In der privaten Vorsorge werden außerdem neuerdings Produkte angeboten, wie sie in der betrieblichen Altersversorgung schon länger üblich sind: Sie beinhalten nur noch eine Beitragsgarantie – was einer Zinsgarantie von 0 Prozent entspricht. Das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen sei groß, was sich auch an der mangelnden Verbreitung von Aktien als Geldanlage zeige, meinen die Versicherer.
Doch das Argument hat einen Haken: Vertriebe lassen sich schulen, das Argument, dass Garantien hohe (Opportunitäts-)Kosten verursachen, wurde bislang am Kunden noch nicht richtig getestet. Wollten Vorsorgeeinrichtungen diese Entlastung, wäre das auch Arbeitnehmern vermittelbar. Doch die Versicherer fürchten um eines ihrer verbliebenen Alleinstellungsmerkmale im Wettbewerb.
Welche Wirkung haben Aufsichtsregeln auf die Geldanlage?
Die Garantien sind in den vergangenen Jahren stark zurückgefahren worden. Noch in den neunziger Jahren wurden marktweit lebenslange Zinsgarantien von 4 Prozent ausgesprochen. Daran haben Versicherer und Pensionskassen heute zu knabbern. Die Lebensversicherer kürzen vor allem den Neukunden kontinuierlich die Überschussbeteiligungen, Pensionskassen vereinbaren mit Arbeitgebern neue Nachschusszusagen.
Immer wieder wird argumentiert, die Anlageverordnung verhindere eine höhere Aktienquote in der Kapitalanlage. Tatsächlich sind es aber eher grundlegende Eigenschaften von Wertpapieren: Aktien sind zu volatil, um jährliche Verzinsungen zu gewährleisten. Ihr langfristiger Wertzuwachs passt zwar hervorragend zur Altersvorsorge – nicht aber dazu, dass jährliche Garantien erwirtschaftet werden müssen.
Im neuen europäischen Aufsichtsrecht Solvency II wird dem durch spezifische Eigenmittelanforderungen Rechnung getragen. Aktien, Hedgefonds-Investitionen und Beteiligungen erfordern hohe Kapitalunterlegungen, Infrastruktur, Immobilien und Unternehmensanleihen etwas niedrigere, Pfandbriefe geringe und Staatsanleihen sogar gar keine. Auch dies steuert die Geldanlage in Richtung Festverzinsliche.
Lässt sich Sicherheit auch ohne Garantie erreichen?
Seit langem am Markt etabliert sind fondsgebundene Lebensversicherungen, die das Kapitalanlagerisiko allein dem Anleger überlassen. Zwischen ihnen und den klassischen Garantieprodukten etablieren sich zunehmend Mischmodelle – zum Beispiel mit eingeschränkten oder zeitlich begrenzten Garantien. Sie sind aufwendiger in der Verwaltung, verursachen hohe Kosten und mindern somit die Rendite stark.
Es gibt aber eine Reihe von Fürsprechern eines kollektiven Sparmodells ganz ohne Garantien. Zu ihnen zählt der Kölner Fachhochschulprofessor Oskar Goecke, der auch einen Einfluss auf das Nahles-Gesetz hatte. Er argumentiert, dass Vorsorgeeinrichtungen einen großen kollektiven Investitionstopf aufbauen könnten, der breit diversifiziert Geld am Kapitalmarkt anlegt.
Wie in der klassischen Lebensversicherung beinhaltet ein solches Modell einen Ausgleich von Marktschwankungen durch Reserven. Jahresgewinne müssten nicht vollständig an die Kunden ausgeschüttet werden. Stattdessen können Teile von ihnen zurückgehalten werden, um Verluste in den Folgejahren abzufedern.
Vergangenheitstests haben gezeigt, dass solche kollektiven Modelle viel weniger schwankungsanfällig sind als individuelle Fondsanlagen und somit die Gefahr mindern können, dass Sparer wie in Amerika nach den Börseneinbrüchen 2002 und 2008 ihre Ruhestandspläne über den Haufen werfen müssen. Dabei muss aber bedacht werden, dass der Start eines solchen Systems bei niedrigen Zinsen und zum Teil rekordhohen Aktienkursen anspruchsvoll wäre.